Wählt nicht mich!

Der Moment, in dem Politiker ihren Wahlzettel in die Urne stecken und dabei siegessicher innehalten, damit auch noch der langsamste Fotograf festhalten möge, wie sich der Betreffende selbst erwählt, ist erfüllt von unerträglicher Eitelkeit. Erfrischend un­eitel scheint dagegen der grüne Bundestagskandidat Hubertus Grass des Wahlkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Denn er kündigte ob seiner aussichtslosen Lage an, mit seiner Erststimme den SPD-Konkurrenten zu wählen. »Wenn der Atom-Ausstieg an einer Stimme im neuen Bundestag hängen sollte, dann will ich richtig gewählt haben. An meiner Eitelkeit darf das nicht scheitern.« Grass forderte seine Anhänger auf, es ihm gleich zu tun, um Schwarz-Gelb zu verhindern. Das ist das Wahlkampfziel der Grünen. Um aber die Koalition aus CDU und FDP zu verhindern, hilft angesichts der Umfragen nur, die SPD zu wählen.
Doch weil weder die Grünen noch Grass so uneitel sind, dass sie ihr Wahlergebnis ihrem Wahlziel opfern wollen, sprach Grass nur von der Erststimme. Ihm, so die Erklärung, gehe es darum, eines der drohenden CDU-Überhangmandate zu verhindern. An denen könnte alles hängen. Überhangmandate bekommen jene Parteien, die in einem Land mehr direkt gewählte Abgeordnete stellen, als ihnen nach dem Ergebnis der Zweitstimmen zustehen. Und zu jenen gehört Umfragen zufolge die CDU. Weil Überhangmandate aber das Zweitstimmenergebnis verzerren, hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung 2008 gemahnt, das Wahlrecht zu ändern. Die CDU und auch die SPD blockierten aber eine Wahlrechtsänderung, gleichwohl behauptet die SPD jetzt, eine schwarz-gelbe Koalition, die ihre Mehrheit Überhangmandaten verdanke, sei illegitim. Weil das Verfassungsgericht der Bundesregierung zur Wahlrechtsänderung aber bis 2011 Zeit ließ, ist bis dahin alles legal. Nur: Was passiert 2011, wenn Schwarz-Gelb dank Überhangmandaten regiert und eben diese doch abschaffen soll? Dank also schon mal an Herrn Grass, der uns selbstlos vor der kommenden Verfassungskrise bewahrt.