Über Vermittlungsgutscheine und private Arbeitsvermittler

Arbeit muss was kosten

Mit den Vermittlungsgutscheinen unterstützen die Bundesregierung und die Bundesagentur für Arbeit eher private Vermittlungsfirmen als Arbeitssuchende.

Klingt doch nicht schlecht: »Deutschlehrer für Dänemark gesucht.« Das Stellenangebot findet sich in der seit Sommer neu strukturierten Online-Jobbörse der Arbeitsagentur, der ersten Adresse für Arbeitssuchende in Deutschland. Wer sich bei der angegebenen Adresse bewirbt, erhält jedoch weder Informationen über die ausgeschriebene Stelle noch Kontakt zum Arbeitgeber persönlich, sondern einen mehrseitigen Vertrag von einer Rostocker Firma, die sich Baltic Training Center nennt. Die möchte recht viel über die Bewerberinnen und Bewerber wissen, beispielsweise über etwaige Suchtprobleme, und fordert zur Unterschrift auf.
Wer diese leistet, ist einer Vermittlungsfirma auf den Leim gegangen, die sich mit der Vermittlung eines 15-Stunden-Jobs bereits aus der Verantwortung sieht, aber einen Vermittlungsgutschein der Agentur für Arbeit einfordert. Von der Stelle in Dänemark ist keine Rede mehr.

Bei der Agentur für Arbeit und bei der Bundes­regierung scheint man dieses und ähnliches Gebaren für eine gute Idee zu halten. Bis Ende Dezember 2010 soll es ihn weiterhin geben, den Vermittlungsgutschein, auf den Anspruch hat, wer seit mehr als zwei Monaten Arbeitslosengeld I bezieht. 2 000 zu versteuernde Euro erhält die private Arbeitsvermittlung, die einen ALG-I-Empfänger in eine sozialversicherte Tätigkeit von mindestens 15 Stunden pro Woche vermittelt und garantiert, dass er den Job sechs Monate lang ausüben kann. Wenn jemand schon länger arbeitslos ist, kann sich der Gutschein auf 2 500 Euro belaufen.
Bezieher von ALG II haben hingegen keinen Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Im Fokus der privaten Vermittlungsfirmen steht also eine Klientel, die in der Regel erst seit kurzem arbeitslos ist und somit den Vorteil hat, unter Umständen noch über eigenes Geld zu verfügen. Zahlreiche der seit 2002 rapide wachsenden privaten Arbeitsvermittlungsunternehmen – seit damals gibt es den Vermittlungsgutschein – verlangen auch eine Provision, falls der Arbeitssuchende wider Erwarten doch keinen Gutschein erhält oder gar nicht arbeitslos ist, sich aber dennoch einen neuen Job suchen möchte.
Darüber hinaus erheben die privaten Vermittlungsfirmen sensible Daten (»Rauchen Sie? Krankheiten?«), verwalten diese privatwirtschaftlich und verfolgen ein rein finanzielles Interesse. Verpflichtet sind sie lediglich dazu, dem Arbeitssuchenden nach Vertragsabschluss einen 15-Stunden-Job zu beschaffen, denn wer 15 Stunden arbeitet, in dieser Republik oder im europäischen Ausland, gilt nicht mehr als arbeitslos und fällt aus der Statistik, auch wenn er seinen Lebensunterhalt mit der neuen Tätigkeit keinesfalls bestreiten kann und unter Umständen noch eine Provision abzuzahlen hat.

Je weniger Jobs es tatsächlich gibt, desto mehr private Arbeitsvermittler tummeln sich auf dem Markt. Den scheinen sie sich mit Zeitarbeitsfirmen aufgeteilt zu haben, die vom ohnehin schon kargen Lohn der bei ihnen Beschäftigten eine Summe einbehalten, die ihre Gewinnspanne ausmacht. Ganze Berufszweige sind mittlerweile in der Hand entweder der einen oder der anderen: Personaldienstleistungsunternehmen suchen medizinisches Personal für Skandinavien; Pflegepersonal, gelernt oder ungelernt, aber mit einer entsprechenden Basisqualifikation, findet in Deutschland beinahe nur noch über Zeitarbeitsfirmen einen Job. Firmen wie Lehr-Care (»teacher recruitment«) haben sich auf die Vermittlung von pädagogischen Fachkräften spezialisiert, Reisebürokaufleute kommen am privatisierten Arbeitsmarkt kaum mehr vorbei, und geputzt wird in diesem Land, insbesondere in Hotels, beinahe nur noch für so genannte Reinigungsdienstleister, an die die entsprechenden Tätigkeiten outgesourct wurden.
Unterstützt wird deren private Jagd nach zahlungswilligen und/oder billigen Arbeitskräften von der Agentur für Arbeit, die ihren Internetauftritt sowohl Vermittlungs- als auch Zeitarbeitsfirmen zur Verfügung stellt. Eine staatliche Institution, ebenso mit Steuergeldern finanziert wie die großzügig verteilten Vermittlungsgutscheine, garantiert privaten Firmen also den Gewinn. In anderen Branchen würde man von Wettbewerbsverzerrung sprechen.
Seit Sommer dieses Jahres muss ein Arbeitssuchender, der die Online-Jobbörse der Agentur für Arbeit in Anspruch nimmt, zuerst angeben, ob er eine Helfertätigkeit sucht oder eine Fach- bzw. gar Führungskraft ist. Mehr als diese drei Möglichkeiten stehen nicht zur Auswahl. Dann gibt er ein, in welchem Bereich er tätig werden möchte, nennt seine Postleitzahl, um einen Job in seiner Umgebung zu finden, und drückt auf »Enter«. Die so genannten Helfer, also Menschen ohne Berufsabschluss, sehen sich daraufhin mittlerweile zu mehr als 90 Prozent mit Zeitarbeitsfirmen oder Personaldienstleistungsfirmen konfrontiert. Bauarbeiter und Gartenbauhelfer, Reinigungs- und Gastronomiekräfte werden bereits in den Stellenangeboten recht unverblümt dazu aufgefordert, ihren Vermittlungsgutschein zum Vorstellungsgespräch mitzubringen.

Das löst bei den Betroffenen berechtigterweise Angst aus. Sie müssen befürchten, mit der Ablieferung des Vermittlungsgutscheins in eine Falle gegangen zu sein. Was, wenn einem der Job nun überhaupt nicht gefällt oder liegt? Was, wenn er doch nicht vereinbar ist mit den persönlichen Lebensumständen? Neben dem Arbeitgeber hat auch der Vermittler großes Interesse daran, dass man dennoch – sechs Monate zumindest – durchhält. Man versucht, den Arbeitenden entsprechend vertraglich zu binden. »Sind Sie arbeitslos?« lautete die erste Frage der Mitarbeiterin einer Firma, die sich Personal-Consulting nennt, auf ihrer Homepage u.a. »Mitarbeiterbetreuung beim Personalabbau« anbietet und Lehrer für Wien sucht. »Wenn nicht, dann müssen wir einen Vertrag machen«, hieß es dort bereits im Sommer 2008.
Geld dafür zu bezahlen, dass man irgendwo arbeiten und Steuern zahlen darf, dass man sechs Monate an eine Stelle gebunden ist, diese dann aber unter Umständen gleich wieder verliert, weil der Vermittlungsfirma ein neuer Gutschein winkt, das leuchtet den wenigsten ein. »Ich suche jeden Tag«, sagt beispielsweise Irina P., ausgebildete Reisebürokauffrau und seit fast einem Jahr arbeitslos, denn die Branche hat große Probleme, seit Reisen problemlos im Internet gebucht werden können. »Aber in der Jobbörse vom Arbeitsamt stoße ich immer nur auf Firmen, die sofort den Vermittlungsgutschein wollen. Das ist doch nicht zu fassen!«
Auf den Gedanken, sich an eine Vermittlungsfirma zu wenden, ist Irina P. noch nicht gekommen. »Ich glaube nicht, dass so etwas seriös ist«, sagt sie.
Die Bundesregierung und die Agentur für Arbeit sind in dieser Hinsicht leichtgläubiger und entschlossen, die privaten Vermittler mindestens bis Ende 2010 weiter zu unterstützen. Das Baltic Training Center beispielsweise, das neben der Vermittlung von arbeitssuchenden Menschen in die skandinavischen Länder auch Sprachunterricht anbietet, denn Dänisch, Schwedisch oder Norwegisch sollte können, wer in einem dieser Länder arbeiten möchte. Das leuchtet auch der Agentur für Arbeit ein, die in diesem Fall gleich einen weiteren Gutschein zur Hand hat. Den Bildungsgutschein nämlich. Sie tun also was. Wenn auch nicht für Arbeitslose.