Aufhören mit dem Anfangen

»Es reicht! Ich habe genug davon, zu hören, zu lesen oder in Filmen zu sehen, wie schlecht sich die französische Armee in Algerien benommen haben soll«, schäumte Thierry Mariani. In der Tageszeitung La Provence durfte der konservative Regionalpolitiker seiner Empörung über Rachid Boucharebs Spielfilm »Hors la loi« gehörig Luft zu machen. Grausame Massaker, Tausende Tote, der massive Einsatz der Folter – man kann das Verhalten der französischen Armee im Algerien-Krieg nur mit einer guten Betragensnote belohnen.
Boucharebs Spielfilm umfasst mehr als 30 Jahre, er beginnt 1925 in Algerien und endet mit der Unabhängigkeit des Landes 1961. Der Film könnte der Anfang einer Debatte über die koloniale Vergangenheit Frankreichs sein. Könnte. Einer, der das verhindern will, ist Philippe Meunier. Im Regionalmagazin Lyon Capitale forderte der örtliche UMP-Abgeordnete: »Rachid Bouchareb soll aufhören! Wenn Frankreich und Algerien in Einvernehmen miteinander leben wollen, soll er aufhören zu lügen.«
Lionnel Luca ist konservativer Abgeordneter der Stadt Nizza in der französischen Nationalversammlung. Der Lucky Luke von Nizza ist auch ein Vorkämpfer für die Meinungsfreiheit, sofern es um die Freiheit der ihm genehmen Meinung geht. So gründete er im April eine Parlamentariergruppe »für die Verteidigung der Meinungsfreiheit«, gemeint war jene des rechtslastigen Journalisten Éric Zemmour. In anderen Fällen hingegen hält der Mann wenig von der Meinungsfreiheit. Ihn erboste der Spielfilm Boucharebs, weil man dort Szenen des Massakers sieht, das die französische Armee und europäische Siedlermilizen am 8. Mai 1945 in den algerischen Städten Sétif und Guelma anrichteten. Zusammen mit rund 1 500 Veteranen des französischen Kolonialkriegs und dem rechtsextremen Front National demonstrierte Luca in Cannes gegen die Uraufführung des Films. Gesehen hat Luca ihn erst ein paar Stunden später.