Volksentscheid über kostenlose Kinderbetreuung in Hamburg

All inclusive für die Kleinen

Die Gebühren für Kindertagesstätten ­setzen vielen Eltern in Hamburg zu. Ein Volksentscheid über die kostenlose ­Kinderbetreuung soll das ändern.

Es war gerade etwas ruhiger um die Bildungspolitik in Hamburg geworden. Das dürfte dem Senat nur recht gewesen sein, schließlich hat er mit seinem geplanten Sparprogramm schon genug zu tun. Doch ein geplanter Volksentscheid könnte der Regierung weitere finanzielle Schwierigkeiten bereiten. Der Hamburger Landeselternausschuss (LEA), die Interessenvertretung der etwa 67 000 Kindergartenkinder und ihrer Eltern, fordert die Einführung einer kostenlosen, sechsstündigen Tagesbetreuung für alle Kinder ab zwei Jahren. Außerdem sollen keine pauschalen Beträge mehr erhoben werden, etwa für das Mittagessen. Das gesamte Vorhaben würde die Stadt etwa 200 Millionen Euro zusätzlich im Jahr kosten.
Für Claudia Wackendorff, die Sprecherin des LEA, ist der kostenlose Besuch einer Kindertagesstätte nur die logische Konsequenz der Forderung nach mehr Ausgaben für die Bildung. »Es ist doch fraglich, warum die Schule in Deutschland kostenlos ist, die Bildungseinrichtung Kita jedoch nicht«, sagt Wackendorff. Sie möchte die Hamburger darum gerne darüber abstimmen lassen, wofür ihre Steuern ausgegeben werden: für Prestigeprojekte wie die Elbphilharmonie oder eben den kostenfreien Besuch der Kita. Dieser soll Wackendorff zufolge allein aus Steuern finanziert werden.

Die Antwort des Senats ließ nicht lange auf sich warten. Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) bezeichnete das geplante Volksbegehren des LEA auf dem CDU-Landesparteitag Ende September als »unverantwortlich« und warf den Initiatoren vor, das »Instrument der direkten Demokratie« zu missbrauchen. Der Verdi-Landesvorsitzende Wolfgang Rose reagierte seinerseits prompt und warf dem Bürgermeister eine »politische Hexenjagd« auf die engagierten Eltern vor.
Diese hatten zuvor monatelang mit der Hamburger Regierungskoalition über eine Verbesserung der Lage in den Kitas verhandelt – ohne Erfolg. Der Senat erhöhte die Kita-Gebühren sogar noch drastisch. Einen Volksentscheid anzumelden, scheint den Initiatoren deshalb das wirksamste Mittel zu sein, um die Regierung zur Einsicht zu bewegen. Für Claudia Wackendorff besteht auch nach wie vor die Möglichkeit, wieder zu verhandeln: »Wir sind weiterhin gesprächsbereit und sagen auch ganz eindeutig, dass unsere Forderungen nicht sofort umgesetzt werden müssen. Wir können uns auch ein Stufenmodell vorstellen.«
Doch der Senat hat sich bislang nicht erneut an die Initiative gewandt. Er hofft womöglich darauf, dass sich der Volksentscheid juristisch nicht durchsetzen lässt. Es ist nämlich unklar, ob die Elterninitiative überhaupt zu einem Entscheid zur Abschaffung der Elternbeiträge aufrufen kann. Verfassungsrechtler zählen die Kita-Gebühren zu den öffentlichen Abgaben und somit zu den Haushaltsangelegenheiten. Über diese darf ein Volksentscheid nach Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung nicht bestimmen. Die Initiative sieht das anders. »Uns berät ein Juraprofessor, der eindeutig gesagt hat, dass der Volksentscheid rechtens ist«, meint Wackendorff.

Der LEA muss nun zunächst 10 000 Unterschriften sammeln, die nötig sind, um einen Volksentscheid anzumelden. Die engagierten Eltern hätten dazu sechs Monate Zeit, die sie jedoch nicht verstreichen lassen wollen. Ende Oktober soll der erste Schwung an Unterschriften gesichtet werden. »Wir sind in der Sammelphase. Es plätschert jetzt so vor sich hin. Im Postfach haben wir schon 2 000 Unterschriften«, sagt Wackendorff. ­Eines hat die Initiative auf jeden Fall schon erreicht: Die Probleme in der Kinderbetreuung sind ein Gesprächsthema. »Durch die Gebührenerhöhungen im Kita-Bereich ist die soziale Schieflage schon jetzt unerträglich. Viele Eltern können sich die Kita einfach nicht mehr leisten«, berichtet die Sprecherin. Die Forderung »Kita für alle« dürfte deshalb in Hamburg auf jeden Fall Gehör finden.