Über die Privatisierung von Wäldern und Seen im Osten

Ein Hauch von Feudalismus

Damit der Bund nicht pleite geht, verkauft er schon mal Äcker, Wälder und Gewässer. Vor allem im Osten. »Die Linke« sieht deshalb ein neues »Junkertum« heraufziehen.

In Deutschland herrscht knallharter Pragmatismus, wenn es um leere Kassen geht. »Ein Bankrotteur muss alles, was er hat, zu Geld machen«, lautete hier einer der schulmeisterlichen Ratschläge für das schuldengeplagte Griechenland. Jedoch im Gegensatz zu den Griechen vermag die BRD keine attraktiven Inseln mit mediterranem Sonnenschein und malerischen Strandkulissen anzubieten. Wer möchte sich schon in der Helgoländer Kargheit einnisten, der selbst die kühlen Briten nicht hinterhertrauern, oder sein Haus auf dem bröckelnden Boden Rügens errichten, der Stück für Stück im Meer verschwindet? Doch auch wenn man keine paradiesischen Besitztümer zu veräußern hat, findet sich immer etwas, das sich zu Geld machen lässt. So veräußert der deutsche Staat, um gar nicht erst in die Nähe der hellenischen Defizitquote zu kommen, seit langem vor allem im Osten der Republik Wälder, Äcker und Seen. Eine Petition, initiiert vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), hat nun dafür gesorgt, dass der Petitionsausschuss des Bundestags seit vergangener Woche immerhin über einen Stopp der Gewässerprivatisierung berät.

Eine Entscheidung des Ausschusses, der eine Gesetzesvorlage in den Bundestag einbringen kann, steht noch aus. Beim BUND zeigt man sich indes zuversichtlich. Der Hauptpetent Carsten Preuß geht davon aus, dass »die gesamte Opposition im Bundestag auf unserer Seit steht«, wie er der Märkischen Allgemeinen mitteilte. Allerdings gingen der Initiative bereits verschiedene Versuche voraus, die Gewässerprivatisierung zu stoppen. So scheiterte bereits im Dezember 2009 ein Antrag Mecklenburg-Vorpommerns im Bundesrat an der Ablehnung der CDU-geführten Länder. Im selben Monat wurden Anträge der Linkspartei und der SPD in gleicher Sache vom Bundestag zurückgewiesen. Ebenso fiel Ende März ein Gesetzentwurf der Grünen im Haushaltsausschuss durch.
Im Laufe eines Jahres ist das Thema deutlich präsenter geworden. Proteste von Verbänden und Kommunen hatten bereits im August vorigen Jahres dazu geführt, dass der Verkauf von Seen zunächst aufgeschoben wurde. Das Moratorium soll so lange bestehen bleiben, bis die Frage der Privatisierungen in den derzeit laufenden Gesprächen auf verschiedenen politischen Ebenen geklärt ist. Insbesondere CDU-Politiker beharren jedoch darauf, dass der Staat auf die mit Verkäufen verbundenen Einnahmen nicht verzichten dürfe. So erklärte Ende April der brandenburgische CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski gegenüber der Märkischen Allgemeinen, dass er eine Überführung in die öffentliche Hand zwar begrüße, dass das aber nicht heiße, »dass der Bund die Seen deshalb einfach verschenken muss«. Verfechter des Seenverkaufs verweisen auch auf das Vorkaufsrecht für die Kommunen und Länder. Doch die Hürde für öffentliche Käufer bleibt trotzdem hoch. Im berühmt gewordenen Fall des Wandlitzsees in Brandenburg konnte die Gemeinde Wandlitz im Jahr 2003 nur die Hälfte der geforderten Mindestsumme von 420 000 Euro aufbringen. Der See wurde letztlich von einem privaten Käufer erworben, der eine Aktiengesellschaft für den See gründete und Gebühren für die Nutzung von Stegen und für die Wasserentnahme erhob.

Beim Seenverkauf geht es nicht nur um das Auffüllen klammer Kassen, sondern auch um das Prinzip der Privatisierung selbst. Trotz der negativen Erfahrungen mit Privatisierung vor allem im Bereich der »natürlichen Monopole« (wie der Eisenbahn und der Stromversorgung) und Umweltressourcen hält sich in weiten Kreisen hartnäckig das Dogma von der Wunderwaffe des freien Marktes. Dem Seenverkauf im Osten kommt so auch eine ideologische Bedeutung zu. Er erfolgt, ebenso wie der Verkauf der Äcker und Wälder, vor allem über die Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH (BVVG), eine Nachfolgeorganisation der Treuhandanstalt, die einst den »volkseigenen« Besitz der DDR in private Hand überführen sollte.
Einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage zufolge verwaltet die BVVG derzeit 15 000 Hektar Wasserflächen, darunter 290 Seen oder Teile von Seen, vorwiegend in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Weitere 15 000 Hektar hat die BVVG bereits veräußert. Die betreffenden Seen machen damit zwar nur einen Bruchteil der gesamten Gewässerbestände im Osten aus, pikant ist aber die Tatsache, dass der »Ausverkauf« den neuen Bundesländern vorbehalten bleibt, wie die neue Linkspartei-Vorsitzende Gesine Lötzsch, die sich aussichtslos um den Kauf eines Sees im Westen bemüht haben soll, jüngst auf einer Anhörung ihrer Partei zu »20 Jahren Treuhand« beklagte.
Die Gewässerprivatisierung im Osten rührt vor allem die Linkspartei zu Tränen. Lötzsch zum Beispiel, die in der für die Partei typischen Rhetorik die Treuhand als »Mutter aller Heuschrecken« bezeichnet, erblickt im fortgesetzten Wirken der BVVG die »Enteignung« des Ostens. Die Gewässerprivatisierung war dementsprechend auch wesentlicher Programmpunkt der Anhörung, ebenso wie die Bodenprivatisierung, der die Gefahr eines neuen »Junkertums« inne wohne.
Vor allem der Umgang der BVVG mit Ackerland gilt den Privatisierungskritikern als warnendes Beispiel. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) betonte bereits im Herbst 2009: »Was die BVVG auf dem Acker angerichtet hat, darf kein zweites Mal passieren.« Dieser Tadel galt der Tatsache, dass die Höchstgebotsregelung der BVVG im vergangenen Jahr zu überproportional hohen Preisen auf dem Bodenmarkt und damit auch zu höheren Pachtpreisen geführt hatte. Nicht nur befürchtet man ähnliche Auswirkungen beim Seenverkauf, es wird auch gewarnt, dass die ökologische und wasserwirtschaftliche Funktionsfähigkeit der Seen unter einer privaten Bewirtschaftung leiden könnte. Zudem würde die Privatisierung zu Lasten des Tourismus und der Fischerei gehen, vermutet etwa der BUND.

Die Auseinandersetzungen um die Äcker und Seen sind nicht die einzigen dieser Art. Auch in der Forstwirtschaft ist ein Trend zur Privatisierung erkennbar, beispielsweise in Thüringen. Dort wehrten sich Anfang des Jahres 700 Waldarbeiter des Forstamtes erfolgreich gegen ihre drohende Ausgliederung in eine Privatfirma. Solche Vorstöße finden bundesweit statt. Die Verfechter einer Entstaatlichung der Wälder, wie etwa das thüringische Forstministerium, erhoffen sich davon »effizientere und flexiblere Strukturen«. Die Initiative »Fischer Forst Privatisierung« aus Eberswalde wird konkreter: »Was wir von den Polen lernen müssen«, sei, dass »geringe Lohnkosten auch rentable Aufarbeitung« ermöglichen würden, so ist auf ihrer Internetpräsenz zu lesen.
Es gibt auch unerwartete Freunde der Forstprivatisierung. Während sich der BUND ausdrücklich dagegen ausspricht, macht sich die Konkurrenz vom Naturschutzbund (NABU) für eine Umwandlung des nordrhein-westfälischen Staatsforstes in eine Aktiengesellschaft stark und träumt vom ökologischen »Bürgerwald«. Dass Privatisierung im Namen des Naturschutzes propagiert wird, ist nicht neu. Zu den bekannten Beispielen gehört der US-Millionär Douglas Tompkins, der eine Fläche von der Größe Hamburgs und des Saarlandes im Süden Chiles aufkaufte und ein Naturschutzgebiet daraus machte. Seiner fortschrittlichsten Absicht zum Trotz erscheint Tompkins wie eine Art moderner Fürst. Denn ungeachtet aller netten Bekenntnisse werden große private Landnahmen immer von einem Hauch Feudalismus umgeben sein.