München bewirbt sich für die Olympischen Winterspiele 2018

Skisprungschanze, eisgekühlt

Die Stadt München ist bereit, für das Prestigeprojekt Olympische Winterspiele viel zu investieren; ökologisch soll es auch sein.

In München streikten kürzlich Kindergärtnerinnen, Krankenpfleger und Müllfahrer für mehr Lohn. Die Stadt habe kein Geld, beschied der Personalreferent der rot-grünen Stadtregierung. Zumindest nicht für ihre Beschäftigten. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) setzt andere Pri­oritäten. Mit Hilfe der Rathausfraktionen von CSU, FDP, Grünen und SPD möchte er die Olympischen Winterspiele 2018 nach München holen. Ein Darlehen von einer Million Euro hat die Stadt allein im vergangenen Jahr nur für die Bewerbung überwiesen. In der bayerischen Landeshauptstadt sollen alle Eiswettbewerbe stattfinden, ebenso die Eröffnungs- und Schlussfeier und die Vergabe der Medaillen. München will ein zweites olym­pisches Dorf, ein Medienzentrum und eine Halle für den Eisschnellauf bauen. In Garmisch-Partenkirchen am Alpenrand, wo 1936 die NS-Winterspiele stattfanden, sollen die Ski-Disziplinen stattfinden und im Berchtesgadener Land die Rodel- und Bobfahrer starten.
In der Bewerbungsgesellschaft hält der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit 51 Prozent die Mehrheit, die Stadt verfügt über 30 Prozent, der Freistaat Bayern über neun Prozent. Garmisch und der Landkreis Berchtesgaden sind zusammen mit zehn Prozent vertreten. Macht die GmbH ein Defizit, muss der DOSB jedoch nichts bezahlen, München hingegen über 61 Prozent. Selbstverständlich versprechen die Bewerber aus Bayern, ebenso wie die Veranstalter des laufenden Spektakels in Vancouver, die umweltfreundlichsten Spiele aller Zeiten: »Höchste ökologische Standards«. Die Zerstörung von Natur und Landschaft soll »auf das absolut Notwendige« beschränkt und ein »notwendiger Energiebedarf so weit wie möglich über regenerative Energieerzeugung gedeckt« werden. Alles andere wäre schon betriebswirtschaftlich fahrlässig.

Dass Olympia ein nationales Prestigeprojekt ist, zeigt das Kuratorium der Bewerbungs-GmbH. Mit Wolfgang Schäuble, Guido Westerwelle und Thomas de Mazière sind drei Bundesminister beteiligt, die SPD wird von Frank-Walter Steinmeier und Gerhard Schröder repräsentiert, und die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, ist auch mit dabei. Die Olympischen Spiele sind ein mediales Großereignis, das ZDF und der Bayerische Rundfunk für die ARD sind im Kuratorium vertreten, außerdem Sportprominenz wie Katharina Witt und Franz Beckenbauer. Selbst die »Linke« mochte sich wie die Grünen bei einer Abstimmung im Bundestag zugunsten der Olympia-Bewerbung nur enthalten.
Im oberbayrischen Bezirkstag und im Münchener Stadtrat hingegen sind die Vertreter der »Linken« gegen die Bewerbung. Von klimaneu­tral und ökologisch könne keine Rede sein, schon weil Tausende Sportler zwischen den Veranstaltungsorten hin- und hergekarrt werden müssten, sagt Bezirksrat Klaus Weber. Er erinnert daran, dass für die »grüne« Olympiade in Vancouver Zehntausende von Bäumen gefällt und ganze Bergseiten weggesprengt wurden, um Sportanlagen und eine Autobahn zu bauen. Die Stadträtin Brigitte Wolf kritisiert, dass für fast 500 Millionen Euro zwar die Autobahn nach Garmisch ausgebaut und mehrere Straßentunnel gegraben würden, aber angeblich kein Geld für den zweigleisigen Ausbau der Bahnlinie München-Garmisch vorhanden sei. Weber und Wolf warnen auch vor Folgekosten: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) behält immer einen großen Teil des Gewinns, während die Veranstalter, in diesem Fall München, Garmisch, Berchtesgaden und der Freistaat, gesamtschuldnerisch für ein möglicherweise entstehendes Defizit haften müssten. Insgesamt würden die Spiele zwischen 2,8 und 3,5 Milliarden Euro kosten.

Auch der Bund Naturschutz sagt Nein zu Olympia, gestützt auf eine detaillierte Expertise. 13 Hektar Bergwald würden in Garmisch für die Ski-Weltmeisterschaft 2011 vernichtet, die neuen Anlagen sollen auch 2018 genutzt werden. Beispielsweise ein künstlicher See, der das Wasser für die Schneekanonen liefern soll, und eine neue Skisprungschanze am Gudiberg, die künstlich gekühlt werden müsse. Schneesicherheit gibt es bei 700 Meter Höhenlage angesichts des Klimawandels nicht. Das Trinkwasser reiche für all die Schneekanonen schon heute nicht mehr, sagen die Umweltschützer. Deshalb benötige man zwei große Speicherseen, das Wasser muss den Berg hinauf in die Reservoirs gepumpt werden. Um einen Hektar Skipiste mit Schneekanonen zu beschneien, werden nach Angaben des Bundes Naturschutz im Durchschnitt 13 000 Kilowattstunden Energie verbraucht. Für die Ski-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr werden die beschneiten Flächen von etwa 30 auf 70 Hek­tar erweitert. Bei 90 Hektar im gesamten Skigebiet von »Garmisch-Classic« käme man im Schnitt auf etwa 900 000 verschwendete Kilowattstunden pro Saison. Das entspricht dem Ausstoß von etwa 559 Tonnen CO2. Sollte es selbst für Kunstschnee zu warm sein, würde der Schnee für Ski-Weltcuprennen mit Lastwagen vom Brenner an der italienischen Grenze herangekarrt und mit Hubschraubern über die Pisten verteilt, ähnlich wie derzeit bei den »Green Olympics« in Vancouver.
Das Grundlagenpapier des Bundes Naturschutz warnt auch vor den sozialen Folgen. München und Garmisch seien bereits hoch verschuldet. Der Ausbau der Ski-Infrastruktur in Garmisch habe in den vergangenen zwölf Jahren 82,7 Millionen Euro gekostet. Klaus Weber verweist darauf, dass Kommunen, die an den Turiner Winterspielen 2006 beteiligt waren, verarmt seien. Das kanadische Anti-Olympia-Komitee kritisiert eine »soziale Säuberung« Vancouvers von Obdachlosen und Bettlern wegen der Olympischen Spiele, und außerdem, dass die Spiele in einem Gebiet stattfänden, das den Indianern geraubt worden sei.

Die Grünen mischen dagegen kräftig mit. Bedenken gegen die geplante Winterolympiade sind in der Partei kaum wahrzunehmen. Ihr ehemaliger nordrheinwestfälischer Landesminister Michael Vesper vertritt den DOSB als Generaldirektor in der Bewerbungsgesellschaft. Claudia Roth behauptet, sie werde sich im Kuratorium »mit Nachdruck für nachhaltige Spiele einsetzen«. Die Münchener Grünen unterstützen das Großereignis, und die bayrische Landtagsfraktion der Partei wollte lediglich geprüft haben, ob die Gemeinden Ruhpolding und Oberstdorf einbezogen werden könnten. Für diesen Vorschlag spricht, dass dort Sportstätten für Biathlon und die Nordische Kombination existieren, die bei Garmisch neu gebaut werden müssten, dagegen, dass die Spielstätten damit über einen noch größeren Raum verteilt wären, was den Transportaufwand erhöhen würde.
Claudia Roth und Ludwig Hartmann, der klimapolitische Sprecher der Landtagsfraktion, werten es als ihren Erfolg, dass die Bewerber nun Oberammergau als Veranstaltungsort für Biathlon und Langlauf einbeziehen. Die Wettbewerbe würden dort auf einem Sonnenhang stattfinden und »eine hochwertige, extensiv bewirtschaftete und daher artenreiche Wiesenlandschaft massiv beschädigen«, kritisiert dagegen Thomas Bausch, Geschäftsführer des Alpenforschungsinstituts Garmisch-Partenkirchen und Professor für Tourismus an der Hochschule München.
Die enorme Landschaftszerstörung, das Abholzen von Bergwäldern, die Verschwendung von Energie und Trinkwasser für Schneekanonen, all das scheint die Grünen überhaupt nicht zu interessieren. Wie sagte Felix Neureuther, einer von 60 »Sport-Botschaftern« im Dienst der Münchner Bewerbung zu der neuen Abfahrtsstrecke in Garmisch für die Ski-WM: »Es war beeindruckend zu sehen, wie aus einem Berg voller Bäume auf einmal so eine geile und krasse Strecke entsteht.« Nachhaltig, versteht sich.