Bloß keine Vorurteile pflegen

Bei Naziaufmärschen funktioniert es mit dem »Engagement gegen Nazis« in Leipzig schon ganz gut. Wenn, wie anlässlich der Naziaufmärsche vom 16. Oktober, der Stadtrat seine Bürgerinnen und Bürger auffordert, sich doch bitte den »gewaltfreien Protesten« anzuschließen, kann man ja nicht viel falsch machen. Bei der Demonstration anlässlich der Ermordung des 19jährigen gebürtigen Irakers Kamal K. fällt es den Leipzigern aber offenbar schwerer, »Gesicht zu zeigen«. Einer der Täter ist im Zusammenhang mit neonazistisch motivierten Straftaten aktenkundig, einer der beiden trug bei der Tat einen Pulli mit der Message »Kick off Antifascism«. Aber die Leipziger wollen sich nicht zu »vorschnellen Urteilen« hinreißen lassen. Bei der Demonstration unter dem Motto »Angst und Trauer überwinden – Zusammen gegen Rassismus kämpfen«, die am Donnerstag vergangener Woche stattfand, blieb die große Masse der Leipziger Nazigegner daher lieber zu Hause.
Vielleicht lag es auch an der Macht der Gewohnheit. Immerhin gab es seit 1990 in Leipzig bereits fünf Todesopfer durch rechte Gewalt. Außerdem hat die Leipziger Volkszeitung darauf hingewiesen, dass Kamal K. selbst »polizeibekannt« war und die Täter wohl »unter Alkoholeinfluss« standen. Es sei also »hilfreich«, die Ermittlungen abzuwarten, so der sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo. Um nicht »vorschnell zu urteilen«, hielten sich die Mehrheit der Leipziger Politikerinnen und Politiker und teilweise auch die ortsansässigen Initiativen gegen Rechts bedeckt und riefen nicht zur Teilnahme an der Demonstration auf. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nur etwa 1 200 Personen durch die Leipziger Innenstadt zogen. Aber ignorant sind sie nicht, die Leipziger: »Sprecht Deutsch!« forderten Passanten von den Teilnehmenden des Trauerzugs, der anlässlich der Beisetzung Kamals durch die Stadt zog. Ihnen war nicht entgangen, dass hier auch Arabisch gesprochen wurde. Und, das riecht definitiv nach Integrationsverweigerung.