Über die angebliche Zusammenarbeit zwischen der Farc und der Eta

Ein magischer Laptop

Arbeiten die baskische Terrorgruppe Eta und die kolumbianische Farc-Guerilla zusammen? Das vermutet ein spanischer Richter. Ob seine Quellen verlässlich sind, ist umstritten.

Am 1. März veröffentlichte der Richter des spanischen Sondergerichts für Terror- und Drogendelikte, Eloy Velasco, eine Anklageschrift, in der er er die venezolanische Regierung von Hugo Chávez der Zusammenarbeit mit der Terrororganisation Eta und der kolumbianischen Guerilla Farc beschuldigt. Daraufhin verlangte Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero eine Stellungnahme von Venezuelas Präsident. Chávez erwiderte umgehend, der Vorwurf sei haltlos und inakzeptabel. Seitdem findet ein diplomatisches Gerangel zwischen den Medien und den Parlamenten der beiden Staaten statt.

Am Freitag voriger Woche verschärfte sich der Ton der Auseinandersetzung nach der Festnahme des etarra Andoni Zengotitabengoa auf dem Flughafen von Lissabon; er hatte ein Flugticket nach Caracas.
In der Anklageschrift beschuldigt der Ermittlungsrichter Velasco sechs angebliche etarras und sieben angebliche Farc-Guerilleros, seit 1993 ein Austauschprogramm für den Erwerb von Sprengstoff und Boden-Luft-Raketen sowie die gegenseitige Ausbildung in Anschlagstechniken durchgeführt zu haben. Zusätzlich soll die Farc die Eta beim Ausspähen von kolumbianischen Politikern, die sich 2007 in Spanien aufhielten, zwecks deren Ermordung um Unterstützung gebeten haben. Im Jahr 2007 seien etarras von Angehörigen des venezolanischen Militärgeheimdienstes mit Militäreskorte zu Camps der Farc auf venezolanischem Territorium gefahren worden.
Die Quelle für diese Information sind zwei Aussteiger der Farc, die in Kolumbien verhört wurden. Ihren Aussagen zufolge nahmen sie selbst im venezolanischen Bundesstaat Apure in einem Camp der Farc an Kursen für moderne Techniken der Stadtguerilla teil. 20 Tage lang, jeweils zwei Stunden täglich sei der Umgang mit Plastiksprengstoff der Marke C4 und dessen Zündung per Mobiltelefon oder Bewegungsmelder geübt worden. Geleitet worden seien die Kurse von Arturo Cubillas Fontán, der Anklageschrift zufolge eine Schlüsselfigur. Über Fontán ist bekannt, dass er Sicherheitschef der Abteilung für Landverteilung des venezolanischen Landwirtschaftsministeriums ist und weitere Posten bekleidet hat. Velasco zufolge soll Fontán der Anführer einer Eta-Gruppe in Venezuela und deren Verbindungsmann zur Farc sein, mit dem Wissen und der Unterstützung der venezolanischen Regierung. In den achtziger Jahren war Cubillas Fontán angeblich in Spanien als Mitglied der Eta aktiv. Verurteilt wurde er nie.
Nicolas Maduro, der Innenminister Venezuelas, wies die Beschuldigung zurück. Er betonte, dass Cubillas Fontán im Mai 1989, lange bevor Hugo Chávez an die Regierung kam, von Venezuela aufgrund einer Vereinbarung der damaligen Regierungen aufgenommen wurde. Cubillas Fontán sei mittlerweile venezolanischer Staatsbürger und könne als solcher nicht an Spanien ausgeliefert werden, wie dies der Untersuchungsrichter Velasco verlangt.

Die Eta und die Farc wurden von der EU auf die Liste terroristischer Organisationen gesetzt. Velascos Anklage stützt sich in erster Linie auf Computerdateien, die angeblich bei inhaftierten etarras gefunden wurden, und auf einen sogenannten computador mágico (magischen Laptop). So haben in den vergangenen Wochen venezolanische Medien den Computer genannt, der nach Angaben der kolumbianischen Armee dem Sprecher der Farc, Raúl Reyes, gehört haben soll. Reyes war 2008 bei der Bombardierung eines Camps der Farc durch die kolumbianische Luftwaffe getötet worden. Das Camp befand sich an der kolumbianischen Grenze, aber auf dem Territorium des Nachbarstaats Ecuador. Dessen Präsident Rafael Correa brach deswegen aus Protest die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien ab. Nach der Bombardierung nahm das kolumbianische Militär nicht nur die Leiche von Raúl Reyes mit, sondern auch einen Laptop, der ihm gehört haben soll. Wenige Monate später beschuldigte Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe Ecuador der Komplizenschaft mit der Farc-Guerilla. Die Beweise seien auf dem Laptop von Reyes zu finden, hieß es. Davon war später keine Rede mehr. Der Computer befand sich drei Tage in der Obhut der Armee, danach eine Woche bei der kolumbianischen Polizei.

Die auf dem Computer angeblich gespeicherten Dateien befanden sich im Original nie in den Händen der kolumbianischen oder einer anderen Justiz. Nach einiger Zeit wurden sie an die Interpol übergeben, deren Zentrale in Frankreich jedoch erklärte, die Unterlagen seien nicht entsprechend der internationalen Regeln für elektronische Beweise behandelt worden. Von den enthaltenen 48 055 Dateien seien die meisten nicht nur geöffnet, sondern nachweislich nach dem Tod von Reyes geändert oder angelegt worden. Die Hauptquelle der Anklageschrift von Velasco sind 25 E-Mails, die Reyes verschickt haben soll oder die an ihn adressiert waren.
Am 8. März kritisierte Hugo Chávez das Handeln des spanischen Richters öffentlich. Velasco komme aus der »versumpftesten rechten Ecke«, sagte Chávez, und wolle der bolivarischen Regierung schaden. Der venezolanische Innenminister Nicolás Maduro legte nach: Velasco sei »eng verbunden mit der rechten Mafia von Aznar«, dem früheren Chef der konservativen spanischen Volkspartei.
Eine etwas sachlichere Kritik der Anklage versuchte der Botschafter Venezuelas in Spanien, Isaías Rodríguez: »Wir weisen rundheraus eine Verbindung zum Terrorismus zurück. Wir haben eine demokratische, sozialistische und humanistische Entwicklung in Venezuela.« Die Anschuldigungen von Velasco würden auf fragwürdigen Indizien basieren, denn der angebliche Computer von Rául Reyes sei keine verlässliche Quelle.
Die spanische Regierung beharrt aber darauf, dass die Vorwürfe aus der Anklageschrift überprüft werden.
Hugo Chávez erklärte bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Anklage am Rande der Amtseinführung des neuen Präsidenten Uruguays, des ehemaligen Stadtguerilleros und Tupamaros José Mujica, was er von der Anklageschrift Velascos hält: »Das sind traurige Überreste des Kolonialismus, einige wollen uns die alten Ketten wieder anlegen, aber wir sind jetzt frei!« Die Zeit der Kolonien sei vorbei, der spanische nationale Strafgerichtshof agiere so, dass er auch den Befreier Simón Bolívar als Terroristen anklagen könne. Dabei, sagte Chávez, der sich gerne mit Bolívar vergleicht, unterstütze er nicht Terroristen, sondern »die Völker«.