Annäherung zwischen bürgerlicher und extremer Rechte in Frankreich

Techtelmechtel mit dem FN

Der rechtsextreme FN ist erneut im Aufwind. Indessen wird über eine Annäherung zwischen dem regierenden UMP und dem FN nach Le Pens Abtreten diskutiert.

Totgesagte leben länger. So verhält es sich auch mit dem rechtsextremen Front National (FN) in Frankreich. Seit etwa drei Jahren wurde die Partei von vielen Beobachtern für »halbtot« gehalten. Es gab daher kaum noch Aktionen gegen den FN. In jüngster Zeit wurde nur eine einzige aufsehenerregende Mobilisierung gegen die extreme Rechte vermeldet. In einem Wahlkampfspot hatte der rechtsextreme FN das idyllisch anmutende Bild des Dorfes Ammerschwihr im Elsass benutzt. Daraufhin machte das halbe Dorf, wo zuletzt rund 20 Prozent den FN gewählt hatten, gegen die Partei mobil. Unter anderem drehten Jugendliche ein Musikvideo gegen die Neofaschisten. Der Rapsong mit dem Titel »6.8.7.7.0« – so lautet ihre Postleitzahl – wurde innerhalb von we­nigen Tagen Zehntausende Male im Internet abgerufen.
Ansonsten blieb die extreme Rechte in den vergangenen Jahren weithin unbeachtet. Voraus ging der Absturz des FN bei mehreren Wahlen seit dem Frühjahr 2007. Damals hatte der konser­vative Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy rund eine Million Stimmen vom FN abziehen können, indem er, mit martialischen Gesten, die »Sicherheitsproblematik« thematisierte, aber auch Slogans übernahm, die bislang explizit von der extremen Rechten benutzt wurden. »Frankreich, liebe es oder verlasse es«, war einer davon.

Und plötzlich war er wieder da. »Nicolas Sarkozy hat uns bestohlen, aber er hat uns nicht getötet«, tönte Jean-Marie Le Pen im Wahlkampf vor den französischen Regionalparlamentswahlen Mitte März vor den Augen der Öffentlichkeit und spielte damit darauf an, dass der französische Präsident den Rechtsextremen ihre Slogans und Ideen gestohlen habe. Im ersten Wahlgang vereinigte der FN durchschnittlich 11,5 Prozent der Stimmen auf sich. Ein weiteres gutes Prozent erhielten konkurrierende Listen der extremen Rechten, meist Abspaltungen der Partei. In zwölf von 22 Regionen erreichte der FN den erforderlichen Stimmenanteil von mindestens zehn Prozent, um in die Stichwahlen zu gelangen. Im zweiten Wahlgang acht Tage später wuchs in diesen Dutzend Regionen sein Stimmenanteil auf 17,8 Prozent an.
Die Aufmerksamkeit für den FN dürfte auch in den kommenden Monaten nicht nachlassen, da nun offiziell das Rennen um die Nachfolge Jean-Marie Le Pens an der Parteispitze eingeläutet ist. Denn auf dem nächsten Parteikongress, der am 15. und 16. Januar kommenden Jahres stattfinden soll, wird der bald 82jährige nicht wieder für den Parteivorsitz des FN kandidieren, den er ohne Unterbrechung seit dessen Gründung im Oktober 1972 als »Präsident« angeführt hat.

Als aussichtsreichster Anwärter auf Le Pens Nachfolge gilt seine 41jährige Tochter Marine Le Pen. Mit deutlichem Abstand dahinter folgt der 60jährige Vizevorsitzende Bruno Gollnisch. Für den als wahrscheinlich geltenden Fall, dass Marine Le Pen den Vorsitz übernimmt, wird eine zumindest oberflächliche Modernisierung und eine »Entdiabolisierung« der Partei erwartet. Offener Antisemitismus und positive Bezugnahmen auf historische Vorläufer der extremen Rechten vor dem oder im Zweiten Weltkrieg sollen unterlassen, jedenfalls besser kaschiert werden. Dies war unter Jean-Marie Le Pen, der zeitweise seine Sympathien für die Nazis offen zu Tage trug, noch anders. So relativierte er im Dezember 1997 bei einem Auftritt an der Seite von Franz Schönhuber in München den Holocaust und bezeichnete »die Deutschen« als »Märtyrervolk« des Zweiten Weltkriegs. Marine Le Pen gehört einer anderen Generation an, die glaubt, mit Remineszenzen an eine solche Vergangenheit nichts gewinnen zu können. Auch eine Namensänderung der Partei, als Symbol ihres Wandels, soll nicht länger tabu sein, wie Marine Le Pen jüngst – mitten im Wahlkampf für die Regionalparlamente – durchsickern ließ.
Sogar Jean-Marie Le Pen scheint sich im Alter damit abgefunden zu haben. In einem Interview mit dem Figaro-Magazine, der Wochenendbeilage der auflagenstarken Tageszeitung Le Figaro, vom 10./11. April erklärte der alternde Parteichef, er werde »leichten Herzens« gehen, »da ich keine Wüste hinter mir zurücklasse«. Nachdem die Zukunft der Partei gesichert sei, könne er beruhigt seine Memoiren schreiben. Was die Frage einer eventuellen Namensänderung betrifft, scheint er kein Dogma zu pflegen: So lange es ein französisches Vaterland gebe, so lange »wird es auch einen FN geben, unter diesem oder einem anderen Namen«.

Unterdessen wird in Teilen der bürgerlich-konservativen Rechten darüber diskutiert, dass sich im Falle einer Ablösung Jean-Marie Le Pens durch seine Tochter auch die »Bündnisfrage« neu stellen könnte. So legt der prominente konservative Journalist Éric Zemmour dem bürgerlichen Spektrum im Leitartikel des Figaro-Magazine vom 17./18. April ausdrücklich nahe, in jenem Falle die Bündnis­optionen neu zu überdenken. Schon zuvor hatte er empfohlen, »die Lehren der italienischen Rechten« zu beherzigen, nachdem diese bei den Regi­onalparlamentswahlen in ihrem Land Ende März unerwartet gut abgeschnitten hatten. Insbesondere das Bündnis der Konservativen mit der rassistischen Regionalpartei Lega Nord schätzt er positiv ein. Auch auf Radio Monte Carlo, einem Sender, der den regierenden bürgerlichen Konservativen nahe steht, bemerkte Chefredakteur Christophe Jakubyszyn am 13. April, dass im Elysée-Palast eine Allianz mit dem FN »nicht länger tabu« sei. Das Thema seiner Sendung war: »UMP, FN, die Annäherungsarbeiten haben begonnen«.
Die Anwärter auf den FN-Vorsitz zeigten sich in dieser Frage bisher eher bedeckt. Während Gollnisch, der eher zur »alten Garde« zählt, die Möglichkeit zu einem Bündnis nur gegeben sieht, wenn die konservative Regierungspartei »echte Reue« für ihren bisherigen Kurs zeige, kommentierte Marine Le Pen die Spekulationen damit, dass sie sich mit »dieser UMP« kein Bündnis vorstellen könne. Dieses sei also zumindest nicht auszuschließen, sobald die Konservativen Änderungen in ihrem Profil vornehmen würden. Die rechtsextreme Kleinpartei Ligue du Sud, angeführt vom früheren FN-Politiker Jacques Bompard, äußerte sich bereits mit Häme zu den Ansätzen einer Annäherung: »Es zieht den FN an die Fleischtöpfe.«