Die französischen Rechtsextremen beschäftigen sich mit dem Klimawandel

Der FN im Klimawandel

Im März finden in Frankreich die Regionalwahlen statt. Der Front National setzt im Wahlkampf auf seine Kernthesen – und diese Strategie könnte erfolgreich sein.

Alle reden vom Klimawandel, der Front National (FN) auch. Die rechtsextreme französische Partei hat einmal mehr bewiesen, dass sie in der Lage ist, auch aktuelle gesellschaftliche Fragen jenseits ihrer Traditionsthemen – »Innere Sicherheit« und Hetze gegen Einwanderer – aufzugreifen und ihrer Programmatik anzupassen. Am 30. Januar veranstaltete der FN eine vermeintliche Fachtagung, die sich mit der Klimakatastrophe beschäftigte. Diese Fähigkeit zur Übernahme aktueller Problematiken hat die Partei schon in der Vergangenheit vorgeführt, jedoch unter anderen Voraussetzungen. Vor nunmehr 15 bis 20 Jahren war der FN eine aufstrebende Partei, die in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche zu intervenieren begann und sowohl in den Stadtteilen als auch in den Betrieben um Anhänger warb. Davon ist heute kaum etwas übriggeblieben.
Am Osterwochenende 1990 hielt der FN in Nizza einen Parteitag ab, seinen ersten nach dem »Sturz des Kommunismus« in Osteuropa, dabei triumphierte er: »Unsere Ideen haben sich durchgesetzt.« Die Kongressregie fügte hinzu, »die Konservativen haben auf den Themenfeldern, ›Einwanderung‹ und ›Unsicherheit‹ unsere Programme in einem Ausmaß übernommen, dass wir uns den Luxus leisten können, von etwas anderem zu reden«. Der damalige Parteitag widmete sich den Themen »Soziales« und »Ökologie«. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt solche Begriffe noch weitgehend leer waren, bemühten sich die Rechtsextremen doch die ganze erste Hälfte der neunziger Jahre hindurch eifrig, sie zu füllen. Beispielsweise mit dem Motto »Umweltschutz ist Heimatschutz« oder mit der These, soziale Bedürfnisse von »Abstammungsfranzosen« ließen sich dadurch befriedigen, dass man Einwanderern die Sozialleistungen verweigere.

Der gegenwärtige Ansatz des FN ist anders. Derzeit gibt es keine Arbeit an Themen, die den Anschein von Modernisierung erwecken könnte. Die Tagung zum Klimawandel belegt, dass es überwiegend darum geht, die rechtspopulistische Nörgelei gegen umweltschutzorientierte »Gutmenschen« und umweltpolitische Forderungen der Regierenden neu aufzubereiten. An der Tagung nahmen etwa 100 Parteimitglieder und Aktivisten teil, Akademiker des »Wissenschaftlichen Beirats« des FN waren auch vertreten. Anstelle einer Beschäftigung mit den möglichen Ursachen des Klimawandels betrieb man jedoch dessen schlichte Leugnung. Dazu passend trug die Veranstaltung den Titel: »Klimaerwärmung, Mythos oder Realität?«
Der alternde Parteivorsitzende Jean-Marie Le Pen verkündete die Botschaft: Man belüge uns mit »manipulierten oder nicht haltbaren wissenschaftlichen Berichten« über den Klimawandel. Das Ziel dabei sei, unter Berufung auf dieses globale Problem »eine Weltregierung zu errichten« und »unsere nationale Freiheit zu zerstören«. Ferner, führte Le Pen aus, gehe es darum, die Öffentlichkeit auf die Aufnahme »von angeblichen Klimaflüchtlingen« aus armen und besonders betroffenen Ländern vorzubereiten.

Die rechtsextreme Partei befindet sich im Wahlkampf, am 14. und am 21. März finden in allen französischen Regionen die Regionalparlamentswahlen statt. Dabei betreibt der FN vor allem Propaganda gegen »Einwanderung« und »Unsicherheit«. Von 42 000 eingeschriebenen Mitgliedern, die der FN bei seiner ersten größeren Spaltung im Winter 1998/99 zählte, sind einer aktuellen Studie zufolge derzeit zwischen 5 000 und 10 000 Aktive übrig geblieben. Zu diesem Prozess trugen innere Faktoren bei, etwa die Allmacht des Parteichefs, der im Juni bereits 82 Jahre alt wird, aber nun innerhalb eines Jahres die Parteiführung abgeben und auf seine jüngste Tochter Marine Le Pen übertragen möchte. Die Situation der Partei wurde jedoch auch durch äußere Faktoren beeinflusst, es gibt Strategieprobleme, weil die Konservativen der Republik weit nach rechts gerückt sind.
In den vergangenen Monaten gelang dem FN eine Mobilisierung des harten Kerns seiner Anhänger und Mitglieder. Und dies in einem Ausmaß, wie es seit Jahren nicht mehr beobachtet wurde. Ursache dafür sind die ideologischen Leitlinien, die die regierenden Konservativen insbesondere durch die »Debatte zur nationalen Identität« vorgegeben haben. Diese Ideologiekampagne, die von 350 vom Staat organisierten Saalveranstaltungen im ganzen Land begleitet wurde, begann Ende Oktober und wurde am 8. Februar »vorläufig eingestellt«. Die Veranstaltungen hatten es dem FN ermöglicht, überall dort, wo er noch über aktive Kader verfügt, seine Anhängerschaft zu remo­bilisieren.
Die Konservativen wollten sich mit dieser »Debatte über die nationale Identität« auch demonstrativ der rechtsextremen Wählerschaft zuwenden, nachdem Nicolas Sarkozy als Präsidentschaftskandidat dem FN in den Wahlkämpfen von 2006 und 2007 bereits eine Million Wähler abgenommen hatte.

Anlässlich einer solchen Debatte zur »nationalen Identität« in Lyon am 22. Januar wandte sich der Minister für Einwanderung, Eric Besson, betont freundlich und »konstruktiv« an den Lyoner Regionalparlamentarier Bruno Gollnisch, der sich im Saal zu Wort meldete. Gollnisch hatte im Oktober 2004 auf einer Pressekonferenz den Holocaust in Frage gestellt und steht als stellvertretender Vorsitzender des FN in der innerparteilichen Hierarchie direkt hinter Jean-Marie und Marine Le Pen.
Bei der Saaldebatte hielt Gollnisch dem Minister vor, Frankreich sei nicht nur ein »Bevölkerungskonglomerat«, sondern zeichne sich durch ein »Herkunfts-Stammvolk«, ein Staatsgebiet und »gemeinsame Werte« aus. Daraufhin antwortete Besson dem Politiker des FN: »Sie haben im Wesentlichen Recht.« Einige Wochen zuvor, am 5. Januar in der Pariser Vorstadt La Courneuve, hatte Besson noch erklärt, Frankreich sei ein Einwanderungsland, es definiere sich nicht über ethnische Zugehörigkeit, sondern allein über die Werte der Republik. Vor dieser Veranstaltung hatte es eine Kampagne der extremen Rechten gegeben, in der Besson vorgeworfen worden war, dass er die Existenz der Nation leugne. Mit seiner Antwort auf Gollnisch und einem Pressekommuniqué vom selben Tag revidierte Besson öffentlich sein Statement.
Bei der Debatte in Lyon wurden nur die 200 explizit geladenen Gäste eingelassen. Vor der Tür demonstrierten 400 Kritiker und Kritikerinnen der ideologischen Kampagne. Sie wurden von etwa 30 Rechtsextremen mit Tränengasspray und Fahrradketten attackiert, bis die Angreifer von Antifaschisten verdrängt werden konnten. Die anwesende Polizei blieb passiv.