Berlin Beatet Bestes

Sag mir, wo mein Radio ist

Berlin Beatet Bestes. Folge 49. Herbstradio.

Im vergangenen Herbst habe ich zusammen mit dem Macher des Blogs »Ostberlin Beatet Besseres«, der zufällig auch Andreas heißt, im Berliner Herbstradio wöchentlich eine zweistündige Radiosendung gemacht. Die Sendung hieß logischerweise »Berlin Beatet Bestes«. Es hat uns viel Spaß gemacht, die schrägsten Platten unserer Blogs im Radio zu spielen und Gäste dazu einzuladen. Auch wenn wir beide Andreas heißen, haben wir recht unterschiedliche Tempe­ramente, die wir von Sendung zu Sendung kultivierten: Er war der schroffe Ostler, ich der überdrehte Wessi. Drei Monate lang war der Sender eine herrliche Spielwiese für allerlei nie im Radio Gehörtes. Wo könnte man sonst schon Rocky den Irokesen, die schmutzige Schwabinger Gisela oder die vielen privat gepressten Quatschplatten, die ich so liebe, spielen? Auch im Dschungelfunk, der Radiosendung der Jungle World, habe ich zusammen mit Daniel Steinmaier eine Sendung über Religion gemacht. Daniel hat re­ligionskritische Texte gelesen, und ich habe die rockigsten Gospels und Countryplatten vorgestellt, die ich habe, unter anderem »It Was Jesus« von Johnny Cash und einige Titel von Sister Rosetta Tharpe. Musik, die so schön ist und so inspiriert vom Glauben, dass es mir schwer fiel, Kritik zu äußern. Es war eine schöne Sendung.
Herbstradio ist ein Veranstaltungsradio, eine kleine Lücke im Berliner Mediengesetz, die es erlaubt, zum Beispiel zur Berlinale für kurze Zeit eine Sendefrequenz aufzumachen. Auf Initia­tive von Herbstradio wurde nun mal wieder versucht, in Berlin eine Frequenz für ein Freies Radio zu bekommen. Am 11. Mai stimmte der Medienrat Berlin-Brandenburg darüber ab und vergab die Frequenz 88,4 an ein Senderkonglomerat von Radio Multikulti, dem Offenen Kanal, der Medieninitiative blinder und sehbehinderter Menschen, diversen Techno-DJs und eben Herbstradio. Ich bin enttäuscht. Weder wird zukünftig von einem Ort aus gesendet, noch kann sich irgendjemand mit diesem neuen Durcheinander identifizieren. Aus 25jähriger Erfahrung mit Alternativprojekten weiß ich: Wenn alles auf Freiwilligkeit basiert, gibt es nur eine Möglichkeit, Qualität zu sichern, man muss ein Projekt haben, auf das alle stolz sein können. Beim Herbstradio gab man sich die Klinke und das Mikrofon in die Hand, sah den anderen beim Senden zu und trank vielleicht anschließend ein Bier zusammen. Dann wurde ausgiebig über die vorangegangenen Sendungen debattiert. Das gemeinsame Arbeiten an einem Ort inspiriert und schafft Identifikation. Identifikation mit dem Ort, mit den Menschen und also mit dem Sender. Beim Radiomachen sendet man ohnehin schon so unsichtbar ins Blaue. Wenn man dann noch ganz mit dem Resultat alleine ist, kann sich Qualität nicht entwickeln. Stattdessen herrscht Stagnation.
Beides kann bei 88,4 nicht entstehen. Eine Metropole wie Berlin verdient weiterhin ein freies Kulturradio. Berlin verdient Besseres!