Über ein Massaker der Militärjunta in Guinea

Gönner der Junta

In der guineischen Hauptstadt Conakry wurden mehr als 150 Menschen von Soldaten massakriert. Camara, der Anführer der regierenden Junta, will sich im Januar zum Präsidenten küren lassen.

Zum zweiten Mal könnte der Internationale Strafgerichtshof gegen einen amtierenden afrikanischen Staatschef ermitteln. Nach dem sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir droht nun dem Chef der Militärregierung in der Republik Guinea, Moussa Dadis Camara, Ungemach. Am Mittwoch vergangener Woche kündigte das Büro des Strafverfolgers beim Internationalen Gerichtshof in einem Pressekommuniqué an, man wolle prüfen, ob Camara für gravierende Menschenrechtsverletzungen in Guinea verantwortlich sei.
Im Zentrum stehen dabei die »Ereignisse vom 28. September«. Soldaten von Eliteeinheiten der Armee, aber mutmaßlich auch Söldner aus den Nachbarländern hatten an jenem Montag das Feuer auf eine Kundgebung der Oppositionsparteien in einem Stadion der Hauptstadt Conakry eröffnet. Anhänger der zivilen Oppositionsparteien und Menschenrechtsvereinigungen geben zudem an, es sei die Anwendung von Foltermethoden beobachtet worden, die bis dahin in Guinea unbekannt waren, etwa das Abschälen der Haut durch Übergießen mit kochendem Wasser oder das Verstümmeln mit Buschmessern. Einig sind sich alle Beobachter ferner darüber, dass es zu extremen Fällen von sexueller Gewalt gegen anwesende Frauen in dem Stadion kam.

Die Zahl der Opfer wird von der Militärregierung mit 56 angegeben, angeblich seien nur vier Menschen von »Querschlägern« getroffen worden, die übrigen hätten in Panik ihre Nachbarn im Stadion erdrückt. Die guineische Opposition und NGO sprechen von mindestens 157 Toten und über 1 000 Verletzten. Vom UN-Hauptquartier in New York wurde diese Angabe noch am 28. September übernommen, wohl um abwiegelnden Reaktionen bestimmter Mitglieder im Sicherheitsrat zuvorzukommen.
Während Frankreich sich gegenüber dem seit Dezember vergangenen Jahres amtierenden Militärregime ambivalent verhält , zählt China derzeit zu dessen offenen Unterstützern. Am vorvergangenen Samstag schlossen das chinesische Unternehmen China International Fund (CIF) sowie eine angolanische Bergbaufirma in Conakry einen der größten Wirtschaftsverträge auf dem afrikanischen Kontinent ab. Er sieht Investitionen im Bergbausektor in Höhe von sieben bis neun Milliarden Dollar innerhalb der nächsten fünf Jahre vor. Dafür verpflichtet China sich dazu, die Infrastruktur in Guinea zu verbessern.
Von der Militärregierung des Nationalen Rats für Demokratie und Entwicklung (CNDD), der am 23. Dezember vergangenen Jahres die Macht übernahm, hatten die meisten Guineer sich anfänglich eher Reformen erhofft. Die Offiziere, die hinter dem CNDD standen, waren zuvor nicht so stark in die weitverzweigten Korruptionsnetzwerke des alten Regimes verstrickt gewesen, möglicherweise allerdings nur, weil sie in der Hierarchie des Alters und des Ranges noch zurückstanden.
Doch schnell haben sich die Dinge gewandelt. Die Militärs, nun auch die jüngeren unter ihnen, haben rasch Gefallen an der Macht gefunden. Dadis Camara lebt zwar, wie er immer wieder betont, nach wie vor in rustikalem Stil in einer Kaserne, aber wohl vor allem, weil er seinen Waffenbrüdern nicht traut. Solange er unter ihnen weilt, kann er Intrigen und eventuelle Putschpläne leichter aufdecken. Seine Familie ist unterdessen längst in eine luxuriöse Villa in Conakry eingezogen.

Das angekündigte »Aufräumen«, der Kampf gegen Drogenhandel und Korruption, führte letztlich zu einer Welle brutaler Übergriffe, denen vor allem kleine Dealer in den Armenvierteln und Prostituierte zum Opfer fielen. Die Offiziere versuchen, soziale und politische Probleme mit militärischen Mitteln zu lösen.
Dadis Camara hatte noch im Juli in einem Interview hoch und heilig versprochen, er werde auf keinen Fall »im Jahr 2009 Kandidat sein«. Damals war noch geplant, die seit dem 24. Dezember 2008 andauernde »Übergangsperiode« so rasch wie möglich zu beenden. Im Oktober dieses Jahres sollten Präsidentschafts- und im Dezember Parlamentswahlen stattfinden. Nun sagt Camara, dass »wegen Verzögerungen bei der Einschreibung der Bevölkerung in die Wählerlisten« der Wahltermin auf den 31. Januar kommenden Jahres verschoben werden muss. So hält er formal sein Versprechen, im Jahr 2009 nicht zu kandidieren, und kann dennoch zu einer Wahl antreten, die wohl nicht fair und frei sein wird.
Das Militärhandwerk hat Camara nicht zuletzt in Deutschland erlernt, zwischen 1996 und 2000 nahm er an Lehrgängen in Dresden und Leipzig teil, dann studierte er an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Putschen steht dort nicht auf dem offiziellen Lehrplan, vielmehr soll die Ausbildung der Demokratieförderung dienen. Camara soll Deutsch als Sprache genutzt haben, um mit seinen Vertrauten den Putsch vorzubereiten.

Während die Afrikanische Union der Junta mit Sanktionen droht und die Uno einen Ermittler zur Untersuchung des Massakers entsandt hat, spielt die französische Regierung augenscheinlich ein doppeltes Spiel. Einerseits verurteilte der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Alain Joyandet, das Massaker und die Repression »auf das Schärfste«. Außenminister Bernard Kouchner hält Camara anscheinend inzwischen für unzurechnungsfähig. Die Regierung erklärte jegliche militärische Zusammenarbeit mit der Armee Guineas für »ausgesetzt«. Bei diesem Anlass erfuhr die Öffentlichkeit allerdings erst, dass es eine solche militärische Zusammenarbeit gegeben hat. Sie umfasste vor allem die Ausbildung von Offizieren und noch im Jahr 2008 auch Waffenlieferungen. Militärisch ist sie allerdings re­lativ bedeutungslos, die Hauptrüstungslieferanten Guineas sind derzeit China und Libyen.
Um den politischen Einfluss zu wahren, will ein Teil des französischen Staatsapparats offenbar die Beziehungen zur Militärjunta normalisieren. Mitte September hatte Patrick Balkany, der Sonderberater des Präsidenten, Sé­kouba Konaté, die Nummer zwei der Militärregierung, in Paris empfangen. Balkany erklärte, eine Kandidatur Camaras bei der Präsidentschaftswahl sei »völlig unproblematisch«, denn dieser sei »ein guineischer Bürger wie andere auch«. Auch den offiziellen Präsidentenberater Claude Guéant traf Ko­naté bei diesem Besuch.
Eine solche Doppelstrategie hat den Vorzug, dass Frankreich auf jeden denkbaren Ausgang des Machtkampfs in Guinea vorbereitet ist. Sollte sich also die Opposition durchsetzen, die Anfang der vergangenen Woche mit einem »stillen« Generalstreik ohne Demonstrationen gegen das Massaker von Conakry protestiert hatte, wird man auf die Kritik am Militärregime verweisen. Bleibt die Junta an der Macht, so haben Balkany und Guéant die nötige Vorarbeit geleistet und die Kontakte können intensiviert werden. Noch am 30. September, also zwei Tage nach dem Massaker, hat der Fachpublikation La Lettre du Continent zufolge »ein französischer Minister« Emissäre der guineischen Militärregierung empfangen.