Keine Stimmung ohne Pyros. Ein Verbot in Österreich

»Asoziales und gestörtes Verhalten«

Seit Anfang des Jahres ist in Österreich ein neues Pyrotechnikgesetz in Kraft, das den Gebrauch von Feuerwerkskörpern aller Art bei Sportveranstaltungen unter massive Strafe stellt. Es trifft die organisierten Fußballfans, denn im Wintersport gilt Pyrotechnik als Ausdruck toller Stimmung.

Selten hat man die verschiedenen Ultra-Gruppen Österreichs in solcher Eintracht erlebt. Selbst die verfeindeten Fangruppierungen von Austria Wien und Rapid Wien zeigten sich im Vorfeld des großen Wiener Derbys in ungewöhnlicher Harmonie: »So sehr wir uns auch hassen, was das neue Pyrotechnikgesetz betrifft, müssen wir einfach zusammenhalten. Unsere Liebe zur Ultra- und Fan-Bewegung ist größer als der gegenseitige Hass«, sagt Sebastian, Sprecher der Faninitiative »Pyrotechnik ist kein Verbrechen«, im Interview mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard. Warum versetzt das neue Gesetz die organisierten Fans derart in Rage?
Jahrzehntelang war das Zündeln in österreichischen Stadien zwar gesetzlich verboten, es wurde allerdings weitgehend toleriert und nur selten bestraft. Mit der Gesetzesnovelle, die Anfang des Jahres in Kraft trat, soll Pyrotechnik nun komplett aus den Stadien verbannt werden. Höchststrafen über 4 000 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu vier Wochen sollen abschreckend wirken, sogar der Besitz von Pyrotechnik im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Sportgroßveranstaltung ist strafbar. Erlassen wurde das Gesetz von der österreichischen Innenministerin Maria Fekter, Spitzname »Schottermizzi«, die seit ihrer Amtsübernahme des Öfteren durch äußerst rigide Vorgehensweise aufgefallen ist. Zuletzt sorgte sie mit dem Vorschlag, Asylbewerber während ihres laufenden Asylverfahrens mit Hilfe einer »Anwesenheitspflicht« in den österreichischen Erstaufnahmezentren quasi einzusperren, für Aufregung. Eine Hardlinerin durch und durch, zieht die Ministerin der christlich-sozialen Österreichischen Volkspartei nicht nur Kritik von Menschenrechtsgruppen auf sich, sondern nun eben auch von organisierten Fangruppierungen aus ganz Österreich.
Kritikpunkte am neuen Gesetz gibt es viele: Es richtet sich hauptsächlich gegen Pyrotechnik in Fußballstadien, während man bei anderen Sportveranstaltungen sehr kulant mit dem Thema umgeht. Reichlich absurd erscheint es zum Beispiel, wenn bei Skirennen in Kitzbühel oder Schladming die halbe österreichische Bundesregierung dabei zusieht, wie gezählte 116 Bengalische Feuer gezündet werden. Österreichische Medien, allen voran die allgegegenwärtige Kronen Zeitung, bejubeln diese nationalen Inszenierungen und freuen sich über die ausgelassene Stimmung, während organisierte Fußballfans in der öffentlichen Wahrnehmung als Chaoten und Gewalttäter gelten. Der Vorstand der österreichischen Bundesliga, Georg Pangl, darf das Zünden von Bengalischen Feuern in Fußballstadien ohne nennenswerten Widerspruch als »asoziales und gestörtes Verhalten« bezeichnen.
Ein weiteres Argument gegen das rigorose Gesetz ist paradoxerweise die Sicherheitslage. Wurde Pyrotechnik früher kontrolliert und nur dann gezündet, wenn Sicherheitsvorkehrungen, wie z.B. Wasser- oder Sandtöpfe, vorhanden waren, so müssen die Supporter ihre Aktivitäten nun aus Angst vor einer hohen Strafe im Geheimen verrichten, was einen ruhigen und sicheren Umgang mit dem unbestritten gefährlichen Material so gut wie unmöglich macht. Manche Vereine, wie z.B. der Zweitligist Wacker Innsbruck, unterstützten in der Vergangenheit die aktiven Fans und stellten ihnen die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zur Verfügung. Dies wird den Clubs durch das neue Gesetz nun allerdings untersagt. Dass man den Einsatz von Pyrotechnik in den Stadien nicht gänzlich unterbinden kann, zeigten die ersten Frühlingsrunden der österreichischen Liga. Es wurde fast mehr gezündelt als in der Hinrunde, sogar bei unterklassigen Vereinen setzten die Anhänger aus Solidarität und Protest Pyrotechnik ein. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass die protestierenden Fangruppen in der Regel den Einsatz von Böllern oder anderen Knallkörpern strikt ablehnen und sich in ihren Forderungen einzig auf Bengalische Feuer und Rauchtöpfe beziehen.
Ebenso problematisch ist der im neuen Gesetz verankerte »Willkür-Rahmen« der Polizei. Dieser besagt, dass Personen auf reinen Verdacht der Exekutive hin kontrolliert werden dürfen. Sogar Autos oder Wohnungen können ohne richterliche Verfügung durchsucht werden. Überdies wurde im Vorfeld des Gesetzesbeschlusses kein einziger Fanvertreter oder Fanbeauftragter in die Gespräche eingebunden, einzig die österreichische Bundesliga verfügte über ein Mitspracherecht. Deren Chef, der bereits erwähnte Georg Pangl, forderte unlängst in einer Pressekonferenz alle österreichischen Medien dazu auf, über die mittlerweile ziemlich massiven Fanproteste nicht zu berichten. Der österreichische Rundfunk sowie der Bezahlsender Sky halten sich nur allzu gerne an diese Vorlagen und zeigen in ihren Berichten keine Bilder von raucherfüllten Fansektoren.
Mittlerweile bekommen die Supporter, organisiert in der Faninitiative »Pyrotechnik ist kein Verbrechen«, Unterstützung von ihren Vereinen. Waren es zu Beginn nur unterklassige Klubs wie der Traditionsverein Vorwärts Steyr, die ihren Unmut über die neue Gesetzgebung öffentlich bekundeten, so ging Mitte März der beliebteste Verein Österreichs, Rapid Wien, in die Offensive. Der Leiter des Klubservices Andi Marek, verantwortlich für Fanbetreuung und Sicherheit, schrieb einen offenen Brief, in dem er klarstellte, dass auch der österreichische Rekordmeister alles andere als glücklich mit dem neuen Gesetz sei. »Im Gegensatz zum Gebrauch von Knallkörpern, gegen welche sich alle aktiven Fans des SK Rapid ausgesprochen haben, sind uns keine durch Bengalische Feuer hervorgerufenen Verletzungen von Stadionbesuchern im Gerhard-Hanappi-Stadion bekannt«, so Marek, und weiter: »Durch ein striktes und generelles Verbot von Pyrotechnik im Stadion ist dieses Problem nicht gelöst; vielmehr kommt es durch die nicht gänzlich auszuschließende illegale Verwendung zu einem Gefahrenpotential, das bei einem erlaubten und zugleich kontrollierten und verantwortungsbewussten Gebrauch nicht vorhanden wäre.« Der Verein verspricht, sich noch einmal mit der Bundesliga und Fanvertretern an einen Tisch setzen zu wollen, um eine Lösung für das Problem Pyrotechnik zu finden.
Dies erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich, hat es Rapid so wie die anderen österreichischen Vereine doch seit über zwei Jahren versäumt, gegen das Gesetz aktiv zu werden, und es als Teil des Kollektivs Bundesliga sogar mitbeschlossen.
Interessant ist ein Blick nach Deutschland, wo das Thema seit den Vorfällen beim Bundesliga-Spiel Bochum gegen Nürnberg Ende Februar wieder mehr in den öffentlichen Blickpunkt gerückt ist. Acht Anhänger des 1. FC Nürnberg wurden durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern verletzt, zwei davon schwer. Bei dem verwendeten Material handelte es sich um Magnesiumpulver, das im Gegensatz zu Bengalischen Feuern leicht durch die Sicherheitskontrollen zu schmuggeln ist. Magnesiumpulver gilt als sehr gefährlich, da es nur äußerst schwer zu löschen ist. Erneut stellt sich die Frage, ob sich ein solcher Unfall auch ereignet hätte, wenn die Vereine einen kontrollierten Umgang mit pyrotechnischem Material in den Stadien zulassen würden.
Es wird spannend zu beobachten sein, wie die Vereine und die Exekutive in Zukunft mit den neuen Richtlinien umgehen werden. Aktive Fans berichten bereits von ersten Vorfällen, bei denen Zivilpolizisten Fans, die mit Pyrotechnik hantiert hatten, aus dem Block herausgegriffen und angezeigt haben. Eines scheint jedoch gewiss: Bengalische Feuer und die damit verbundene Stimmung werden bis auf weiteres nicht aus österreichischen Stadien verbannt werden können.