Jetzt wird’s u.a. Ernst

Von

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug in der Medienwelt die Nachricht vom Rückzug Oskar Lafontaines als Parteivorsitzender ein. »Zerbricht die Linke ohne Lafo?«, fragten Kommentatoren nicht nur in der Bild. Eine Verwunderung, die verwundert. Zwar kommt »Lafos« Rückzug wegen seiner Erkrankung früher als geplant, doch dass auf dem Bundesparteitag im Mai ein neuer Vorstand gewählt und ein Generationswechsel vollzogen werden sollte, war bekannt – und ist sogar Teil des Fusionsvertrags zwischen PDS und Wasg.
Wirklich überraschend war daher, was der Geschäftsführende Vorstand am Montag nach geheimer Tagung verkündete: Die Doppelspitze soll über den Mai hinaus bestehen, doppelt quotiert werden (Frau/Mann, Ost/West), und dazu wird auch noch das Amt der Bundesgeschäftsführung, das bisher Dietmar Bartsch ausübt, auf zwei Personen aufgeteilt, ebenfalls quotiert. Neue Parteivorsitzende sollen Gesine Lötzsch und Klaus Ernst werden, Bundesgeschäftsführerinnen Caren Lay und Werner Dreibus. »Habemus Papam«, kommentierten da erstaunte Parteimitglieder im Internet den Ausgang des Lafontaine-Folge-Konklave im Karl-Liebknecht-Haus.
Davon abgesehen, dass die neue doppeltgemoppelte Parteispitze noch vom Parteitag abgesegnet werden muss, lässt sich bereits sagen: Der Mut zu einem wirklichen Generationswechsel fehlt. Mit Ernst und Lötzsch wurden Kompromisskandidaten ausgesucht, die beide weder für das Fundi- noch das Reformer-Spektrum stehen. Der ehemalige IG-Metaller und Sozialdemokrat aus Bayern, Klaus Ernst, gilt zwar als heißblütig volkstümlicher Redner, was in Talkshows meist weit über jede Schmerzgrenze hinausreicht, als besonders links gilt der Wasg-Mitbegründer nicht. »Insbesondere durch eine Steigerung der Nachfrage wollen wir wieder mehr Leute in Arbeit bringen. So könnten die Sozialsysteme wieder finanzierbar werden«, erklärte er einst dieser Zeitung (23/05).
Die in den Ostberliner Plattenbauvierteln immer wieder direkt in den Bundestag gewählte Lötzsch hingegen ist eine ruhige, fleißige Haushaltexpertin ohne jede Ambition auf parteipolitischen Konflikt. Sie hätte mit einer Entwicklung der PDS hin zu einer ostdeutschen Volkspartei sicher auch leben können. Doch wie gesagt, im Mai erst wird gewählt, bis dahin ist noch alles offen.