Die neue parlamentarische Opposition im Nordirak

Zwei Parteien sind nicht genug

Nach den Wahlen im Nordirak gibt es erstmals eine Opposition im Parlament, die Islamisten waren erfolglos.

Das vorläufige Endergebnis war im besten Fall eine Ernüchterung für die in der Kurdistani List zusammengeschlossenen Parteien KDP und Puk, die den Nordirak bislang alleine regiert hatten. Sie errangen bei den Wahlen am 25. Juli 57 Prozent der Parlamentssitze, die neue Liste Goran (Wandel) 24 Prozent und die Service and Reform List, ein Zusammenschluss linker und gemäßigter islamischer Parteien, 13 Prozent. Damit zieht zum ersten Mal in der Geschichte der autonomen Kurdenregion eine nennenswerte Opposition ins Parlament ein.
Vor allem die Puk erlitt Verluste, in ihren traditionellen Stammgebieten gewann die Opposition mehr als 50 Prozent der Stimmen. Goran ist zwar eine Abspaltung von der Puk, trat aber mit einem Reformprogramm an. Mit ihrer Forderungen nach einer Stärkung der demokratischen Institutionen gewann die Liste jene, die von Korruption und Vetternwirtschaft die Nase voll hatten. Bislang profitierten im Nahen Osten von solchem Unmut vor allem Islamisten, bei diesen Wahlen erhielten sie nur 1,45 Prozent.
Denn im Wahlkampf spielten keineswegs irgendwelche Heilsideologien eine zentrale Rolle, sondern ganz pragmatische Forderungen nach mehr Transparenz, Partizipation und Demokratie. So urteilt Goran Zangana im Online-Magazin Kurdish Aspect: »Diese Wahlen waren ein Wendepunkt in der Geschichte Kurdistans und der Kurden. Sie stellten den Anfang vom Ende autoritärer Repräsentation in der kurdischen Politik dar.«
Die Opposition hat versprochen, dass ihre Abgeordneten versuchen werden, die Regierung effektiv zu kontrollieren. Bislang bestand das Parlament ausschließlich aus Mitgliedern der beiden großen Parteien und einigen Vertretern der Minderheiten. Es ist jedoch KDP und Puk trotz ihres autokratischen Führungsstils zu verdanken, dass sich die Gesellschaft in Teilen des Nordirak vergleichsweise ungestört entwickeln konnte. Die Kurdenparteien haben in den vergangenen sechs Jahren für Stabilität und Sicherheit gesorgt, in der Region konnten sich eine recht vielfältige Zivilgesellschaft und Medienlandschaft ausbilden, ohne die eine Opposition nicht denkbar wäre.
So bleibt es zu hoffen, dass die Kurdistani List, die mittels ihrer beiden Parteien noch immer fast alle Bereiche kontrolliert und beeinflusst, ob Wirtschaft, Politik, Staat oder Militär, die neue politische Lage akzeptiert. Das wird vor allem für die Puk schwierig werden. Immerhin erklärten Vertreter beider Parteien, künftig an einem umfassenden Reformprogramm arbeiten zu wollen. Andererseits stürmten und verwüsteten Anhänger der KDP noch in der Wahlnacht Büros der Goran-Liste, die Opposition reklamiert, dass es in den Provinzen Arbil und Dohuk zu Wahlfälschungen seitens der Kurdistani List gekommen sei, und reichte über 600 Beschwerden bei der irakischen Wahlkommission ein. In diesen eher konservativen Gegenden, die von der KDP kontrolliert werden, hatte die Kurdistani List bei den Wahlen überdurchschnittlich gut abgeschnitten.
Viele Kurden erinnern sich noch an den verheerenden Parteienkrieg zwischen KDP und Puk in den neunziger Jahren und fürchten nun, dass es erneut zu bewaffneten Konflikten kommen könnte. Umfragen zufolge sind die meisten Kurden jedoch zuversichtlich, dass mit dem 25. Juli eine neue Ära angebrochen ist.