Deutschland und die Konflikte im Jemen

Friede den Forschern

Eine politische Lösung fordert die Bundesregierung für die Konflikte im Jemen. Wie diese Lösung aussehen soll, wissen jedoch weder die deutschen Politiker noch die großzügig subventionierten Friedensforschungsinstitute.

Als Außenminister Guido Westerwelle kürzlich die jemenitische Regierung mit einem »Blitzbesuch« beehrte, hatte er viele gute Ratschläge parat. Gewalt sei keine Lösung, erklärte er und forderte einen »nationalen Dialog« sowie »durchgreifende Reformen«. Geplant war der Besuch nicht, da aber das Land am Golf von Aden zunehmend in Chaos und Bürgerkrieg versinkt, sah die Bundesregierung sich zu so einer Intervention genötigt.
In der Tat steht es schlecht um den Jemen. Intissar Fakir etwa sieht im Arab Reform Bulletin schwarz für die Zukunft des Landes. Sollte nicht ganz schnell etwas geschehen, so drohe der Jemen »in ein totales Chaos abzugleiten und zu einem failed state zu werden, wie Somalia«. Geschrieben wurde dies allerdings vor über zwei Jahren. Das Magazin Foreign Policy warnte damals: »Es ist höchste Zeit für die internationale Gemeinschaft (…), eine Strategie zu entwickeln, die garantiert, dass der Jemen nicht den Weg Somalias oder Afghanistans geht.«
Geschehen ist seitdem zweierlei: Der Jemen kam einem failed state näher denn je, irgendeine Strategie dagegen wurde nicht entwickelt. Derzeit herrscht im Norden des Landes ein Bürgerkrieg zwischen schiitischen Houthi-Milizen und der gerade mal 60 000 Mann zählenden jemenitischen Armee, an dem der Iran, Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten beteiligt sind. Al-Qaida hat sich längst im Lande festgesetzt, die USA führen unter Ägide der CIA einen Krieg »niedriger Intensität«, an dem der britischen Tageszeitung Times zufolge auch ehemalige Mitglieder des Geheimdienstes von Saddam Hussein beteiligt sein sollen. Im Süden kämpft eine separatistische Bewegung, und angeblich strömen Freiwillige aus Somalia ins Land.

Die Wirtschaft ist zerrüttet, der Jemen hat eine der höchsten Geburtenraten der Welt, und eine Zentralgewalt existiert nur noch auf dem Papier. De facto kontrollieren Stammesmilizen weite Teile des Landes. Am strategisch wichtigen Golf von Aden gelegen, grenzt das Land an Saudi-Arabien und den Oman. Ein vollends unregierbarer Jemen würde eine der wichtigsten Weltregionen für Jahre noch weiter destabilisieren.
Alles gute Gründe dafür, dass seit Jahren »der Jemen Schwerpunktpartnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit« ist, wie es bei der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) heißt. Das Bundesministerium für wirt­schaft­liche Zusammenarbeit fügt hinzu: »Die Bun­desrepublik gilt im Jemen als bevorzugter westlicher Partner, das Land nennt die Beziehungen ›bei­spielhaft‹.« Stolze 80 Millionen Euro Ent­wick­lungs­hilfe zahle man dem Land immerhin; die Palästinenser, um nur einen Vergleich zu bemühen, erhalten in diesem Jahr vom Auswärtigen Amt 200 Millionen Euro.
Westerwelle hatte, so dürfte man annehmen, also allerlei kluge »Strategiepapiere« in der Tasche, als er in der Hauptstadt Sanaa erklärte, was dem Land fehle. Denn wer auf der Welt wäre geeigneter, entsprechende Strategien zu entwickeln, als Deutschland, wo man sich seit Jahrzehnten selbst dafür lobt, ein Vorreiter im Bereich ziviler Krisenprävention und Konfliktlösung zu sein. Dafür wurde im Jahr 2004 sogar ein »Aktionsplan zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung« verabschiedet. Seitdem erhalten Dutzende von Instituten, Forschungseinrichtungen und Universitäten Milliarden von Euro, um sich mit diesen Themen zu befassen. Da deutsche Politiker aller Parteien, ob in der Regierung oder der Opposition, zudem seit Jahren erklären, friedliche Konfliktlösung im Nahen Osten sei der einzig gangbare Weg, um Stabilität und Entwicklung zu fördern, dürfte das Auswärtige Amt mit entsprechenden »Papieren« förmlich überschwemmt worden sein.
Doch ein kurzer Blick auf die Seiten der geförderten Einrichtungen belehrt einen eines Besseren. Weder die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) noch das Berghoff Forschungszentrum für konstruktive Konfliktberatung, das Zivik (Programm für »zivile Kon­flikt­bearbeitung«) oder die Deutsche Stiftung für Friedensforschung haben auch nur einen Artikel zum Jemen in ihren Internetauftritten. Die HSFK etwa wirbt mit blumigen Worten: »Friedens­forschung soll Vorschläge entwickeln, wie die Ursachen von Konflikten möglichst frühzeitig erkannt, ihrer gewaltsamen Austragung vorgebeugt und politische Regelungen für ihre Lösung getroffen werden können. Zur Beantwortung dieser Fragen leistet Friedensforschung wichtige Beiträge.« Doch den Jemen hat man bei diesen Bemühungen wohl übersehen. Immerhin hat Gui­do Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik einen guten Ratschlag parat: »Nur politische Schritte können die Regierung in Sanaa langfristig stabilisieren.«

Dass genau solche Regierungen nicht zu »stabilisieren« sind, sondern ihre Fortexistenz Teil und Ursache der Krise ist, werden die Friedensforscher wohl niemals verstehen. Aber ihr völliges Scheitern wird sie keineswegs davon abhalten, weiter bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu erklären, man müsse die Ursachen des Terrors und die Armut »nachhaltig« bekämpfen und weiter Milliarden in die Friedensforschung stecken.