Über die Korkenproduktion Portugals

Stöpsel für die Welt

Portugal exportiert nicht nur Wein. Auch die zum Verschließen der Flaschen benötigten Korken stammen oft von hier. Das Land ist der wichtigste Lieferant dieser Naturware. Der Rohstoff wächst an rund 60 Millionen Eichen, die vor allem im sonnigen Süden des Landes stehen. Viele davon in Portugals größter Provinz – dem Alentejo.

Eine Zehn schimmert auf dem Stamm der Korkeiche. Der Baum wurde vor ein paar Tagen frisch geschält, und nun ist der blanke, rötliche Stamm zu sehen. Er steht, wie viele andere, an der Straße zwischen Vila Nova de Milfontes und Odeceixe. Die Route führt nahe der Küste durch den Alentejo, die oberhalb der Algarve liegende Region Portugals, die von Olivenhainen, Getreidefeldern, Milchviehwirtschaft und der Korkeiche gekennzeichnet ist. Alljährlich zwischen Mai und September ziehen die Bauern durch die weitläufigen Plantagen und schälen die markierten Bäume. Das Wissen, wie man die Bäume von ihrer Rinde befreit, ohne sie zu verletzen, wird von Generation zu Generation weitergegeben. »Das hat genauso eine lange Tradition wie der Verkauf von Korkprodukten auf dem internationalen Markt«, sagt Carlos de Jesús von der Firma Amorim, dem wichtigsten Korkproduzenten der Welt.

Das Unternehmen unterhält am Rande des Alentejo eine Korkfabrik. Dahin geht die frische Rinde, wenn sie einige Wochen auf den eingezäunten Trockenplätzen gelagert wurde, die sich überall in der Region finden. Lange Reihen mit den dunklen Rindenabschnitten sind dann zwischen der Gemeinde Comporta im Norden und dem Städtchen Aljezur im Süden Alentejos zu sehen. Die größte portugiesische Provinz ist nach wie vor von der Landwirtschaft geprägt, ist aber auch für Olivenöl, Wein und Käse bekannt. Der Kork aber hat die Region berühmt gemacht – nicht erst, seitdem aufgrund des wachsenden Geschäfts seit dem Ende der neunziger Jahre der Bedarf nach Weinkorken stark zugenommen hat. Maßgeblichen Anteil daran hatte José Saramago.
Portugals kürzlich verstorbener Literaturnobelpreisträger zog 1976 in das Kollektiv »Unidade Colectiva de Produção Boa Esperança« in Lavre. Das kleine Dorf im Norden des Alentejo hat ihm zu seinem literarischen Durchbruch verholfen, indem es ihn zu seinem Roman »Hoffnung im Alentejo« inspirierte. Und in der rauen, teils kargen Region ist, so Saramago, »der Erzählstil entstanden, der meine Romane charakterisiert«. Ganz nebenbei hat der Großmeister der portugiesischen Literatur auch der Korkeiche ein literarisches Denkmal gesetzt, denn in der Region um Lavre wurde er auch Zeuge des Schälens. Die Korkeiche steht »in vollster Lebensblüte – obwohl es wegen ihrer Massigkeit nicht so scheint –, wenn ihr die Haut in Fetzen abgerissen wird«, schreibt er.

Alle neun Jahre wird einer Korkeiche die Rinde abgezogen. An dem Procedere hat sich in den letzten 3 000 Jahren kaum etwas geändert. Wie damals hantieren die Bauern auch heute mit Beil und langen Messern. Maschinen lässt man nicht an die Bäume. Denn keine Maschine kann erkennen, wie dick oder dünn die Borke ist, also wie viel Kork geschält werden darf, ohne den Baum zu verletzen. »Ein paar zu tiefe Schnitte können dafür sorgen, dass die wertvolle Eiche anfängt zu faulen«, sagt Carlos de Jesús. Etwa ein Dutzend Mal wird eine Korkeiche in ihrem rund 150jäh­rigen Leben geschält. Die Firma Amorim vertraut auf Bauern, die das Schälen vom eigenen Vater erlernt haben und jedes Jahr zwischen Mai und September ein paar Tage lang für Portugals Korkunternehmen arbeiten. Allerdings ist das Schälen der Laubbäume, die viel Sonne brauchen und deswegen nicht dicht an dicht stehen, traditionell ein Nebenerwerb. Zweimal im Jahr gibt es Arbeit in den Korkeichenwäldern des Alentejo – im Frühjahr, wenn die Bäume beschnitten werden, und im Sommer, wenn die Ernte der dunklen, fast schwarzen Rinde ansteht. Zum ersten Mal darf die Rinde von einer Korkeiche geerntet werden, wenn sie 25 Jahre alt ist, dann muss neun Jahre gewartet werden, bis erneut geschält werden darf.
Deshalb werden die Bäume markiert. Das ist wichtig für die Qualität. Minderwertiger Korken sorgt für Reklamationen, den muffigen Geschmack eines verkorkten Weins fürchtet jeder Weintrinker. Das wissen die Produzenten in Portugal, woher rund die Hälfte der Korkproduktion stammt. Das Unternehmen Amorim hat eigenen Angaben zufolge um der Qualität willen mehr als 40 Millionen Euro investiert. So wurde auch der ökonomische Erfolg anderer Verschlüsse, vom Kronkorken bis zum Plastikpfropfen, vorerst beschränkt. Rund 70 Prozent der Weinflaschen sind heute mit dem Naturprodukt verkorkt. Etwa 75 Prozent der jährlich weltweit erzeugten zehn Milliarden Weinkorken stammen aus Portugal. »Cortiça« heißt der Korken auf Portugiesisch, und die feinste Ware kostet zwei Euro pro Stück. Preise, die gezahlt werden, denn ein guter Korken gilt immer noch als Qualitätsmerkmal eines guten Weins.

Auch als Dämmstoff ist Kork wieder populär. Wasserundurchlässig und gut zu verarbeiten sind nur wenige der Materialien, die derzeit zur Wärme- oder Schalldämmung angeboten werden. Die Landschaft, die den portugiesischen Süden prägt, hat also gute Chancen, erhalten zu bleiben. Obendrein sind die Korkeichenwälder die Heimat zahlreicher seltener Tierarten wie dem Pardelluchs oder dem spanischen Kaiseradler. Auch das ist ein Grund für den Erhalt der Korkwälder. Dieses Argument wird von der Firma Amorim und anderen Korklieferanten gerne ins Feld geführt, um das wachsende Geschäft mit den billigeren Schraubverschlüssen und Kunststoffkorken einzudämmen. Und mit dem Dämmen kennt sich das Unternehmen ja schließlich aus. Die Zuwachsraten beweisen das. Vorerst ist die Existenz von Portugals Korkwäldern sicher, wenigstens solange Geld mit ihnen zu verdienen ist.