Über die Moderation der Fußball-WM

Reichsparteitag mit Vuvuzela

Bei der WM in Südafrika ist nicht alles wie immer: Moderatoren reden zwar dummes Zeug, werden aber übertönt.

Wenn der gemeine Fußballfan etwas nicht leiden kann, dann sind es unbekannte Geräusche, die noch dazu zuerst von anderen Fans produziert wurden. Und so nimmt man gerade die Dauerbeschallung durch die südafrikanischen Vuvuzelas äußerst übel, beschwert sich in den Kommentarspalten von Zeitungen und Blogs, startet Unterschriftenlisten für das Verbot der Tröten und übersieht dabei gern, dass das unrhythmische Getrommel und schiefe Gesinge, mit dem man in europäischen Stadien gern die Spieler anfeuert, in aller Regel auch nicht wesentlich schöner anzuhören ist. Ganz zu schweigen vom Nonstop-Gehupe der Gasdruckfanfaren, das noch vor wenigen Jahren ganz selbstverständlich zum Support dazugehörte.
Dabei haben die Vuvuzelas einen ganz großen Vorteil: Vor dem Hintergrund des an Hornissenschwärme erinnernden Dauergesummes sticht das oft so nervige Geschwalle der Fernsehkommentatoren längst nicht mehr so heraus, wie es normalerweise der Fall ist. Dass Bela Rethy ausgerechnet bei Özil das Fehlen »deutscher Tugenden« bemängelte, ging fast genauso unter wie die üblichen Tautologien, die im Deutschlandtaumel nicht erkannten Fouls und Abseitsstellungen der Löw-Elf und die allgemein tumben Bemerkungen, die deutsche Fernsehreporter unter Berichterstattung verstehen.
Bedauerlicherweise wird allerdings nicht alles, was bei ARD und ZDF während der WM so weggesendet wird, von Vuvuzelas überdröhnt. Die Südafrika-Darstellung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hätte genau das jedenfalls verdient: Das Land besteht nämlich anscheinend fast ausschließlich aus weiter Steppe, in der Löwen, Zebras und Giraffen leben, während der schwarze Südafrikaner im Kral wohnt, beziehungsweise in Museumsdörfern, aus denen gern Reportagen gesendet werden.
Aber das verwundert echte Fußballfans nicht. Nationale Stereotype gehören zur Sportberichterstattung schließlich traditionell dazu, Spanier spielen entsprechend immer irgendwie stolz oder feurig, weibliche brasilianische Fans sind grundsätzlich freizügig und irgendwie rassig – was auch immer das heißen mag – und so weiter und so fort.
Nur eben diesmal leiser, der Tröte sei Dank. Vermutlich hätte sich im Nachhinein auch die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein gewünscht, von Vuvuzelas übertont worden zu sein, als sie in der Halbzeitpause des Spiels Deutschland gegen Ghana zu Oli Kahn sagte: »Das ist für Miro Klose doch ein innerer Reichsparteitag, dass der heute hier trifft.« Beim Thema »bisher glückloser unerfolgreicher Stürmer schießt gegen einen zweitklassigen Gegner ein Tor« ausgerechnet auf die Idee zu kommen, die Gefühle des Goalgetters mit den Reichssparteitagen der NSDAP zu vergleichen, ist schon apart. Vor allem, weil die Phrase vom »inneren Reichsparteitag« eher nicht zum Sprachgebrauch von Menschen unter 70 gehören dürfte, wie die Reaktionen ganz junger Twitter-User zeigten, die sie noch nie gehört hatten und entsprechend nichts damit anzufangen wussten.
Müller-Hohenstein benutzte aber eben nicht heute gebräuchliche Redewendungen wie die vom wahrgewordenen Traum oder wenigstens die von der seit DSDS allgegenwärtigen Gänsehaut, sondern einen Ausdruck, der auf die Propagandaveranstaltungen der Nazis anspielt, die durch monumentale Inszenierungen und sorgfältig gewählte Motti das Volk an die NSDAP binden sollten. Und so dauerte es auch nicht lange, bis sich im Internet Empörung über die gedankenlose Rede vom Reichsparteitag artikulierte. Dabei ging weitgehend unter, was Oliver Kahn Müller-Hohenstein geantwortet hat: »Ja«, sagte der Ex-Torhüter nach ganz kurzem Stutzen, »das ist wie eine Erlösung, immer (?) als Stürmer, wenn Du so stark in der Kritik stehst wie Miro, ist das dann, das gibt dir diese Freiheit …«
Und auch die erste Entschuldigung von ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz fiel zumindest merkwürdig aus. Immerhin sagte er nicht »im Eifer des Gefechts«, aber knapp war es doch: »Es war eine sprachliche Entgleisung im Eifer der Halbzeitpause. Wir haben mit Katrin Müller-Hohenstein gesprochen, sie bedauert die Formulierung. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Was sicher besonders auf Nazi-Plattformen wie Altermedia sehr bedauert wird, wo man den Reichsparteitags-Spruch begeistert feierte und sich hämisch über Welt Online äußerte, wo der Müller-Hohensteinsche Fauxpas zuerst und sehr kritisch vermeldet worden war. Vermeldet wurde er übrigens auch von Stefan Niggemeier. Der Macher des Bild-Blogs nutzte die Gelegenheit, sich Springer-kritisch zu äußern und verteidigte bei dieser Gelegenheit nicht nur die Äußerung der Moderatorin vehement, sondern auch noch einmal die mittlerweile beim rechten Kopp-Verlag beschäftigte Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman: »Und die ganze Aufregung, das ganze schlimme Welt Online-Gemurkse, weil Katrin Müller-Hohenstein von einem ›inneren Reichsparteitag‹ gesprochen hat? Weiß jemand, ob die in Südafrika Autobahnen haben?«