Hells Angels und Bandidos

Born to be loyal

Wild ist etwas anderes: Der Bandido teilt gegen den Hells Angel aus, aber ordnet sich in seinem Club unter. Und umgekehrt. Der Motorradclub Bandidos Germany hat sein zehnjähriges Bestehen gefeiert.

In der Welt der Rocker herrschen einfache Gesetze. »Verhältst du dich wie ein Mann, behandele ich dich wie einen Mann. Verhältst du dich wie ein Arschloch, behandele ich dich wie ein Arschloch«, legte Django, einer der Gründer der ersten deutschen Sektion der Hells Angels und somit ein altgedientes Mitglied der Motorradtruppe, vor der Kamera von »Stern.de« dar.

Was eine Person zum »Arschloch« macht, erklärt sich angesichts der Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate von selbst: dem verfeindeten Motorradclub Bandidos anzugehören. Dieser bringt den Hells Angels die gleiche Geringschätzung entgegen. Und beide Clubs behandeln ihre Gegner alles andere als zimperlich.
So griffen am letzten Oktoberwochenende zwei Männer – vermutlich Bandidos – das Clubhaus der Hells Angels in Solingen (Nordrhein-Westfalen) mit Schusswaffen und einer Handgranate an, die aber nicht explodierte. Kurz vorher hatten et­wa 50 Hells Angels das Stammlokal der Bandidos in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) überfallen, mit Schlagstöcken das Inventar größtenteils zertrümmert und sich mit den ungefähr 50 Anwesenden eine Schlägerei geliefert. Anfang Oktober hatte ebenfalls in Duisburg ein Mann, der von seiner Freundin verlassen worden war, aus Eifersucht ein Mitglied der Bandidos mit einem Schuss in den Kopf getötet. Dass der Täter ein Sympathisant der Hells Angels ist, macht aus dem Mord mehr als eine bloße Beziehungstat.
Auch andernorts trugen die Clubs ihre Feindschaft aus. Im August wurde ein 33jähriger Mann in Berlin erschossen, der kurz vor seiner Ermordung von den Hells Angels zu den Bandidos übergelaufen sein soll. Der derzeitige Tatverdächtige, nach dem die Polizei seit zwei Wochen fahndet, ge­hört zu den Hells Angels. Im Juni wurden in einem Auto in Finowfurt (Brandenburg) vier übel zu­gerichtete, ranghohe Mitglieder der Hells Angels gefunden. Die unbekannten Angreifer waren besonders einfallsreich vorgegangen: Sie hatten ihre Opfer nicht nur verprügelt und ihnen Messer­stiche zugefügt, sondern zudem versucht, einem der Männer mit einer Axt das rechte Bein abzuhacken.
Die jüngsten Vorfälle in Nordrhein-Westfalen und die zum Teil gut sortierten Waffenarsenale, die die Polizei im Zuge der Ermittlungen entdeckte, haben die Behörden in Aufregung versetzt. In Flens­burg (Schleswig-Holstein) fanden Beamte bei­spielsweise in der Autowerkstatt eines Mitglieds der Hells Angels mehre Kisten voller Maschinenpistolen, Schrotflinten, großkalibriger Revolver und Pistolen. Angesichts dessen sah sich die Polizei genötigt, die Rocker zu mehr Respekt vor dem staatlichen Gewaltmonopol zu ermahnen. »Die Gewalt geht vom Staat aus, und ich habe genug Polizisten, um dieses Monopol auch in diesem Fall durchzusetzen«, ließ Hans Volkmann, der Leiter des Sondereinsatzstabes im Polizeipräsidium Münster, in der Presse verlauten.
Mittlerweile haben die nordrhein-westfälischen Behörden einige Etablissements beider Clubs durchsucht und mehr als 1 100 Personen aus dem Milieu kontrolliert. »Während der Zehnjahresfeier der Bandidos in Schwerte am vorletzten Wo­chen­ende blieb es friedlich. Alle anwesenden Rocker wurden durchsucht, es wurden aber keine Waffen gefunden. Das war erfreulich. Der Einsatz und die Kontrollen laufen dennoch weiter, die Lage ist nach wie vor unklar«, gibt Jörg Jablonski, der Sprecher der Polizei Münster, der Jungle World Aus­kunft.

Mit Erfolgsmeldungen hält sich die Polizei zurück. Schließlich hatte sie in der vorvergangenen Woche zunächst mitgeteilt, sie habe ausgerechnet den Pressesprecher der Bandidos mit einer »an­geschliffenen Handaxt, einem so genannten Ein­hand­messer und Pfefferspray« im Gepäck erwischt. Dies musste das Präsidium Münster aber schon einen Tag später dementieren, nachdem der Sprecher seinen Anwalt eingeschaltet und klargestellt hatte, dass es sich bei der kontrollierten Person um ein anderes Mitglied der Bandidos gehandelt hatte. »Der Widerruf der Polizei ist aber ganz klein ausgefallen«, empört sich der Pressesprecher, der sich schlicht Micha nennt, im Gespräch mit der Jungle World. »Und ist es nicht seltsam, dass die Polizei ausgerechnet dann einen vermeintlichen Pressesprecher geschnappt haben will, kurz bevor wir eine Pressekonferenz abhalten? Aber ich möchte da auch nichts unterstellen.«
Gute Presse sieht jedenfalls anders aus. Den beiden Motorradclubs ist ihr Ansehen keineswegs gleichgültig. Das »PR-Team 81« der Hells Angels informierte die Öffentlichkeit nach der Schlägerei in Duisburg in einer Stellungnahme, dass es »zu keinerlei körperlichen Auseinandersetzungen zwi­schen Mitgliedern des Hells Angels MC und Mitgliedern eines anderen MC« gekommen sei. Die Ban­didos luden zu ihrer Jubiläumsfeier ausdrücklich alle Nachbarn ein und verwahrten sich in einem Schreiben an diese dagegen, mit Gewalttaten oder organisierter Kriminalität zu schaf­fen zu haben.
Glaubt man den Selbstdarstellungen der Vereine, dann handelt es sich bei ihren Mitgliedern um bisweilen ein wenig ruppige Zeitgenossen, die lediglich die Liebe zum Motorrad eint. Doch warum halten die Bandidos ihre Truppe dann nicht dazu an, um des Ansehens des Clubs willen Gewalttaten zu unterlassen? »Der Club besteht aus erwachsenen Männern, die ihr Handeln selbst verantworten müssen und die wir nicht alle kontrollieren können. Da kann es vorkommen, dass ein einzelner mit einer Axt im Auto erwischt wird. Wenn es tatsächlich vom Club gewünscht würde, dass jeder eine Axt im Auto hätte, dann hätten auch alle eine dabei«, erläutert Micha, der Pressesprecher.
»Die Vereine sind derzeit um ihr Image besorgt«, sagt auch Frank Scheulen, der Sprecher des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts, der Jun­gle World. Nach seinen Aussagen gibt es durchaus triftige Gründe für den schlechten Ruf der Rocker: »In den Ermittlungsverfahren der letzten Jah­re sind einzelne Mitglieder der verschiedenen Grup­pie­rungen durch Verstöße gegen das Betäubungs­mittel- und Waffengesetz auffällig geworden. Zudem bestehen Verbindungen ins Rotlicht- und Tür­stehermilieu.« Was zu den jüngsten Auseinandersetzungen in Nordrhein-Westfalen ge­führt hat, kann Scheulen aber nicht beantworten: »Da fehlen uns Belege. Dieses Milieu schottet sich streng ab. Es gibt keine Kooperation mit den Behörden. Kein Rocker, der Opfer einer Straftat wird, wendet sich an die Polizei.«

Die Loyalität der Mitglieder hat nämlich allein dem Club zu gelten. »Ein Hells Angel darf in seinem Leben niemanden verraten«, sagte Django den Re­por­tern von »Stern.de«. Wer einem Club bei­tritt, muss ein gehöriges Maß Sehnsucht nach Au­to­ri­tät mitbringen. Schließlich sind die Vereine streng hierarchisch gegliedert. Wer aufsteigen will, muss sich bedingungslos der Rangordnung und den Re­geln unterwerfen. Diese sind, wie es sich für Män­nerbünde und -banden gehört, von Wertvorstellungen wie Ehre und Treue bestimmt. Als Belohnung für die vollkommene Unterwerfung unter das Prinzip der Bande dürfen die konformistischen Rebellen dann in deren Namen auch kräftig austeilen. Unter der schlechten Presse scheint die Attraktivität der Rocker-Rackets nicht zu leiden. Django zufolge haben sich die Hells Angels gerade nach starken Repressalien der Behörden und nach­teiligen Berichten in den Medien »rasanter entwickelt als vorher«.