Raucherecke

Contra Pro vorm Rathaus

»Hier wird heute eine neue Partei gegründet. Pro Deutschland.« »Aha, und was ist das für eine Partei?« Ich gebe mich ahnungslos. »Ja det is, weil sich ja jetzt in immer mehr Großstädten die natio­nale Bewegung sammelt«, erzählt der grauhaarige ältere Herr in verwaschener Jeanshose und blauem Strickpullover. Er lehnt am Metallgeländer gegenüber dem Neuköllner Rathaus und beobachtet die Kundgebung gegen die an diesem Freitag geplante Gründung des Ortsverbands Neukölln von Pro Deutschland. »Ich wohne jetzt 30 Jahre in Neukölln. Kommen Sie aus Neukölln? Nein? Dann wissen Sie nicht, dass ich hier eine unterdrückte Minderheit bin«, erzählt er weiter. Eine Stunde später steht er immer noch da.
Auf der anderen Straßenseite hat die Polizei nicht nur das Rathaus Neukölln, sondern gleich die halbe Gegenkundgebung großzügig mit Hamburger Gittern umzäunt. Die Linkspartei, die DKP, Grüne und SPD, ein paar Antifas und Jungautonome und die Verdi-Betriebsgruppe aus dem Rathaus – sie alle haben Vertreter zur Kundgebung geschickt. Doch die Kundgebung wirkt eher wie eine Pflichtübung, die richtig heiße Proteststimmung kommt nicht auf. »Komm, wir packen wieder ein und fahren, ist zu wenig los hier«, meint enttäuscht ein Journalist vom RBB, der mit einem Kamerateam gekommen ist. »Das Ding ist ja auch, die Übergriffe der Rechtsextremen in Neukölln haben zugenommen«, erzählt eine Frau im Vorbeigehen ihrem Partner. Eine minimale Außenwirkung hat die Kund­gebung anscheinend doch, auch wenn konsequent darauf verzichtet wird, das Laufpublikum anzusprechen. Später treffen dann etwa 30 Sympathisanten von Pro Deutschland ein und gründen im hermetisch abgeriegelten Rathaus den Ortsverband Neukölln von Pro Deutschland. In ganz Berlin will Pro Deutschland nun Verbände gründen und dann zur Abgeordneten­hauswahl 2011 antreten, trotz Konkurrenz von NPD und der neuen »Freiheitspartei« von René Stadtkewitz.