Klauen erwünscht

Wer sich länger mit Clubmusik beschäftigt, kennt wahrscheinlich gute und schlechte Tage. Die guten sind solche, in denen man zum Jubeln neigt. Da hört man dann zum Beispiel das neue Album von Shed, »The Traveller«, und möchte den Mann herzen und küssen. Für seine Kompromisslosigkeit, den Verzicht auf die gerade Bassdrum, die spröde Räumlichkeit, die Reduktion aufs Wesentliche. An Tagen des Überdrusses hört man die epigonalen Tendenzen: die Atmosphäre ist bloß geklaut – bei Juan Atkins, Robert Hood, Sterac. Wieder mal.
Nüchtern betrachtet verhält es sich wohl so: Die Ausdifferenzierungen schreiten zwar fort, aber da die Grenzen im Techno und House einigermaßen eng gesteckt sein müssen, kommt es zwangsläufig zu Wiederholungen. Womit wir bei Christopher Raus schönem Album »Asper Clouds« wären, das man vor gut zehn Jahren wahrscheinlich als »Tech-House«-Produkt willkommen geheißen hätte. Nur benutzt diesen Begriff heute kaum noch jemand.
Typisch waren damals und sind heute, bei Rau, einfache (House-)Melodien und eher feine Flächen mit hypnotischer Wirkung. Auch der Gebrauch von einigen Ur-Sounds wie der Open-Hi-Hat passt ins Bild. Insgesamt ist »Asper Clouds« filigran und reduziert, kommt mit wenigen, leicht technoid wirkenden Rhythmuspatterns und Percussionzutaten aus. Das Album fließt heiter melancholisch, stellenweise sehr meditativ dahin. Man tanzt träumend dazu. Und wenn einem der eine oder andere Detroit-House-Produzent als Pate dabei erscheint, so ist das durchaus erwünscht.

Christopher Rau: Asper Clouds (Smallville)Shed: The Traveller ­(Ostgut Ton)