Über die Sprengpakete aus Griechenland

Gegen das Volk

Die griechische Gruppe »Verschwörung der Feuerzellen« wird für die Versendung mit Schwarzpulver präparierter Postsendungen verantwortlich gemacht. In ihren Texten skizziert sie eine Kritik der anarchistischen Ideologie und eine Generalabrechnung mit der etablierten Linken.

Stehen auch die letzten Bastionen des traditionellen Bürgertums kurz vor der Kapitulation? Diesen Eindruck gewinnt man fast, wenn in der FAZ am Montag eine respektvolle Eloge auf die »glänzend geschriebene« Broschüre der revolutionären Insurrektionalisten vom »Unsichtbaren Komitee«, »Der kommende Aufstand«, erscheint, die gegen die Schrift nur besorgt einzuwenden hat, dass im Falle eines – offenbar für durchaus möglich gehaltenen – Erfolgs die Revolutionäre skrupellosen kriminellen Banden unterliegen könnten: »Nach dem Gewaltmonopol des Staates, nach dem Privateigentum (…) blüht höchstens ein sehr kurzer Sommer der Anarchie.« Auch der nach der Serie von unter anderem an Angelika Merkel adressierten Sprengpakete nach Athen geschickte Welt-Redakteur versucht, die Anarchisten, die er dort antrifft, zu verstehen: Korruption, Versagen der Justiz, sozialen Niedergang findet er als mögliche und nachvollziehbare Motivationen für die Radikalisierung einer »Generation ohne Zukunft«.
Außer dass sie die ihnen gezollte Anerkennung als weiteren Beleg für ihe Einschätzung, diese Zivilisation befinde sich kurz vor dem Untergang, nehmen können, werden solche Reaktionen die »Verschwörung der Feuerzellen«, das »Unsichtbare Komitee« und all die Gruppen und Individuen, die sich in Europa, den USA oder auch in Lateinamerika einem nihilistisch, individualistisch, anarchistisch sich nennenden Insurrektionalismus verschrieben haben, nicht weiter interessieren. Über die Welt der »totalitären Demokratie« haben sie ihr Urteil längst gesprochen und damit auch über deren journalistische Äußerungsform. Ihnen geht es »nur« noch darum, dieses Urteil zu exekutieren. Der Weg dorthin führt für die »Verschwörung der Feuerzellen« über eine radikale Erneuerung des revolutionären Milieus: Ihre Kommuniqués seien »keine feindliche Stellungnahme gegen die Anarchie, sondern im Gegenteil eine Kritik der anarchistischen Ideologie, ein Bruch mit dem Niedergang des alternativ-anarchistischen Lebensstils; in wenigen Worten: eine Revolution in der Revolution«.
Dieses ambitionierte Projekt gehen sie auch in Form einer Generalabrechnung mit der etablierten Linken an, die ihnen nur noch Objekt der Polemik ist. »Mögen die Hyänen der Solidarität nicht ihre Krallen an uns legen; mögen die Leute mit guten Absichten, die ›Älteren‹, die, ›die alles wissen‹, die Mutter Teresas und dieser ganze Abschaum sich mit leichteren und gefügigeren Opfern beschäftigen«, proklamieren sie anlässlich der Verhaftungen, die es auch schon vor den beiden Festnahmen vorige Woche in Griechenland reichlich gab. Hier handelt es sich nicht um eine Radikalisierung der Stuttgart-21- oder Castor-Proteste mit militanten Mitteln. Auch der FAZ-Autor stellt mit Erstaunen fest: Diese Proteste sind »gar keine Konkurrenz zum unsichtbaren Linksterrorismus«. Vielmehr erteilt die »Verschwörung der Feuerzellen« solchen Äußerungen des empörten Bürgerwillens eine Kampfansage: »Die Geschichte hat gezeigt, dass wir kein Vertrauen in die Meinung der Massen haben sollen. Die Menschen, die bereitwillig die Bezeichnung ›das Volk‹ für sich übernehmen und als Teil derer sprechen wollen, die sagen ›Wir das Volk, das für alles bezahlt‹, geben jedes kreative Selbstvertrauen auf und lassen sich von den Täuschungen ihrer Anführer treiben.« Nein, Volksherrschaft wollen diese resoluten Desperados keinesfalls, stattdessen eine – auch bewaffnete – »Kritik der Politik«: »Wenn es heutzutage undenkbar erscheint, sich gegen die Demokratie auszusprechen, ohne als Konservativer oder Faschist bezeichnet zu werden, liegt das an der Propaganda, die in den Häusern und Köpfen der Subjekte der Demokratie sitzt.«