Gefakter Krieg

Ein georgischer Fernsehkanal sendete eine Reportage über einen angeblichen Einmarsch der Russen. Unter den Menschen brach Panik aus. Die Sendung ziel­te politisch auf die Opposition gegen die Regierung.

Am Samstag strahlte der georgische Privatsender Imedi TV eine Nachrichtensendung aus, in der Folgendes berichtet wurde: Oppositionelle Kräfte unter Führung der ehemaligen Parlamentssprecherin Nino Burdjanadze hätten Unruhen im Land ausgelöst, daraufhin sei die russische Armee in Georgien einmarschiert. Präsident Mikhail Saakaschwili sei getötet und die Macht im Land von einer Oppositionsregierung übernommen worden. Nur ein kurzer Hinweis vor Beginn der Nachrichtensendung wies daraufhin, dass es sich dabei um eine Simulation »möglicher Entwicklungen« handelte. Wer um 20 Uhr die Nachrichten einschaltete, konnte glauben, ein neuer Krieg habe tatsächlich begonnen. In vielen Orten brach kurzzeitig Panik aus.
Weil dem Sender der ehemalige Pressesprecher des Präsidenten vorsteht, glauben viele Georgier, dass Saakaschwili hinter dem Bluff stehe, um den Wählern Angst vor der Opposition einzujagen. Sehr abwegig ist diese Vermutung nicht. In den vergangenen Jahren hat die georgische Regierung ein effektives System der Kontrolle der Medien, insbesondere der privaten TV-Sender errichtet. Es ist nur schwer vorstellbar, dass eine derartige hochpolitische Sendung ohne die Zustimmung von Regierungskreisen ausgestrahlt werden konnte. Die georgische Regierung verfolgt die Politik, das Verhältnis zu Russland in einem Zustand permanenter Spannung zu halten. Das Szenario des kleinen, vom russischen Imperium bedrohten Landes dient dazu, sich der dringend benötigten ökonomischen Unterstützung des Westens zu versichern. Vor allem aber zielte die Sendung auf die Opposition. Burdjanadze war während der Rosenrevolution eine enge Verbündete Saakaschwilis und ist seit einigen Jahren die im Ausland bekannteste Repräsentantin der zersplitterten georgischen Opposition. Georgien war einst eine der wohlhabendsten Sowjetrepubliken und leidet heute ökonomisch schwer unter dem Umstand, vom russischen Markt abgeschnitten zu sein. Das Beispiel der ­Ukraine, wo politische Kräfte, die eine Verständigung mit Russland suchen, sich gegen die auf einen Bruch mit Russland setzenden Politiker durchgesetzt haben, sieht Saakashvili vermutlich als Bedrohung. Spätestens nach der Sendung von Imedi TV muss jedem, der für georgisch-russische Verhandlungen ohne die Vorbedingung der Wiedereingliederung der mit russischer Hilfe abgespaltenen Regionen Abchasien und Südossetien in das georgische Staatsgebiet eintritt, klar sein, dass die Regierung so etwas als Hochverrat ansieht. Weder der Demokratie in Georgien, noch dem Frieden im Kaukasus ist dies zuträglich.