Die Sparparolen der Deutschen

Wer bremst, verliert

In Deutschland werden derzeit lauthals Sparparolen ausgegeben. Mit ihrem Weg der Krisenlösung wollen die deutschen »Sparmeister« die gesamte EU beglücken – wenn nötig mit Zwang.

Es gibt Äußerungen Roland Kochs (CDU), über die man sich nicht empören muss. Zwar zeigen sich Vertreter der Opposition und der Bundesregierung wenig angetan vom Vorschlag des hessischen Ministerpräsidenten, angesichts des deutschen Schuldenstands auch an der Bildung und der Kinderbetreuung zu sparen. Doch man kann Koch nichts vorwerfen. Er hat nur ausgeplaudert, was bereits im Gang ist.
Die schwarz-gelbe Regierung in Schleswig-Holstein hat angekündigt, Anfang nächster Woche das größte Sparprogramm der Landesgeschichte zu beschließen. Unter anderem sollen die Mittel für Kindertagesstätten deutlich gekürzt und die Universität Flensburg aus Kostengründen zur Pädagogischen Hochschule degradiert werden. Die Regierung hat sich weitere rigorose Sparmaßnahmen einfallen lassen. »Es wird schlimm«, kündigte der Präsident des Landesrechnungshofs lapidar an.
Warum das Ganze? »Wir wollen nicht wie Griechenland werden«, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Denn nichts gilt derzeit in Deutschland als verachtenswerter, als sich griechischer Tendenzen verdächtig zu machen, also des Geldausgebens. Politik und Medien stimmen auf den großen Verzicht ein. »Auch wir in Deutschland sind zum Sparen verdammt«, postulierte Edmund Stoiber (CSU) in der Bild. Die FAZ forderte einen »Tugendkreislauf – höhere Steuereinnahmen, geringe Sozialausgaben«.
Großes Murren ist von den Deutschen nicht zu erwarten. Dass die Reallöhne im vergangenen Jahrzehnt gesunken sind, haben sie zum Wohl des »Standorts Deutschland« hingenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte am Wochenende auf dem DGB-Bundeskongress zur Fastenpredigt ansetzen, ohne des Rednerpults verwiesen zu werden: Die »Schuldenbremse« sei eine Mahnung, »nicht weiter über unsere Verhältnisse zu leben«.
Dank dieser im Grundgesetz festgeschriebenen »Schuldenbremse« ist das Sparen deutsche Staatsräson, die Bürger haben diese bereits gut verinnerlicht – so wird man »Sparmeister« (Spiegel). Ganz unbescheiden will Deutschland seine Sparpolitik nun auch der EU aufnötigen. Das Bundesfinanzministerium hat einen Zwölf-Punkte-Plan erarbeitet, mit dessen Hilfe eine »Schuldenbremse für Europa nach deutschem Vorbild« durchgesetzt werden soll, berichtete die Wirtschaftswoche. Für renitente Staaten hat sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Zwangsmaßnahmen ausgedacht: Bußgelder oder auch den »Entzug des Stimmrechts für mindestens ein Jahr«.
Eines ließ Schäuble allerdings unbeantwortet: Wer soll in Zeiten großen Sparens all die Waren kaufen, mit denen der »Exportmeister« Deutschland dank seines Lohndumpings den europäischen Markt überschwemmt? Eine strikte Ausgabenbeschränkung aller Staaten sorgt nicht unbedingt für eine florierende Konjunktur. So könnte die Sparpolitik die nächste Krise auslösen: eine Phase der Deflation. In dieser bliebe den Deutschen, die ihr eigenes Elend bereitwillig hinnehmen, immerhin ein Trost: Dank ihrer Sparverordnung ginge es den anderen mindestens genauso dreckig.