Ermittlungen über die Folterpraktiken der CIA

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Entgegen ursprünglichen Ankündigungen sollen die Folterpraktiken der CIA nun doch juristisch untersucht werden. Gegen die Auftraggeber in der Regierung Bushs hingegen wird nicht ermittelt.

Eigentlich wolle er ja »nach vorne schauen« wie Präsident Barack Obama, beteuerte US-Justizminister Eric Holder Anfang vergangener Woche, und nicht die Rechtsbrüche aus den vergangenen Jahren unter George W. Bush untersuchen. Doch nach der Veröffentlichung eines internen Berichts aus dem Jahr 2004 zu den Folterpraktiken in den CIA-Geheimknästen und in Guantánamo sei er »als Generalstaatsanwalt verpflichtet, die Fakten zu untersuchen und dem Gesetz zu folgen«. Unter der Obhut eines Sonderermittlers, des langjährigen Staatsanwaltes John H. Durham, werden nun die ersten strafrechtlichen Untersuchungen über Folterungen durch Mitarbeiter der CIA eingeleitet.
Obwohl seit einigen Jahren Informationen über das US-Foltersystem der Jahre 2002 bis 2004 kursieren, gibt der jüngst veröffentlichte Bericht einen neuen Einblick in die Geschehnisse im damals existierenden, weltweiten Netz von Gefängnissen. Neben den bereits bekannten Praktiken wie waterboarding, wochenlangem Schlafentzug und Erniedrigung wurde von CIA-Agenten und privaten Auftragnehmern eine Reihe weiterer, vor allem psychologischer Foltermethoden angewendet. Dem Bericht zufolge gehörten dazu Drohungen, man werde Familienangehörige der Gefangenen vergewaltigen oder ermorden, Scheinhinrichtungen und die angedrohte Gewaltanwendung mit Werkzeugen wie Bohrmaschinen.
Am Tag der Veröffentlichung des Berichts gab ein Pressesprecher Obamas bekannt, dass das Verhören von mutmaßlichen Terroristen gänzlich dem Aufgabenbereich der CIA entzogen wird. Stattdessen wird künftig eine noch zu bildende Eliteeinheit der Bundespolizei FBI mit dieser Aufgabe betraut. Das FBI kündigte bereits im Jahr 2002 die Zusammenarbeit mit der CIA bei Verhören auf, weil die Bundespolizisten Bedenken gegen die Methoden des Geheimdienstes hatten. Deshalb gilt das FBI als verlässlicher, wenn es um die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln geht. Obamas Vizesprecher Bill Burton betonte, dass die neue Einheit selbstverständlich nur legale und saubere Verhörmethoden anwenden werde.

Der Sonderermittler Durham wurde allerdings von Holder mit einem eng begrenzten Mandat ausgestattet. Es bezieht sich allein auf Fälle, in denen mutmaßlich Mitarbeiter der CIA die von der Regierung Bushs aufgestellten Richtlinien zu den erlaubten Folterpraktiken gebrochen haben. Nicht gestattet sind Durham etwa Untersuchungen über die Legalität der Verhörmethoden, die von der Regierung genehmigt worden waren. Bürgerrechtler, aber auch demokratische Politiker hatten gefordert, auch gegen die Auftraggeber zu ermitteln. Die mutmaßlichen Rechtsbrüche der höheren Entscheidungsträger und Regierungsanwälte, die diese Richtlinien entworfen und genehmigt hatten, bleiben jedoch von der Strafverfolgung ausgenommen.
Ähnlich war im Jahr 2004 bei der Untersuchung der Folterpraktiken im Gefängnis Abu ­Ghraib im Irak vorgegangen worden. Damals wurden nur Militärangehörige der niedrigsten Ränge belangt, als gäbe es keine chain of command, die weiter nach oben führt. Eine solche »halbe Untersuchung«, die offenbar allein den ausführenden CIA-Mitarbeitern gilt, so Dahlia Lithwick, die Rechtsexpertin des Online-Magazins Slate, könnte vor allem dazu dienen, die tatsächlichen Verantwortlichen im Foltersystem zu schützen. Demzufolge wäre »der toxischste Aspekt der gesamten rechtlichen Seite des Antiterrorkrieges bestätigt, nämlich dass alles erlaubt sei, sofern es durch eine Behördenrichtlinie gedeckt ist«.
Die Bürgerrechtsorganisation ACLU und Dianne Feinstein, eine demokratische Senatorin und die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, begrüßten zwar die Ernennung eines Sonderermittlers. Doch die ACLU warf Holder vor, er nehme zu viel Rücksicht auf »politische Interessen« in Washington, und forderte, er solle endlich mit der Strafverfolgung beginnen, da es genug Beweise gebe. Feinstein kritisierte vor allem Holders Timing, der Justizminister hätte die Veröffentlichung des umfassenden Berichts abwarten sollen, den ihr Ausschuss derzeit erarbeitet.

Heftiger war die Kritik von Republikanern. Insbesondere Dick Cheney, der ehemalige Vizepräsident und wichtigste Befürworter der »harten Verhörmethoden«, war empört. Im Sonntagsinterview des konservativen Senders Fox News bestätigte Cheney seine führende Rolle beim Aufbau des Verhörprogramms, verteidigte die angebliche Legalität solcher Methoden wie des waterboarding und griff die Regierung Obamas direkt an: »Dies ist eine unverschämte politische Entscheidung, die langfristig unseren Kapazitäten schaden wird.« Wie mehrmals in den vergangenen Monaten beteuerte Cheney, dass die Regierung Obamas die USA schwäche, indem sie die »Effektivität« solcher Techniken verleugne und sie dementsprechend nicht anwende.
Mittlerweile haben jedoch etliche offizielle Berichte und Medienreportagen gezeigt, dass durch die Folter nicht einmal brauchbare Informationen gewonnen wurden. Zumindest nicht für den Schutz der nationalen Sicherheit. Kürzlich sagte Tom Ridge, der ehemalige Chef des Department of Homeland Security, die Regierung habe ihm befohlen, während des Wahlkampfes 2004 die Vorwarnstufe für terroristische Anschläge sukzessiv zu erhöhen. Seitdem wird spekuliert, dass einige der durch Folter gewonnenen, letztendlich falschen Erkenntnisse wenigstens als Begründung hierfür zu gebrauchen waren.

Trotz dieses kleinen Schrittes in Richtung Strafverfolgung für die mutmaßlichen Folterer bei der CIA will die neue Regierung offenbar nicht alle kritisierten Praktiken der Amtszeit Bushs beenden. Anfang vergangener Woche wurde bekannt gegeben, dass die rendition, die Überstellung Festgenommener an ausländische Regierungen, weiterhin praktiziert werden soll. Eingeführt wurde die rendition von Präsident Bill Clinton, Bush nutzte sie, um Gefangene an Staaten wie Ägypten oder Syrien auszuliefern oder in einem Geheimgefängnis außerhalb der USA zu internieren.
Obama hat wohl bereits am Anfang seiner Amtsperiode die letzten Geheimgefängnisse geschlossen. In Zukunft, so beteuern Regierungssprecher, sollen Gefangene nur an Staaten übergeben werden, die zuvor versprechen, sie nicht zu foltern. Doch »die diplomatischen Zusagen seitens der Zielländer waren bislang absolut ineffektiv bei der Verhinderung von Folter«, sagt Amrit Singh, ein Anwalt der ACLU. Offenbar wolle Obama nicht alle Komponenten des Verhörsystems der vormaligen Regierung aufgeben, kommentierte der linksliberale Rechtsprofessor Jonathan Turley.