Die WM ist vorbei. Was bleibt?

Fehlentscheidungen in Vuvuzela-Sauce

Von der WM in Südafrika bleibt mehr als ein neuer Weltmeister und ein traditioneller Vize.

Zum ersten Mal das Finale einer Fußball-WM erreicht und dann gleich Weltmeister geworden und außerdem als erste europäische Mannschaft auf einem anderen Kontinent den Titel geholt – das spanische Nationalteam kann sich nicht nur über den Cup, sondern auch noch über eine Menge Einzelheiten freuen.
Was die erste auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragene Fußball-Weltmeisterschaft neben dem fast schon traditionellen Unvermögen der niederländischen Elftal, ein Endspiel zu gewinnen, sonst noch so ausmachte, ist schnell aufgezählt: Schiedsrichter, Vuvuzelas, Hände und ein Krake.
Aber der Reihe nach: Die Kartenflut und die den Spielfluss unterbindende kleinliche Pfeiferei zu Beginn der WM müssen wohl die Vorgabe der Fifa gewesen sein, anders lässt es sich kaum erklären, dass von den Unparteischen alle Grup­pen­auftaktspiele während der ersten sechs Tage sehr farbenfroh gestaltet wurden. Aber da die Schiris von der Welt-Fußballorganisation zwar als befähigt angesehen werden, Spiele zu leiten, aber nicht, Fragen zu beantworten, konnte auch keiner der beteiligten Schiedsrichter Stellung nehmen. Erst knapp vor Ende der WM stellte sich ein Sprecher vor die mundtot Gemachten. Der Schiedsrichterchef der Fifa, Jose Maria Garcia Aranda, bezeichnete die Schiedsrichterleistung als ausgesprochen erfolgreich, nur in wenigen Spielen seien Fehler gemacht worden. Aranda begründete dies damit, dass nach einer Analyse 96 Prozent der Entscheidungen richtig gewesen seien – was alles als Entscheidung gilt, das sagte er nicht. Stattdessen sprach er über die Elfmeterquote: Bei 15 verhängten Elfmetern während der Spiele haben die Spieler nur neun Mal getroffen. Was das mit der Schiedsrichterleistung zu tun hat, sagte er allerdings nicht.
Und so war es auch nicht verwunderlich, dass während der WM die Stimmung bei jeder Fehlentscheidung hochkochte, sei es, weil ein Tor wegen einer falschen Abseitsentscheidung gegeben oder nicht gegeben wurde, oder weil Schiedsrichter und Linienrichter den Ball einfach nicht hinter der Linie gesehen hatten. Weil die Schiedsrichter schon eine Minute später wussten, dass ihre Entscheidung falsch war, als sie auf der Videoleinwand die Wiederholung sahen, allerdings nach den Regeln trotzdem ihre Entscheidung nicht ändern durften, folgte eine Diskussion über die Einführung des Videobeweises.
Mit Hilfe von Videobeweisen wäre oft anders entschieden worden. Aber mit Hilfe moderner Technik wäre es gar nicht erforderlich, dass der Schiedsrichter für ein paar Minuten das Spiel unterbricht und sich in eine kleine Fernsehkabine zurückzieht. Das für die sehr spezielle Situation des nicht gegebenen Tores vom Frank Lampard deutlich vorteilhaftere System, der Chip im Ball, spielte in der Diskussion allerdings kaum eine Rolle.
Die ernsthafte Diskussion darüber, was an technischen Entscheidungshilfen für die Unparteiischen möglich wäre, lässt nach wie vor auf sich warten – technisch wäre es jedenfalls kein Problem, im Equipment der Spieler Sender unterzubringen, mit deren Hilfe die genaue Position jedes Schuhs, Balls und auch Torwarthandschuhs in Echtzeit ermittelt werden können. Und für Chips an Spielerhänden und -köpfen findet sich bestimmt auch eine Befestigungsmöglichkeit.
Apropos Spielerhände. Groß war auch der Aufschrei, als der Schiedsrichter alles richtig machte und den Uruguayer Luis Suarez in der letzten Minute der Verlängerung nach Handspiel auf der Torlinie vom Platz stellte und einen Elfmeter gab. Der Strafstoß wurde verschossen, weshalb viele Fans die Aktion von Suarez als unsportlich ansahen und ihn selbst als bösärtigsten Betrüger der Fußballgeschichte. Sogar Regeländerungen wurden gefordert, der Schiedsrichter solle in solchen Situationen gleich auf Tor entscheiden dürfen.
Da aber auch das wieder nur für die Zukunft gelten könnte, wurde gefordert, Suarez härter zu bestrafen, als es die Regeln in diesem Fall vorsehen, nämlich ihn für zwei statt für ein Spiel zu sperren. Suarez hat gegen die Regeln verstoßen, ja. Er hat nicht mehr und nicht weniger als die dafür vorgesehene Strafe bekommen; dass die in diesem Fall aus ghanaischer Sicht nicht dem Vergehen entsprach, ist verständlich.
Streng logisch werden Fouls und unsportliche Verhaltensweisen im Fußball allerdings traditionell nicht betrachtet: Podolski wäre von ARD und ZDF gefeiert worden, hätte er sich im Spiel gegen Spanien genau so verhalten wie Suarez und wäre die deutsche Mannschaft daraufhin ins Finale gekommen.
Dann allerdings hätte der Fan-Zorn ein anderes Objekt gefunden: Paul, den Oktopus, der dann nicht mehr alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft richtig getippt hätte. Noch ein Turnier wird Paul nicht schaffen, er ist schon zweieinhalb Jahre alt, und die Lebenserwartung eines gewöhnlichen Kraken beträgt maximal drei Jahre.
Was uns aber von dieser WM hoffentlich nicht erhalten bleibt, das sind die Vuvuzelas. Die Plastiktröten überschallten in der Vorrunde jedes Spiel, von Zuschauerreaktionen war nichts zu hören. Nur Englands Fans schafften es im dritten Gruppenspiel, die Trötenbrummer zu übertönen. Das Schlimme am gleichmäßigen Tröten: Wenn man einerseits so ein Fußballspiel nicht interessant genug findet, um 90 Minuten auf den Bildschirm zu starren, und gleichzeitig nicht unbedingt auf jede Erregung des Reporters reagieren möchte, dann sind die Aaas und Ooohs, das Klatschen, das Rufen und das Singen der Fans ganz wichtig, um bei schönen Angriffen dann doch noch zusehen zu können.