Mahnmal mit Namen von SS-Männern in Niedersachsen

Volkstrauer um die SS

Im niedersächsischen Großburgwedel wurde ein Mahnmal eingeweiht. Neben Wehrmachtssoldaten finden sich auf der Gedenktafel auch die Namen von fünf ­Angehörigen der SS und einem Mitglied der Gestapo.

Als »Ehrenmal« für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus dem Ort gedacht, steht nun das »Mahnmal für die Opfer von Krieg und nationalsozialistischer Gewaltherrschaft« auf dem Friedhof des rund 10 000 Einwohner zählenden Ortes. Zwei große Glastafeln, auf denen vor allem die Namen von Soldaten der Wehrmacht zu lesen sind, und eine kleine Tafel, die unter anderem an 28 Säuglinge erinnert, die in einem Heim in Großburgwedel verhungern mussten, sind auf dem Friedhof installiert worden. Bei den Säuglingen handelte es sich um Kinder polnischer Zwangsarbeiterinnen.

Seit der Einweihungsfeier am Volkstrauertag sind die Namen der SS-Mitglieder und des Mannes vom Sicherheitsdienst der Gestapo überklebt. Der Ortsrat hatte sich kurzfristig dafür entschieden, weil weitere Nachforschungen über die sechs Personen ergeben hatten, dass sie in Einheiten gedient hatten, die an Verbrechen beteiligt waren, sagte der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Hannover, Kay Schweigmann-Greve, der Jungle World.
Die DIG hatte bereits im Oktober in einer Presse­mitteilung kritisiert, dass Großburgwedel SS-Männer ehre, »ohne auch nur nach individueller Verstrickung in Verbrechen zu forschen«. Dies dementierte die Stadt. Sämtliche Militärangehörige seien »im Hinblick auf Verstrickungen in Verbrechen gegen die Menschlichkeit« von zwei Stellen »überprüft worden«, hieß es in einer Stellungnahme. Offensichtlich nicht gründlich genug: Das Niedersächsische Institut für Regionalforschung habe jetzt binnen kürzester Zeit herausgefunden, so Schweigmann-Greve, dass zumindest zwei der mit dem Mahnmal geehrten Männer Truppen angehörten, die an Massenerschießungen von Juden beteiligt waren.

Geplant war das Mahnmal ursprünglich als »Ehrenmal« ausschließlich für deutsche Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg umgekommen sind. Initiiert wurde die Errichtung des Denkmals von der örtlichen Soldatenkameradschaft, wie die DIG in einer Mitteilung schreibt. Die Kameradschaft unterhält offenbar gute Kontakte zum Ortsbürgermeister Otto Bahlo (CDU), der auch Mitglied im Vorstand der General-Wöhler-Stiftung ist, die den Nachlass des Kriegsverbrechers Otto Wöhler verwaltet. Der Wehrmachtsoffizier Wöhler wurde 1948 in Nürnberg verurteilt, kehrte nach der Haft in seinen Geburtsort Großburgwedel zurück und war dort in der Kommunalpolitik aktiv.
Der Sozialdemokrat Rudolf Gutte hat dann im Ortsrat die anderen »überzeugen können«, wie er sagt, ein Mahnmal für »alle Opfer zwischen 1933 und 1945« zu errichten, statt eine Helden-Gedenkstätte zu schaffen. Dass nun SS-Männer auf den Tafeln stehen, findet Gutte, der auch im Vorstand der DIG sitzt, »traurig«.
Anfang November schaltete sich das Simon-Wiesenthal-Center ein. Das Büro der Organisation in Jerusalem forderte die Stadt auf, die Ehrung von Mitgliedern der SS und Angehörigen des nationalsozialistischen Polizeiapparats zu unterlassen. »Eine solche Ehrung verunglimpft NS-Opfer«, so der Leiter des Wiesenthal-Center in Jerusalem, Efraim Zuroff.

Der Bitte des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Opfer der Shoah nicht neben NS-Verbrecher auf ein Mahnmal zu setzen, kam die Gemeinde bereits in der Planungsphase nach. Dem Ortsrat sei die Wahl gelassen worden, entweder SS-Männer zu ehren oder an Holocaust-Opfer zu erinnern, resümiert Schweigmann-Greve. Die Entscheidung fiel für die SS-Angehörigen, moniert er. Zudem stellt der Vorsitzende der DIG fest, dass sämtliche SS-Mitglieder bis 1942 der »Nazi-Elite« freiwillig, also aus Überzeugung, beigetreten seien.
Auch Zuroff hat für das »Ehrenmal« kein Verständnis. »Die Waffen-SS ist eine verbrecherische Organisation. Es verbietet sich normalerweise von selbst, ihre Mitglieder namentlich zu ehren.«
Obwohl die Soldatenkameradschaft wegen des »Theaters« um das Mahnmal eigentlich die Teilnahme am Volkstrauertag abgesagt hatte, kamen zahlreiche Kameraden mit Fahnen und Wimpeln. Über 100 Bürger nahmen an der Veranstaltung teil, die mit einem »Trauermarsch« von der Kirche durch die Fußgängerzone zum Friedhof begann. Ein Bericht im Internetportal Indymedia hatte zwischenzeitlich für Unruhe in der Gemeinde gesorgt. Die Hannoversche Allgemeine zeigte sich besorgt, dass »die links-autonome Antifa-Szene« für die Einweihung mobilisiere. Während der Zeremonie am Volkstrauertag blieb es jedoch ruhig. Einige Antifaschisten verteilten lediglich – bewacht von zahlreichen Zivilpolizisten – Flugblätter. Die Trauergäste konnten die Aufregung um die Namen der SS-Angehörigen nicht verstehen. »Das waren doch auch Opfer!« und »Nicht nur Juden sind Opfer«, war dort zu hören.
Die DIG zeigt sich trotz der nicht endgültig geklärten Lage zufrieden. Es sei bewirkt worden, dass in dem Ort über das Thema debattiert wird und die Ehrung von Angehörigen der verbrecherischen Organisation verhindert wurde. Bürgermeister Bahlo äußerte sich angesichts der Brisanz zurückhaltend in der Rede am Sonntag und forderte abschließend: »Nie wieder Krieg!« Im Anschluss sangen die Großburgwedeler die Nationalhymne.