Die Pläne zur Reform der Bundeswehr

Die Truppe soll zusammenrücken

Auch die Bundeswehr ist vom Sparkurs des Finanzministeriums betroffen. Dem Verteidigungsminister liefert der Spar­zwang ein willkommenes Argument für seine Pläne zur Reform der Bundeswehr.
Von

Kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause richtete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutliche Worte an seine Kollegen. Bei der Klausurtagung des Kabinetts auf Schloss Meseberg bei Berlin forderte er, jedes Ministerium habe seinen Beitrag zur Senkung der Staatsausgaben zu leisten. Der Finanzminister verkündete, dass für die Minister eine Zeit gekommen sei, in der viele schwere Entscheidungen getroffen werden müssten. Schäubles Vortrag endete mit der düsteren Prognose, dass liebgewordene Errungenschaften der Bundesrepublik nun auf dem Prüfstand ständen.

Der Bundesverteidigungsminister war der einzige aus der Ministerriege, der auf diese mahnenden Worte positiv reagierte. Beflissen wie ein Klassenprimus demonstrierte Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Einsicht und erklärte umgehend, dass sein Ressort selbstverständlich einen entsprechenden Teil der Sparvorgaben übernehmen werde. Eigentlich ist es auch in der Politik üblich, dass sich Ressortchefs gegen eine Kürzung ihrer Mittel wehren. Im Unterschied zu seinen Kabinettskollegen präsentierte sich Minister Guttenberg hingegen als ein Vorbild an Einsicht.
Die Bundeswehr wird einem Restrukturierungsprozess unterworfen, denn ein Großteil der vorhandenen Truppen ist in der derzeitigen politischen Situation schlicht nicht mehr vonnöten. Deutschland ist von Freunden umzingelt, der Kalte Krieg ist vorbei, und hieraus werden nun auch bei der deutschen Bundeswehr die Konsequenzen gezogen. Offensichtlich hatte Guttenberg schon einige Zeit vor der Klausurtagung damit gerechnet, dass auch sein Ministerium nicht von Sparmaßnahmen des Finanzministers verschont bleiben würde. Als er Ende Mai vor der Bundeswehrführungsakademie eine Rede hielt, erklärte er den versammelten Offizieren, dass die Bundeswehr jährlich »weit über eine Milliarde Euro« einsparen müsse. Der Verteidigungsminister kündigte an, dass nicht nur zahlreiche Kasernen geschlossen werden müssten, sondern auch große Rüstungsprojekte zur Disposition stünden. Als Guttenberg kurze Zeit später auch eine Senkung der Truppenstärke in Aussicht stellte, konnte er sich der Unterstützung von linken Gruppen und vielen Abgeordneten aus der Opposition sicher sein. Denn neben einer Verringerung der Ausgaben für neue Waffen der Bundeswehr stellte er auch die allgemeine Wehrpflicht in Frage. Agnieszka Malczak (Grüne), Mitglied im Bundesverteidigungsausschuss, äußerte sich entsprechend begeistert: »Die späte Einsicht des Verteidigungsministers, die Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee umzugestalten, folgt den jahrelangen Vorschlägen der Grünen.« Auch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung scheint eine Abschaffung des Wehrdienstes oder zumindest dessen Aussetzung zu begrüßen. Man könnte meinen, mit diesen Ankündigungen des Verteidigungsministers deute sich ein langsamer Rückzug von Bundeswehreinsätzen am Hindukusch oder am Horn von Afrika an. Denn wie sollte die Armee in Zukunft intervenieren, wenn ihr dazu bereits derzeit die finanziellen Möglichkeiten fehlen und diese wegen des Sparzwangs weiter eingeschränkt werden?

Die Pläne zur Neuausrichtung der Bundeswehr, die mittlerweile öffentlich zugänglich sind, haben jedoch eine deutlich andere Tendenz. Bei den Leitlinien für die geplante Reform geht es um eine konsequente Anpassung der Bundeswehr im Hinblick auf künftige Kampfhandlungen. Als Grundlage für die Umstrukturierung der Bundeswehr hat das Verteidigungsministerium politisch-militärische Trends für die kommende Dekade ausgemacht. So heißt es unter anderem, dass die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise die Möglichkeiten der westlichen Welt zur globalen Ordnungspolitik einschränken würden. Weiter ist dort zu lesen, dass mit einem Aufstieg neuer staatlicher Akteure zu rechnen sei, deren wachsendes politisches und ökonomisches Gewicht bisherige Werte, Normen und Interessen in Frage stellen würde. Bei der Umstrukturierung der Armee gehe es darum, einen neuen richtungweisenden Impuls zu geben, der die Funktion der Bundeswehr als Garant für die Sicherheit Deutschlands ebenso sicherstelle wie die Neuausrichtung auf künftige Risiken. Das Bundesverteidigungsministerium geht davon aus, dass es erforderlich sei, die »robusten« Fähigkeiten der Bundeswehr und die Durchhaltefähigkeit der Truppe weiter zu erhöhen. Ausgangspunkt für diese Entwicklung sollen die bereits geschaffenen Battle Groups der EU oder die Response Force der Nato sein. Beide Truppen wurden gegründet, um Militär innerhalb von kürzester Zeit an jeden Ort dieser Welt verlegen zu können. Zu solchen internationalen Einsätzen möchte Deutschland einen entsprechenden Beitrag leisten. Im Zentrum der Pläne des Verteidigungsministeriums steht der Wunsch, die Bundeswehr in die Lage zu versetzen, selbst solche multinationalen Einsätze zu führen. Galt es bislang immer noch als zentrale Aufgabe der Bundeswehr, mit der Hilfe von Wehrpflichtigen die Landesverteidigung sicherzustellen, ist nun geplant, die Prioritäten zu ändern. Die Landesverteidigung würde dabei zu einer nachrangigen Aufgabe. Nach der geplanten Reform wird die Bundeswehr eine Einsatzarmee sein, vergleichbar mit dem US-amerikanischen oder britischen Militär. Ein Rückzug aus dem »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« scheint demnach nicht anzustehen.

Der Verteidigungsminister möchte die Stabslastigkeit der Truppe reduzieren. Als einer der ersten Schritte ist vorgesehen, sechs neue Infanteriebataillone mit etwa 3 500 Soldaten aufzustellen. Als Begründung für diese Maßnahme wurde das Fehlen von Fußtruppen in Afghanistan angeführt. Die Differenzierung zwischen Eingreiftruppen und Stabilisierungstruppen bezeichnete Guttenberg als eine »Lebenslüge« der Bundeswehr. Der Bundeswehrverband kommentierte diese Äußerung mit den Worten: »Wir brauchen weniger Häuptlinge und mehr Indianer.« Bei der anstehenden Bundeswehrreform ist offenbar auch geplant, die Stellung des Generalinspekteurs zu der eines Generalstabschefs auszuweiten, dem die Befehlshaber der Teilstreitkräfte unterstellt werden sollen. Als die Bundeswehr 1955 gegründet wurde, wählte man wegen der Rolle des Militärs im Nationalsozialismus eine andere Kommandostruktur, ein nationaler Generalstab war nicht erwünscht.
Im Zuge des Sparzwangs baut Guttenberg die Bundeswehr konsequent zu einer im Ausland einsatzfähigen Armee um. Diese Zielsetzung deutet sich seit längerem an, so bemängelte der Verteidigungsminister schon im Frühjahr, dass bei einer Gesamttruppenstärke von 250 000 die Grenze der Leistungsfähigkeit bereits erreicht sei, wenn 7 000 bis 9 000 Soldaten im Einsatz seien. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist daher nur konsequent. Denn Wehrpflichtige können nur in seltenen Fällen international eingesetzt werden und stellen somit ein Hindernis bei den Reformplänen dar. Ob die Wehrpflicht nun ausgesetzt oder abgeschafft wird, spielt dabei keine Rolle. Relevant für Minister Guttenberg ist einzig und allein, dass die Bundeswehr in Zukunft über neue Mittel und Möglichkeiten für internationale Einsätze verfügen wird. Der Sparzwang dient dabei als willkommenes Argument für den Umbau der Armee. Die Einsicht des Ministers in die Sparzwänge erklärt sich anders, als einige Friedensaktivisten meinen.