Sarkozy wird immer unbeliebter

Sicherheit für jung und alt

Die Zustimmung für die Politik der Regierung von Nicolas Sarkozy nimmt ab. Die konservative Partei UMP versucht, sich mit ideologischen Kampagnen zu retten.

Es sieht nicht gut aus für die konservative Regierungspartei UMP. Am 14. und 21. März finden Regionalwahlen statt, für die Partei von Staatsprä­sident Nicolas Sarkozy wird derzeit ein Stimmanteil zwischen 25 und 30 Prozent prognostiziert. Das wird für eine Mehrheitsbildung in den meisten Regionen nicht ausreichen. Die Regierung von Sarkozy und von Premierminister François Fillon ist seit Monaten unpopulär.
Die UMP betreibt unterdessen eine ideologische Kampagne nach der anderen. Nach der Debatte über die »nationale Identität«, die offiziell am 8. Februar für die Zeit bis nach den Wahlen ausgesetzt wurde, widmet man sich nun der »inneren Sicherheit«. Entsprechende Gesetze wurden vergangene Woche verabschiedet.

Das neue Sicherheitsgesetz sieht verschiedene Maßnahmen vor, die von Strafverschärfung bei Verbrechen über verstärkte Kontrollen an Schulen bis hin zur Internetüberwachung reicht. Die Anzahl der Überwachungskameras, die im öffentlichen Raum installiert sind, soll landesweit von derzeit 20 000 auf über 60 000 erhöht werden. Videoüberwachung und neue Polizeidateien über jugendliche Straftäter werden als ein Patentmittel im Kampf gegen die Gewalt an Schulen verkauft. Seit Anfang Januar hat es in mehreren Pariser Vororten einige Fälle von Gewalttaten unter Schülern gegeben. Die Konservativen machen dieses reale Problem nun zum Wahlkampf­thema, um dadurch ihre Propaganda von law and order zu verbreiten.
Die Lehrerinnen und Lehrer in den Vorstadtbezirken Seine-Saint-Denis und Val-de-Marne bei Paris streiken seit Anfang Februar, um auf die teilweise anzutreffende Verrohung im schu­lischen Milieu und deren Auswirkungen auf die Arbeit der Lehrkräfte hinzuweisen. Jedoch fordern sie keinesfalls mehr Kontrolle, sondern eine Verstärkung des Schulpersonals und protestieren gegen den Stellenabbau in öffentlichen Schulen. Sarkozy und die Mitglieder seiner Regierung wollen davon nichts hören. Ihnen zufolge ist die Videoüberwachung das einzige Mittel zur Lösung des Problems.

Ein weiteres Thema, über das in der Öffentlichkeit diskutiert wird und womit sich ein Wahlkampf führen lässt, der seinen Akzent auf »Recht und Ordnung« setzt, ist Gewalt gegen ältere Menschen. Bei Einbruchsdelikten wurden in den vergangenen zwei Monaten im Pariser Umland und in Nordostfrankreich Rentner von Einbrechern ermordet. Diese Einzelfälle wurden plötzlich zum »politischen Problem« erklärt. Das ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass ein großes Segment der konservativen Wählerschaft aus wohlhabenden Rentnern besteht. In keiner anderen Altersgruppe ist die Zustimmung für die Politik der konservativen Regierung so groß, vor allem, wenn es um Soziales und Sicherheit geht.
Innenminister Brice Hortefeux schlug vor, eine Verschärfung der Strafen für Verbrechen wie Raub, Diebstahl und Körperverletzung einzuführen, wenn ältere Menschen Opfer dieser Delikte sind. Das ist juristisch purer Unfug, wie Hortefeux von mehreren Seiten vorgehalten wird. Denn bereits heute sieht das Strafrecht »verschärfende Umstände« vor, wenn beispielsweise eine Gewalttat gegen eine wegen ihres Alters wehrlose Person verübt wird. Gleichzeitig wäre es wohl ein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wenn allein das Alter des Opfers und nicht konkrete Kriterien wie etwa Wehrlosigkeit zum juristischen Maßstab erklärt würden. Dass sein Vorschlag kaum Chancen auf Durchsetzung hat, weißt Hortefeux vermutlich selbst. Seinen Zweck, ein Signal an die ältere, verunsicherte konservative Klientel zu senden, hat der Vorschlag vermutlich trotzdem erfüllt.

Auch über die Reform des Polizeigewahrsams wird derzeit heftig diskutiert. Wiederum waren es zwei konkrete Fälle, die eine Debatte auslösten. Zwei Mädchen im Alter von 14 Jahren sollen infolge eines Streits auf dem Schulhof zu Hause abgeholt und in Handschellen abgeführt worden sein. Im vergangenen Jahr wurden rund 800 000 Personen zwischen 24 und 48 Stunden lang in Gewahrsam festgehalten, obwohl oftmals eine einfache Anhörung mit Unterschrift eines Pro­tokolls genügt hätte.
Richter, die mehrfach eine Anordnung von Polizeigewahrsam wegen der Nichtbeachtung von Vorschriften etwa zum Recht auf anwaltlichen Beistand aufhoben, liefern sich eine heftige Auseinandersetzung mit Polizisten, die der Justiz vorwerfen, sie lsorge dafür, dass der Polizei Dealer durch die Lappen gehen. In Pariser Vorstädten riefen Polizeigewerkschaften zum Bummelstreik auf, Polizeibeamte verweigerten Einsätze und ein ihnen verhasster Richter in Créteil bei Paris wurde in Anlehnung an die Filmfigur des »Terminator« auf den gehässigen Spitznamen »Liberator« getauft. Vor diesem Hintergrund erklärte Justizministerin Michèle Alliot-Marie sich zu einer Reform des Polizeigewahrsams bereit, etwa da­zu, in nicht so dringenden Fällen einen »Kurzgewahrsam« mit einer Höchstdauer von vier Stunden – statt 48 wie bisher – einzuführen. Hortefeux ist von dieser Idee wenig begeistert, auch wenn er sich nun ebenfalls dazu bereit erklärt hat, über eine Reform nachzudenken, »sofern die Polizisten dabei nicht als Sündenböcke hingestellt werden«.
Zerstritten ist die UMP derzeit auch in ihren Führungsebenen, nachdem der frühere Premierminister Dominique de Villepin sich zum neuen Herausforderer Nicolas Sarkozys aufgeschwungen hat. Ende Januar war de Villepin im sogenannten Clearstream-Skandal gerichtlich freigesprochen worden. Das Urteil wurde allgemein als Niederlage für den Präsidenten gewertet, doch die Staatsanwaltschaft, die in Frankreich an Weisungen der Regierung gebunden ist, legte sogleich Widerspruch gegen den Freispruch ein. Der offen ausgebrochene Streit unter den Konser­vativen deutet an, dass der Hahnenkampf zwischen Sarkozy und de Villepin die kommenden zwei Jahre bis zur Präsidentschaftswahl 2012 prägen wird.
De Villepin – den nach einer jüngst veröffentlichten Umfrage 57 Prozent der Franzosen derzeit gegenüber Sarkozy bevorzugen – ist bereits in den Vorwahlkampf eingetreten. Er kritisiert die Politik der Regierung als »zu rechts«, etwa indem er die Kampagne zur »nationalen Identität« als Verstoß gegen republikanische Werte attackiert. Gleichzeitig ist ihm diese Politik nicht wirtschaftsliberal genug. Sarkozy hat beispielsweise die in den Jahren 2005 und 2006 vom damaligen Premierminister de Villepin unternommenen Angriffe auf den Kündigungsschutz zurückgenommen. Unterdessen bereiten sich die wirtschaft­lichen und gesellschaftlichen Eliten auf eine alternative Option vor, für den Fall, dass Sarkozy wegen der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise politisch scheitern sollte.