Fatmire Bajramaj, der neuen Star im Frauenfußball

Von der Ehre, ein Vorbild zu sein

Fatmire »Lira« Bajramaj gilt als Hoffnungsträgerin für die Weltmeisterschaft 2011. Beim Algarve Cup will sie zur festen Größe im deutschen Nationalteam werden.

Sie schoss in Pumps auf die Torwand im Aktuellen Sportstudio, sie betritt den Fußballplatz nur selten ungeschminkt, und sie spielt mitunter in pinken Schuhen. Fatmire Bajramaj ist eine der bekanntesten Spielerinnen im deutschen Frauenfußball. Sie hat nicht nur sportliche Qualitäten. Die ereignisreiche Lebensgeschichte der gebürtigen Kosovarin erinnert an den Hollywoodfilm »Kick it like Beckham«.
1992, im Alter von vier Jahren, floh »Lira«, so von klein auf ihr Spitzname, mit ihren Eltern und den beiden Brüdern aus der damaligen jugoslawischen Region, wegen der »tagtäglich spürbaren Lebensgefahr«, wie sie heute sagt. Hintergrund war, dass der Vater sich weigerte, die von allen Albanern geforderte Loyalitätserklärung gegenüber Serbien zu unterschreiben. Die Bajramajs verließen ihren Bauernhof in Gjurakovc und mussten österreich­ische Zöllner schmieren, um die Grenze passieren zu dürfen.
Die Familie landete bei Bekannten in Remscheid, wo sie allerdings nicht lange bleiben konnte und in ein Asylbewerberheim übersiedeln musste. Nach kurzer Zeit fand der Vater jedoch eine Anstellung als Bauarbeiter in Mönchengladbach, und die Familie zog in eine kleine Wohnung am Niederrhein. Lira begann dort, heimlich und gegen den Willen ihres Vaters Ismet, mit dem Fußballspielen. »Er wollte, dass ich Ballett tanze, Fußball sei nur was für Männer«, sagt sie. Das Mädchen spielte zuerst nur auf Bolzplätzen, schnell stand fest, dass es großes Talent hatte. Lira entschied sich, einem Verein beizutreten, und spielte zunächst in der Frauenmannschaft des FSC Mönchengladbach, dann bei der ambitionierteren Mannschaft des DJK/VfL Giesenkirchen.
Der Vater wusste von alledem nichts, bis schließlich der Schwindel aufflog. Liras großer Bruder spielte ebenfalls bei Giesenkirchen, und weil Ismet Bajramaj regelmäßig bei seinen Matches zuschaute, sprachen sich die Geschwister normalerweise ab, um zu verhindern, dass Liras Geheimnis entdeckt wurde. Das klappte auch gut, bis zu dem Tag, an dem sie die Koordination vergaßen.
Die damals Zehnjährige konnte ihren Vater überzeugen, ihr beim Spielen zuzuschauen, »seither ist er mein größter Fan«, sagt sie schmunzelnd. Was auch an Liras Talent gelegen haben dürfte: Schon im Alter von 16 Jahren kamen Anfragen aus der Bundesliga, und so wechselte sie 2004 zum FCR Duisburg, ein Jahr später debütierte sie bei der Nationalmannschaft und absolvierte seither knapp 40 Länderspiele, bei denen sie sieben Tore erzielte. Ihre womöglich wichtigsten waren die beiden Treffer im Spiel um Platz Drei gegen Japan bei den Olympischen Spielen 2008. Spätestens das bedeutete ihren Durchbruch, denn ein Millionen-Publikum konnte vor den Bildschirmen dabei zusehen, wie trickreich und wendig die Mittelfeldspielerin zu Werke geht.
Seit Beginn dieser Saison spielt Lira nun für den 1. FFC Turbine Potsdam und versucht, erstmals die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Schon jetzt ist die Liste ihrer Erfolge beeindruckend: U19-Europameisterin, UEFA Cup- und DFB-Pokalsiegerin, Bronze bei Olympia, Welt- und Europameisterin.
Parallel zur Fußballkarriere erschien im Oktober 2009 Bajramajs Biografie mit dem Titel »Mein Tor ins Leben – vom Flüchtling zur Weltmeisterin«. »Die Öffentlichkeit soll erfahren, wie schwer es für Flüchtlingskinder ist, sich in Deutschland zu integrieren. Nur der Sport hat mir geholfen, Freunde zu finden. Mit dem Buch will ich junge Migranten ermuntern, denselben Weg einzuschlagen«, erklärt Bajramaj. Lira war mehr als einmal von Mitschülern in ausländerfeindlicher Weise beleidigt worden, erst als sie sich auf dem Fußballplatz behaupten konnte, verschaffte sie sich Respekt. »Dann haben auch die blöden Sprüche aufgehört«, erinnert sie sich.
Lira Bajramaj hat von klein auf gelernt, sich durchzubeißen, und im Laufe der Jahre einen immensen Ehrgeiz entwickelt. Der zeigt sich auch, wenn sie über die Pläne für die nächsten zwei bis drei Jahre spricht: »Erst will ich mit Potsdam die Meisterschaft gewinnen, dann im eigenen Land Weltmeisterin werden, anschließend möchte ich Kinder kriegen«, sagt sie. Dass es möglich ist, Familie und Fußball miteinander zu verbinden, beweisen unter anderem Martina Voss, Ex-Nationalspielerin und Trainerin des FCR Duisburg, sowie einige norwegische und amerikanische Nationalspielerinnen. Andererseits möchte Lira zunächst ja sowieso noch etwas ganz anderes verwirklichen: »Mein größter Traum für meine Zukunft hat gar nichts mit Fußball zu tun: Eine Villa in L.A., das wär’s, auch wenn ich gar nicht so konkret weiß, was ich da will. Obwohl, feiern würde ich da«, schreibt sie auf ihrer Homepage.
Neben all den sportlichen und familiären Plänen bleibt noch Platz für soziales Engagement: Sie war Botschafterin für das Kinderhilfswerk World Vision und wird bald Patin eines Kindes. Zu Beginn dieses Jahres wurde sie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Botschafterin des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Für DFB-Präsident Theo Zwanziger ist sie ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Daher wirbt er gerne mit ihr, unter anderem bei PR-Terminen, wie dem Besuch von Schulen mit einem hohen Anteil Migrantenkinder. »Ich mache das gerne, denn es ist eine Ehre für mich, ein Vorbild zu sein«, sagt Bajramaj.
Ein noch größeres Vorbild, vor allem für Mädchen mit Migrationshintergrund, kann sie werden, wenn sie mithilft, das deutsche Team im nächsten Jahr zum Weltmeistertitel im eigenen Land zu führen. Im Klub agiert sie im zentralen Mittelfeld, in der Nationalmannschaft muss sie auf den Flügel ausweichen. Mitunter spielte sie dabei nicht einmal von Anfang an. Nationaltrainerin Silvia Neid sagte mal in einem Interview: »Lira ist mein perfekter Joker. Wenn es nicht läuft, dann bringe ich sie rein und sie bringt Schwung.« Doch Lira Bajramaj möchte bis zur Weltmeisterschaft eine feste Größe in der Nationalmannschaft werden. Die ersten Schritte zu einem Stammplatz hat sie dabei schon getan – auch beim kürzlich ausgetragenen Freundschaftsspiel gegen Nordkorea, das Deutschland mit 3:0 gewann. Lira Bajramaj spielte von Beginn an und erzielte das 1:0. Vom 24.Februar bis zum 3. März kann sie weiter beweisen, dass Silvia Neid auf sie zählen kann, denn dann bereiten sich die Frauen beim Algarve-Cup auf die Weltmeisterschaft vor. Immerhin erwartet die deutsche Öffentlichkeit den WM-Titel von den oftmals international erfolgreichen Damen – und Lira Bajramaj möchte dabei eine wichtige Rolle spielen.