Hinterm Horizont

Weil Rock die ödeste Musik der Welt ist, soll jetzt mal von etwas anderem die Rede sein: von Volksmusik aus der Dominikanischen Republik und Post-Freejazz. Ja, da gibt es nichts zu lachen, Freundchen, der musikalische Horizont eines gebildeten Menschen sollte weiter reichen als nur bis zum Feierabendbierchen auf dem Tisch. Bachata etwa war lange Zeit eine aufregende, sozial stigmatisierte Unterschichtsmusik, bei der zu Gitarrenbegleitung von der Liebe, vom Schmerz und vom Saufen gesungen wurde. Die ergreifendsten Gassenhauer dieses verdrängten Genres, überwiegend in den sechziger und siebziger Jahren aufgenommen, wurden nun erstmals auf einem Album versammelt. Wie würde der Schmock schreiben? »Eine hei­ter-melancholische Reise in die musikalische Vergangenheit der karibischen Zuckerinsel«.
Der Portugiese Rafael Toral, der früher etwas schrecklich Langweiliges gemacht hat (Gitarre spielen mit Sonic Youth und John Zorn), ist gewissermaßen das radikale Gegenprogramm dazu. Auf seinem neuen Album befreit er die Klänge vom Terror der Konventionen, Muster und Schemata, die das alltägliche Musikgedudel so unerträglich machen, und fusioniert freimütig Freejazz-Improvisationen mit atonaler Pausenmusik und elektronischem Vogelgezwitscher. Fortwährend fiept oder rattert etwas, und irgendwo dazwischen trötet ratlos und verloren eine Posaune herum. Das ist nicht jedermanns Sache, aber ein Gottesgeschenk für Menschen, die die herkömmlichen psychedelischen Drogen schon alle ausprobiert haben.

Rafael Toral: Space Elements Vol.II. Staubgold
Various Artists: Bachata Roja – Acoustic Bachata from the Cabaret Era. iASO Records