In Sachsen werden Freie Radios abgeschaltet

Reinheitsgebot im Rundfunk

In Sachsen versucht die schwarz-gelbe Landesregierung, den heimischen Medien­standort sauber zu halten. Nun wurden alle Freien Radios abgeschaltet, weil die Regierung nicht für deren Finanzierung aufkommen möchte.

Apollo war in der Antike der Gott der sittlichen Reinheit. Nun macht der gleichnamige Klassiksender aus Sachsen seinem Namen alle Ehre. Denn der Sender hat dafür gesorgt, dass drei Freie Radios aus Dresden, Chemnitz und Leipzig, mit denen er sich eine Frequenz teilt, Mitte April verstummen mussten. In anderen Bundesländern zahlen normalerweise die Medienanstalten aus den Rundfunkgebühren die technischen Verbreitungskosten der UKW-Ausstrahlung für die Freien Radios. Sachsen hat einen anderen Weg gewählt. Seit Anfang des Jahres sollen die Freien Radios diese Kosten selbst übernehmen.
Mittlerweile hat der Sendenetzbetreiber Media Broadcast einem Abschaltbegehren von Apollo-Radio nachgegeben. Die Medienaufsicht schaut hierbei nur untätig zu. »Niemand kann Apollo dazu verdammen, Freies Radio zu bezahlen«, meint etwa Martin Deitenbeck, Geschäftsführer der sächsischen Medienanstalt SLM. Die basis­demokratisch organisierten Radios sind damit de facto abgeschaltet. Statt Sendungen wie »Radio Island« vom soziokulturellen Zentrum Conne Island in Leipzig ist jetzt nur noch Rauschen zu hören.

Doch wie kann es überhaupt dazu kommen, dass ein Radiosender gleich drei andere abschalten lässt? Der »Klassik- und Jazzsender« Apollo-Radio war gegründet worden, um in Sachsen die Betätigung kommerzieller Radios aus anderen Ländern zu verhindern, die wichtige Werbekunden abziehen könnten. So hatte sich das Hamburger »Klassik Radio« Hoffnungen gemacht, auch in Sachsen Frequenzen zu bekommen. Vergebens, stattdessen sendet Apollo, ohne kommerziellen Erfolg, finanziert von allen sächsischen Privatfunkgesellschaften. Die Verstopfung der Frequenzen dient allein der Pflege des heimischen Medienstandortes. Die SLM war es, die den bundesweit einmaligen Deal einer privaten Finanzierung einst einfädelte. Dazu gehörte auch, dass die Freien Radios mitgetragen werden. Doch seit der Streit mit den Freien Radios im vergangenen Jahr begann, fühlt sie sich nicht mehr zuständig.
Im Vergleich zu anderen Medienanstalten ist die Unterstützung in Sachsen für die Freien Radios sehr gering. Der bereitgestellte Betrag von etwa 40 000 Euro pro Jahr für alle drei Sender reicht nicht aus, um die entstehenden Kosten zu decken. Dagegen fördert die Medienanstalt sogenannte Ausbildungs- und Erprobungskanäle großzügig mit 1,6 Millionen Euro jährlich. Allein können die Freien Radios das nötige Geld nicht zusammenbringen. Ihnen ist es als »nichtkommerziellen Medien« untersagt, Werbung ins Programm zu nehmen.
Es verwundert deshalb wenig, dass eben jene Medienanstalt in den vergangenen Monaten Adressatin von Protestaktionen wurde. »Uns erreichen jede Menge Protestbriefe. Auch von Institutionen, die zum Ausdruck bringen, dass die Freien Radios wichtig sind. Ich würde mal fragen, ob sich das nicht in einer geldwerten Unterstützung niederschlägt«, sagte Deitenbeck. Als absurd bezeichnet dies Andreas March vom abgeschalteten Radio Blau: »Zu unseren Unterstützern gehört die soziokulturelle Szene in Leipzig, uns unterstützen Künstler, Labelbetreiber und migrantische Gruppen. Denen soll, um das Fortbestehen der Freien Radios zu sichern, nun noch mehr Geld aus der Tasche gezogen werden.« March vermisst ein »Bekenntnis für Freie Radios in Sachsen« von Seiten der Medienanstalt. »Das Geld ist da, nur der Wille fehlt.« Deitenbeck betont dagegen, dass »der Medienanstalt die Hände gebunden sind und diese nur finanziell unterstützen kann, wenn die politischen Mehrheiten das so wollen«.

Deitenbeck schiebt damit die Verantwortung auf den sächsischen Landtag ab. Dort wurde auch tatsächlich über das Problem debattiert. »Die Freien Radios in Sachsen bräuchten eine gesicherte Finanzierung«, hieß es bereits im Dezember in Dresden von Seiten der Grünen. Für Karl-Heinz Gerstenberg, den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, wäre das Verstummen der Freien Radios ein Verlust für die sächsische Medienlandschaft, da die drei Sender einen »unverzichtbaren Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung liefern«.
Ebenfalls der Meinung, dass politischer Handlungsbedarf bestehe, sind die Fraktionen der SPD und der Linkspartei. Die schwarz-gelbe Regierung im Landtag lehnt eine Finanzierung der Freien Radios jedoch ab. Daraus würden »nicht absehbare Kosten« für die Bürger entstehen, war aus den Reihen der CDU zu hören. Diese »Kostenlawine«, die einen Cent pro Gebührenzahler betragen würde, wie Holger Mann von der SPD sarkastisch vorrechnet, wäre »eine Summe, die wir dem sächsischen Steuerzahler wirklich nicht zumuten können«.
Keinen Hehl macht der medienpolitische Sprecher der CDU, Sebastian Gemkow, aus seiner Absicht, die Freien Radios ins Internet abzuschieben: »Prinzipiell bliebe die Arbeit der Radiomacher (…) uneingeschränkt möglich, wenn sie (…) das Programm per Live-Stream im Internet verbreiten. Durch die Verbreitung über Internet würden erheblich weniger Kosten entstehen.«
Die nächste öffentliche Anhörung zum Thema findet am 3. Mai im Dresdner Landtag statt. Indessen hat der Widerstand der schwarz-gelben Koalition das Problem lediglich auf die kommunale Ebene verschoben. Die Städte Dresden und Leipzig haben inzwischen eine Kostenübernahme für dieses Jahr beschlossen.