Die NPD, die DVU und die Bundestagswahlen

Der sächsische Weg nach unten

Ob »sächsischer Weg« oder »deutscher Weg«, ob »Deutschland-Pakt« oder nicht: Im Hinblick auf die Bundestagswahlen werden NPD und DVU als Splitterparteien gehandelt.

Die sächsische NPD hat seit den Landtagswahlen am 30. August geradezu einen Expertenstatus unter den Rechtsextremen erworben. Wer sollte die Frage, welche Strategie ins Parlament führt, besser beantworten können als sie? Schließlich hat die Partei jene acht Sitze halten können, auf die sich die Fraktion in den vergangenen vier Jahren durch Parteiaustritte und -rausschmisse selbst verringert hat. Das bedeutete den ersten Wiedereinzug der NPD in einen bundesdeutschen Landtag überhaupt – eine Tatsache, die kaum für Aufruhr sorgte, was etwa der Sprecher des Bundesarbeitskreises Shalom in der Linkspartei, Benjamin Krüger, als »Gewöhnungstendenz« kritisierte. Zweifellos fühlte sich Holger Apfel schon Anfang des Jahres als Experte, als er seine Erklärung zum »sächsischen Weg« abgab. Man wolle vorrangig bürgerliche Wähler ansprechen, sich vom neonazistischen Spektrum – zumindest im Bundesvorstand – distanzieren und »für einen gegenwartsbezogenen und volksnahen Nationalismus, der die soziale Frage in der Mittelpunkt« stellt, eintreten. Ein Wiedereinzug in den Landtag, so Apfel damals, wäre nicht nur eine Bestätigung dafür, dass der sächsische Landesverband im Gegensatz zu den anderen auf dem richtigen Weg sei, sondern würde auch eine »fortschreitende Verankerung (der NPD) in der Mitte des Volkes« bedeuten. Im sächsischen Wahlkampf nahm die NPD zwar Bezug auf die Wende von 1989, verzichtete ansonsten aber auf geschichtspolitische Themen und konzentrierte sich auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. »Arbeit – Familie – Heimat« lautete die Parole, angelehnt an jene des französischen Vichy-Regimes: »Arbeit – Familie – Vaterland«. Udo Voigt hatte seinerseits nach seiner Wiederwahl zum Bundesvorsitzenden der NPD einen »deutschen Weg« verkündet. An der sächsischen Linie kritisierte er, sie sei einseitig national-konservativ. Das bürgerliche Spektrum an die NPD binden zu wollen, sei als Anpassung zu verstehen. Dass die Sachsen sich im innerparteilichen Zwist derzeit besser durchsetzen können, lassen etwa der im Juli erfolgreich eingebrachte Misstrauensantrag gegen die sächsische NPD-Abgeordnete Gitta Schüßler im »Ring Nationaler Frauen« und der gleichzeitige Austritt von Jasmin Apfel, der Ehefrau des sächsischen Fraktionsvorsitzenden, vermuten. Dennoch ist das Ziel des »sächsischen Weges«, im bürgerlichen Spektrum Stimmen zu gewinnen, vorerst gescheitert. Die 5,1 Prozent der Stimmen, die die NPD bei der sächsischen Kommunalwahl Anfang Juni gewann, und die 5,6 Prozent Zustimmung bei der Landestagswahl lassen eher auf eine Stammwählerschaft schließen, die Apfel am Abend des 30. August freudestrahlend als »gefestigte Basis der Partei« bezeichnete. Die Gewissheit darüber mag die NPD auch ­darin bestärken, trotz der Verbürgerlichungsstrategien weiterhin den Kontakt zum so genannten gewaltbereiten Spektrum zu pflegen. Wiederholt kam es etwa zu Treffen der NPD-Fraktion mit der tschechischen Gruppierung Národní odpor, die den Autonomen Nationalisten zuzuordnen ist. Das ergab eine aktuelle Studie über die Kontakte zwischen deutschen und tschechischen Neonazis, die das Kulturbüro Sachsen und die Heinrich-Böll-Stiftung unter dem Titel »Gefährliche Liebschaften« veröffentlichte. Jetzt, da die NPD mit dem Wiedereinzug in den Landtag auch den Anspruch erworben hat, dass eine der Partei nahestehende Stiftung gefördert wird, wird plötzlich wieder über die Frage diskutiert, ob es sich bei der NPD nicht um eine verfassungsfeindliche Partei handelt. Ein neues Verbotsverfahren könnte die Entscheidung auf Landesebene, ob das »Bildungswerk für Heimat und nationale Identität e.V.« bisher verfassungskonform tätig war, beeinflussen – und umgekehrt. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) schrieb auf seinem Blog: »Für mich ist klar, dass die NPD eine aggressiv-kämpferische Grundhaltung hat. Deshalb gehört sie verboten!« Zugleich wirbt er für die von der SPD befürwortete und kürzlich beschlossene Bundesstiftung gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. »Die Linke« schimpft auf die Regierung, diese solle den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts nach einem Abzug der V-Leute nachkommen. Selbst der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte nach der sächsischen Landtagswahl, dass sich das Land der Initiative der von der SPD geführten Bundesländer für ein Verbot der NPD anschließen wolle. Auch die Grünen streben den Abzug der V-Leute an. Nach der Bundestagswahl soll das Thema auf der Innenministerkonferenz erneut besprochen werden. Die Chancen dafür, einem Verbotsverfahren näher zu kommen, gelten wegen der Weigerung der CDU-regierten Länder, ihre V-Leute abzuziehen, als gering. Darüber hinaus ist die FDP nach wie vor davon überzeugt, dass ein Verbotsverfahren die rechtsextreme Szene eher stärken würde. Die NPD hat sich von der erneuten Diskussion bisher offensichtlich nicht beeindrucken lassen. In der sächsischen Wahlkampfzeitung fand sich im Landtagswahlkampf der Slogan »Arbeitsplätze für Deutsche«, im Bundestagswahlkampf präsentiert sich die NPD mit der alten Forderung »Arbeitsplätze zuerst für Deutsche«. Die Plakatmotive der NPD zeigen klar, dass die Partei sich auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus beschränkt. Allerdings scheint der Wahlkampf noch nicht wirklich angelaufen zu sein. Von den Plakaten mit den Aufschriften »Gute Bildung durch weniger Ausländer«, »Heimreise statt Einreise«, »Vaterland, Muttersprache, Kinderglück« oder »Todesstrafe für Kindermörder« ist bisher wenig zu ­sehen. Seit die NPD im Juni den »Deutschland-Pakt« aufkündigte, hat die DVU den Wahlkampf offenbar nahezu aufgegeben. Ein Wahlprogramm scheint weder auf Landes- noch auf Bundesebene vorhanden. Der frühere Parteivorsitzende, Gerhard Frey, will die finanzielle Unterstützung der Partei einstellen, weil er mit seinem Nachfolger Matthias Faust nicht einverstanden ist. Dieser rekrutierte in den vergangenen Monaten Personal aus dem zuvor ungeliebten Spektrum der Autonomen Nationalisten. Im nordrhein-westfälischen Dortmund kandidierten Michael Wrobel und ­Patrick Brdonkalla, Mitglieder der »Skinhead-Front Dorstfeld«, bei der Kommunalwahl am 30. August für die DVU. Dem Aufruf zu Demonstrationen im Rahmen des brandenburgischen Landtagswahlkampfes, der unter dem Motto »Deutsch wählen!« steht, folgten in den vergangenen Wochen lediglich jeweils zehn bis 20 Anhänger der Partei. Kein Wunder, dass die DVU Brandenburg in Erinnerungen an eine bessere Zeit schwelgt: »1999 gab es den 2004 ausgehandelten Deutschland-Pakt selbstverständlich noch nicht, und die NPD versuchte 1999 sehr wohl, der DVU Konkurrenz zu machen, scheiterte dabei aber kläglich an den Wählern.« In Wahlumfragen erreichen die extrem rechten Parteien in Brandenburg insgesamt vier Prozent. Die DVU müsste demnach ihre Landtagsarbeit nach zwei unspektakulären Legislaturperioden einstellen und wäre dann in keinem Landesparlament mehr vertreten. Und die NPD müsste sich vorerst auf die Landtage in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern beschränken. In den Prognosen zur Bundestagswahl finden sich beide Parteien unter den 1,7 Prozent der Stimmen für die Splitterparteien.