Die Sparpläne der griechischen Regierung

Nie wieder ohne Quittung

In Griechenland regt sich Protest gegen die von der Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen. Doch Umfragen zeigen, dass die griechische Bevölkerung derzeit gespalten ist. Viele halten das Sparprogramm für »gerechtfertigt« und erklären sich sogar bereit, angesichts des drohenden Staatsbankrotts »persönliche Opfer« zu bringen.

Geht der Staat pleite? Werden wir aus der »Eurozone«, oder noch schlimmer, aus der EU ausgeschlossen? Kehrt die Drachme zurück? Und was passiert dann? Gehen unsere sämtlichen Ersparnisse über Nacht verloren, wie es den Argentiniern vor neun Jahren passierte? Mit diesen Fragen beschäftigen sich viele Griechen seit Wochen.
Die sozialdemokratische Regierung der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) bemüht sich darum, die Griechen davon zu überzeugen, dass sie länger für weniger Geld arbeiten und mehr Steuern zahlen müssen. Nur auf diese Weise könne ein Staatsbankrott vermieden werden. »Entweder wir ändern uns oder wir gehen alle zusammen unter«, sagte Premierminister Georgios Papandreou in der vergangenen Woche.
Wie sich die Griechen ändern sollen, wird in dem radikalen Sparprogramm beschrieben, das die Regierung in großer Eile unter dem Druck der EU verabschiedete. Die Sparmaßnahmen werden vor allem den größten Arbeitssektor Griechenlands betreffen, den öffentlichen Dienst. Hier sind für dieses Jahr ein Einstellungsstopp, die Kürzung der Gehälter um 5,5 Prozent sowie die Kürzung von Zulagen und Überstunden vorgesehen. Auch das Rentensystem soll »reformiert« werden. Bisher können viele Beamte bereits mit Anfang 50 in Pension gehen. Das mittlere Renteneintrittsalter liegt in Griechenland bei 61 Jahren. Der Arbeitsminister Andreas Loverdos will es bis zum Jahr 2015 auf 63 Jahre erhöhen.
Das gewaltige Staatsdefizit will die griechische Regierung zudem mit Maßnahmen wie der Erhöhung der Benzin-, Tabak- und Alkoholsteuer vermindern.

Ob die Regierung ihre Pläne durchsetzen kann, ist indes noch nicht abzusehen. In der vergangenen Woche streikten rund 6 000 Angestellte im öffentlichen Dienst, am 24. Februar wollen die Gewerkschaften der im privaten Sektor Beschäftigten streiken, und für Anfang März ist ein Generalstreik geplant.
Will »ein ganzes Land störrisch seinen drohenden Untergang nicht wahrhaben«, wie die FAZ vermutet? Das ist schwer zu sagen, denn während die Gewerkschaften zum Protest aufrufen, zeigen Meinungsumfragen, dass ein großer Teil der Bevölkerung den Sparmaßnahmen der Regierung zustimmt. Mehr als die Hälfte der Griechen bekundete in einer Umfrage des Instituts Public Issue etwa die Bereitschaft, »persönliche Opfer« für den Abbau der Staatsschulden zu bringen, 50 Prozent der Befragten halten die angekündigten Sparmaßnahmen für »gerechtfertigt«.
Anders dürften allerdings viele Griechen auf die Pläne der Regierung reagieren, die die Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung betreffen. Dabei geht es nicht nur um die Einführung von Kontroll- und Strafmaßnahmen, sondern um einen »kulturellen Wandel«. Denn Korruption und Steuerhinterziehung sind in Griechenland weder eine Ausnahmeerscheinung noch das Privileg der Reichen, vielmehr gehören solche Praktiken zum Alltag. Der Kaufmann schreibt keine Quittung, in den meisten kleinen und mittelgroßen Läden gibt es immer zwei Preise: mit und ohne Mehrwertsteuer. Beim Arzt und beim Anwalt sind reguläre Rechnungen eher die Ausnahme. Nun, da in allen Ländern der EU auf die »korrupten Griechen« verwiesen wird, die ihre Finanzen nicht in den Griff bekommen und dazu noch die Stabilität der gemeinsamen Währung gefährden, appelliert die Regierung an den »Gemeinsinn« der Bevölkerung. Es soll nicht nur exemplarische Strafen für Steuerhinterzieher geben, auch soziale Kontrolle und Denunziation werden gefördert. Finanzminister Georgios Papakonstantinou hat bereits eine Steuerreform vorgestellt, die vor allem Besserverdienende und Immobilienbesitzer stärker belasten soll. Die Reform sieht jedoch auch Steuererleichterungen und Prämien für Bürger vor, die Quittungen verlangen und mutmaßliche Steuerhinterzieher denunzieren. Wer einen Bestechungsversuch anzeigt, soll zum Beispiel eine Belohnung bekommen, die fünfmal so hoch sein kann wie das verlangte Schmiergeld.

Wer den Staat betrügt, soll nun exemplarisch und medienwirksam bestraft werden, davon verspricht sich die griechische Regierung viel. In der öffentlichen Debatte wird allerdings gerne verschwiegen, dass die sogenannte Schattenwirtschaft, die so oft kritisiert wird, für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung die einzige Existenzgrundlage darstellt. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei 700 Euro.
Der Staatsbankrott wird immer öfter damit erklärt, dass die griechische Bevölkerung lange »auf Pump« gelebt habe. Seltener thematisiert wird dagegen, dass Politiker der beiden großen Parteien, die seit dem Ende der Diktatur 1974 abwechselnd regieren, nur damit beschäftigt waren, sich zu bereichern und Posten im Staatsapparat an Parteimitglieder oder Verwandte verteilten.
Ob nun eine rigorose Sparpolitik diese strukturellen Probleme lösen kann, ist fraglich. Strengere Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen für die einzelnen Bürger werden eher die Folge des befürchteten Staatsbankrotts sein, vor allem, was Privattransaktionen betrifft. Da gibt es bereits sehr konkrete Vorschläge. Das Wirtschaftsministerium soll mit allen Berufsverbänden elektronisch vernetzt werden, um jede Zahlung überprüfen zu können. Freiberufler sollen eine elek­tronische Unterschrift erhalten, um mit den Behörden zu kommunizieren.

Die meisten Griechen haben immer Steuern hinterzogen und den Staat als einen Feind betrachtet, der korrupt ist und keine Gegenleistung für die Zahlungen erbringt. Wegen dieses Misstrauens hat sich über die Jahrzehnte eine gewisse Solidarität zwischen den sozialen Schichten entwickelt, die beim Verbergen von finanziellen Transaktionen kooperiert haben. Dabei hat immer das große Kapital hohe Gewinne erzielt, während etwa die Kleinhändler lediglich ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.
In Zeiten der Krise wird keine Kritik am sozialen und politischen System formuliert, die erklären kann, welche Urachen der Bankrott hat. Stattdessen verlangt der Staat die Kooperation seiner Bürger, die zu einer Art von »informellen Mitarbeitern« der Regierung werden sollen.