Als ich zum Islam bekehrt werden sollte

Die Mission ist das Imperialistische an einer Religion. Aber Mission hat auch ihre heitere Seite. Man erinnere sich des Anfangs von »The ­African Queen«, als Katharine Hepburn in der »Ersten Methodistenkirche« zu Kundu die Orgel schlägt und die Anwohner vergeblich versuchen, ihr zu folgen. Man denke an die freundlichen Zeugen Jehovas. Aber ich sollte sogar einmal bekehrt werden, als ich am Fließband einer Fabrik stand.
Einen Kollegen namens Engin hatte ich schätzen gelernt, weil er mit immer neuem Unsinn ankam. Er bat mich z.B., ihm »O Tannenbaum« vorzusingen, und bedankte sich mit einem Werbelied für eine Käsemarke. Ein paarmal am Tag verschwand er für ein paar Minuten, wohl zum Beten.
Immer häufiger lenkte er unser Gespräch auf den erstaunlichen Islam, von dem er mich überzeugen wollte. Bereits vor 1 000 Jahren habe ein islamischer »Gott-Psychiater« Schwarze Löcher im Weltall entdeckt. Auch das Geschlechterverhältnis habe islamische Gelehrsamkeit lange schon durchdrungen. Einmal sprach ich ihn auf den Schriftsteller Salman Rushdie an, gegen den gerade der Ayatollah Chomeini eine Fatwa erlassen hatte, die auf Hinrichtung lautete. Engin sah die Sache entspannt. Wer die »Satanischen Verse« lese, müsse darauf kommen, dass sie »gelogen« seien. Auf meine Frage, ob auf literarische Lüge der Tod stehe, sagte er: »Er muss bestraft werden … Vielleicht mit Gefängnis. Der Islam ist plus, der Rest minus. Es ist wie bei einer Batterie, beides gehört zusammen. Warum sollte Gott sonst die Batterie geschaffen haben? Das ist ein Gleichnis. Der Mann ist plus, die Frau minus. Daher kann der Mann zur Frau umgewandelt werden, die Frau aber nicht zum Mann.«
Danach erzählte er mir eine Schnurre aus der »Sesamstraße«. Es war eine harte, aber komische Zeit. Eine türkische Kollegin versuchte, mir eine außergewöhnlich schöne Freundin als Ehefrau anzudienen. Die Türken teilten ihr Frühstück mit mir, während die deutschen Proleten die Missgunst, Kleinlichkeit und Muffeligkeit selbst waren. So standen diese für die rechnende Moderne, jene für eine untergehende Tradition. Die Deutschen verkörperten trostlose Vernunft, die Türken fröhliche Unvernunft. Zehn Jahre später verhärteten sich die Fronten; der Fall Rushdie war bloß der Anfang. Vielleicht ist Engin noch immer der Alte. Aber aus einem spinnerten Fundamentalismus wie dem seinen, der stets in der Begleitung von Großzügigkeit aufgetreten war, ist inzwischen an vielen Orten Islamismus geworden. Ein Jammer. Es verteidigt aber die Moderne schlecht, wer nicht auch bemerkt, was mit ihr verloren geht; ein Vergnügen, am Leben zu sein, etwa.