Das Verhältnis der Republikaner zur Tea-Party-Bewegung

Freakshow gegen die da oben

Die Rechten mobilisieren gegen Obama. Aber ob die Tea-Party-Bewegung eher eine Unterstützung für die Republikaner ist oder eine Konkurrenz, darüber besteht auch bei den Republikanern selbst keine Einigkeit.

Eigentlich müssten die Republikaner bester Dinge sein: Galt die Partei nach Barack Obamas Wahlsieg noch bis auf Weiteres als abgeschrieben, deuten nun alle Umfragen darauf hin, dass sie bei den Midterm Elections am 2. November als klarer Sieger hervorgehen, vielleicht sogar sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat die Mehrheit erringen wird. Die Stimmengewinne kommen in einem Wahlkampf zustande, in dem Politik als ein »Show-Business für Verrückte« (Huffington Post) erscheint und vor allem Kandidaten, die von der Tea-Party-Bewegung in die Reihen der Republikaner gespült wurden, den Freak-Faktor erhöhen.
Betrachten wir einige illustrative Beispiele für den, milde ausgedrückt, etwas nonkonformistischen Charakter der populistischen Kandidaten, die verständlich machen, weshalb nicht alle Republikaner die Neulinge als Bereicherung für ihre Partei ansehen: »Ich bin keine Hexe!« – So beginnt der Wahlkampfspot von Christine O’Donnell, die republikanische Kandidatin für den Senat aus Delaware. O’Donnell reagierte damit auf die Verbreitung von Aufnahmen aus Talkshows in den neunziger jahren, in denen sie gesteht, sich früher in Hexerei versucht zu haben. Ihre damals ebenfalls geäußerte Überzeugung, Masturbation sei eine Sünde gegen Gott, hat sie allerdings noch nicht zurückgenommen. Auch Linda McMahon kandidiert für den Senat. Dass sie früher Chefin von World Wrestling Entertainment gewesen ist, spricht nicht gegen sie. Dass sie allerdings bei WWE-Events zur Unterhaltung des Publikums Prügelszenen mit ihrem Mann inszenierte und gar – nur zur Show, versteht sich – die Vergewaltigung ihrer Tochter simulieren ließ, beunruhigt dann doch einige republikanische Politprofis. Fügt man noch Rich Lott hinzu, Kandidat in Ohio, der sich bei der Gruppe Wiking damit vergnügt hat, in SS-Uniform Szenen des Zweiten Weltkriegs nachzuspielen, bekommt man ein zwar immer noch unvollständiges, aber aussagekräftiges Bild, welch schillernde Individuen die US-Politik derzeit beleben.

Parteistratege Karl Rove sah das Unheil schon im Februar auf die Republikaner zukommen und warnte: »Die Republikanische Partei ist gut beraten, wenn sie jedem Versuch, sie mit der Tea-Party-Bewegung zu verschmelzen, aus dem Weg geht. Die Republikaner können unmöglich die Dynamik dieser extrem dezentralisierten Galaxie von Gruppen, die die Tea-Party-Bewegung ausmachen, kontrollieren. Es würde zu beunruhigenden Exzessen kommen, die den Republikanern schaden, wenn sie formell mit den Tea-Party-Gruppen verbunden sind.« Diese Mahnung war auch an Sarah Palin gerichtet, die sich dadurch aber nicht davon abhalten lässt, regelmäßig mit der Tea-Party-Bewegung gemeinsame Sache zu machen – ob als Wahlkampfhelferin für deren Kandidatinnen und Kandidaten oder als eine der Hauptrednerinnen bei der Massenversammlung »Restore Honesty« des rechten TV-Moderators Glenn Beck (Jungle World 19/2010) in Washington.
Palins Changieren zwischen Parteipolitik und Bewegungsaktivismus scheint symptomatisch für den Zustand der amerikanischen Rechten. Seit dem Ausscheiden von George W. Bush aus dem Präsidentenamt konnte sich kein Politiker als Repräsentant der Konservativen etablieren. Der Vorsitzende des Republican National Committee zum Beispiel, Michael Steele, ist über Parteikreise hinaus kaum bekannt. Stattdessen sind es Figuren wie Glenn Beck oder auch der Radiomoderator Rush Limbaugh, die auf eigene Faust in den Medien Stimmung machen – gegen die »Elite«, die Obama-Regierung und drohenden »Sozialismus«.
Unklar ist jedoch, wohin sie die Konservativen letztlich treiben wollen und welche Rolle sie selbst dabei abstreben. Bislang jedenfalls streben sie in keine politischen Ämter. Auch hier hat wohl Karl Rove die Tea-Party-Bewegung richtig eingeschätzt: Im Kern seiner Mahnung an die Republikaner stand, dass die Bewegung außerhalb des Parteienspektrums agiert, also auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Republikaner darstellt. Rove empfahl deshalb, die Aktivisten der Tea Party aus der etablierten Politik fernzuhalten und die Bewegung zu isolieren.
Etwas schärfer, aber in eine ähnliche Richtung, äußerte sich nun – ausgerechnet auf dem die Tea-Party-Bewegung unterstützenden Fernsehsender Fox – auch Arnold Schwarzenegger, den man mittlerweile zu den seriöseren Politikern der Republikaner zählen muss: Die Tea-Party-Bewegung werde »nirgendwo hinführen«, sie sei »nur ein Ausdruck von Wut und Enttäuschung«. Bis die Wirtschaft sich erhole, werde »die Tea Party noch kurz aufblitzen und dann verschwinden«. Doch bei Schwarzeneggers Distanzierung dürfte angesichts der in diesem Wahlkampf entstandenen Zusammenarbeit der Republikaner mit der Tea-Party-Bewegung auch einiges an Wunschdenken mitschwingen.
Der Demokrat Eliot Spitzer, ehemaliger Gouverneur von New York, trifft einen Punkt, den Schwarzenegger übergeht: die programmatische und konzeptionelle Schwäche der Republikaner. »Und was bieten die Republikaner jetzt? ›The Pledge to America‹, das Leitdokument der aufsteigenden Tea Party und der wieder auferstehenden Republikanischen Partei, ist so fad, wie man es sich nur vorstellen kann«, charakterisiert er das »Gelöbnis an Amerika«, das zentrale Wahlkampfpapier, mit dem die Republikaner im Kongress die diffuse Protestbewegung ins Boot holen wollen. Der Text steckt voller Anbiederungen an die Tea-Party-Bewegung, auch wenn diese nicht explizit genannt wird, und reproduziert deren pathetisch-populistische Floskeln, wie zum Beispiel: »Eine arrogante und abgehobene Regierung selbsternannter Eliten trifft Entscheidungen, verteilt Mandate und erlässt Gesetze, ohne den Beitrag der Vielen anzunehmen oder einzuholen. (…) Wie schon freie Menschen in der Vergangenheit verweigern auch unsere Bürger einer Regierung die Zustimmung, die glaubt, den Willen der Bevölkerung durch ihren eigenen ersetzen zu können. Das amerikanische Volk meldet sich zu Wort und verlangt, dass wir unser Land wieder auf den Kurs seiner Gründungsprinzipien bringen.«

Der Populismus der Republikaner scheint kaum Grenzen zu kennen – und auch keine Scham, wenn sie in dem Dokument klagen: »Washington hat nicht zugehört. Die Politiker in Washington haben eine Agenda durchgesetzt, die nicht die Prioritäten des Volkes widerspiegelt. Schlimmer ist noch, dass die meisten wichtigen Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden, wo hektisch in Hinterzimmern ausgehandelte Vereinbarungen den Willen des Volkes ersetzen. So viel ist klar: Es ist an der Zeit, diese alte Politik abzuschaffen.« Für diese »alte Politik« stehen sie als meist langjährige Kongressabgeordnete immerhin auch selbst. Im Übrigen hat vor zwei Jahren Barack Obama seinen Wahlkampf gegen die Republikaner auf ähnliche demokratietümelnde Anti-Establishment-Sprüche aufgebaut – womit nun im Prinzip beide Parteien gegen sich selbst Front bezogen haben.
Kein Wunder, dass sich eine weitere Initiative zu Wort gemeldet hat: In Anspielung auf Glenn Becks »Rally to Restore Honesty« wurde die »Rally to Restore Sanity« – eine »Versammlung zur Wiederherstellung der Vernunft« – für den 30. Oktober (»ein Datum ohne jede Bedeutung«, wie die Veranstalter betonen) in Washington angekündigt, bei der beinahe programmatisch nichts Aufregendes passieren soll: »Stell dir unsere Versammlung wie Woodstock vor, nur dass Nacktheit und Drogen ersetzt werden durch respektvolle Meinungsverschiedenheit.« Organisator ist ein weiterer Moderator, Jon Stewart von »The Daily Show« – passenderweise eine Comedy-Sendung.