Ein internationaler Kongress gegen die Islamisierung in Paris

Ein Feind, ein guter Feind

Illustres Publikum aus ganz Europa fand sich in Paris zu einem »Kongress gegen die Islamisierung unserer Länder« ein. Der Hass auf muslimische Einwanderer brachte Personen und Gruppen zusammen, die sich sonst nicht viel zu sagen haben.

Es geht nichts über einen gemeinsamen Feind, um unter Leuten, die sonst wahrscheinlich nicht sehr viel miteinander gemein hätten, Verbindungen zu stiften. Was hätten eine Feministin, einzelne Mitglieder der Kabylen – Berber aus Nordafrika, die Wert darauf legen, nicht zu den Arabern gerechnet zu werden –, rechte Juden, rechtsextreme Fußballhooligans vom Club Paris Saint-Germain und ein neofaschistischer Präsidentschaftskandidat sonst miteinander zu schaffen? Mit ­einem gemeinsamen Feind kommt es zu unerwarteten Annäherungen. Die Feinddefinition ist klar: Die Muslime sind die Bösen, sie überschwemmen, ja besetzen Europa, nehmen den Einheimischen die Arbeitsplätze weg, sind kriminell und so weiter.

Nicht jeden Tag sieht man die oben genannten Personen und Gruppen gemeinsam in einem Saal sitzen wie am Samstag im 12. Stadtbezirk von Paris. Etwa 1 000 Personen aus halb Europa sowie Gastredner aus Russland und den USA zog der »Kongress gegen die Islamisierung unserer Länder« an, der einen ganzen Tag dauerte. Verpflegt wurden die Anwesenden mit Schweineschinken-Sandwiches und Rotwein von der rechtsextremen Vereinigung Solidarité des Français (SDF). Diese Gruppe, die zur neofaschistischen Organisation Bloc identitaire gehört, hat in den vergangenen Jahren durch ihre Armenspeisungen von sich reden gemacht: Sie bot Pariser Obdachlosen im Winter eine »Schweinesuppe« an, was es sowohl Muslimen als auch Juden unmöglich machte, an der Verköstigung teilzunehmen. Der Bloc identitaire selbst war auf dem Kongress mit seinem »Präsidentschaftskandidaten«, Arnaud Gouillon, und seinem Vorsitzenden, Fabrice Robert, vertreten, die beide als Redner auftraten.
Auch nicht alltäglich war diese Begebenheit auf der Veranstaltung: Anne Zelensky, eine frühere Wegbegleiterin von Simone de Beauvoir, attestierte der rechtsextremen Politikerin Marine Le Pen, ihre Aussagen hätten »nichts Schockierendes«. Zelensky bezog sich dabei auf die Äußerungen der Tochter von Jean-Marie Le Pen vom 10. Dezember: Die Frau, die aller Wahrscheinlichkeit nach die künftige Vorsitzende des Front National (FN) wird, war in Lyon vor etwa 300 Anhängern ihrer Partei aufgetreten. Da die Parteisektion in der Stadt als besonders extrem gilt und auch bekennende Nazis und Antisemiten zu ihren Mitgliedern zählt, wollte sich Marine Le Pen offenbar nicht lumpen lassen. Am Mikrofon wetterte sie gegen jene, die »dauernd vom Zweiten Weltkrieg« und der Besatzung durch Nazideutschland reden wollten. Sie verwies darauf, dass es eine »aktuelle Besatzung« gebe, um die man sich stattdessen lieber einmal kümmern sollte, und zwar jene Besatzung »von Teilen unseres Territoriums«, die von Muslimen ausgeübt werde, die tatsächlich oder angeblich unter freiem Himmel auf den Straßen beteten. So etwas kommt in einzelnen Straßenzügen im 18. Pariser Bezirk vor, zum einen, weil wegen der hohen räumlichen Konzentration die Moscheen zu klein sind. Zum anderen pflegt dort eine islamistische Gemeinde demonstrativ das Gebet im Freien. Rassistische Gruppen und Personen haben diese Vorgänge in den vergangenen Monaten verfolgt, auf speziellen Webseiten werden sie akribisch dokumentiert.

Marine Le Pen selbst nahm an dem Kongress nicht teil. Sie sagte jedoch bei einem Fernsehinterview mit dem Sender LCI am Sonntag, sie habe nur deswegen nicht kommen können, weil sie vollauf mit dem innerparteilichen Wahlkampf beschäftigt sei. Sie fügte hinzu: »Oskar Freysinger hat eine bemerkenswerte Rede dort gehalten.« Freysinger, Abgeordneter der Schweizerischen Volkspartei (SVP), war der wichtigste Gast des Kongresses. Er hat das eidgenössische Referendum vom November 2009 zum Minarett-Verbot und jenes vom November dieses Jahres zur »Ausschaffung« ausländischer Krimineller und »Sozialbetrüger« initiiert.
Gegen Mittag tauchte Freysinger mit einem stattlichen Trupp von Leibwächtern auf dem Kongress auf. Er führte in seiner Rede aus, »Islam und Kommunismus« hätten miteinander gemeinsam, dass sie »kollektivistische Totalitarismen« seien. Deswegen bestehe eine Allianz zwischen Linken und Muslimen. Das Hauptproblem sei jedoch, dass die muslimischen Einwanderer in Europa auf eine »geistige und spirituelle Wüste« träfen, weil »wir« uns »unserer eigenen Identität« nicht mehr sicher seien.
Der Name der abwesenden Marine Le Pen wurde mehrfach mit Applaus bedacht, unter anderem anlässlich der Ausführungen von Anne Zelensky. Diese versuchte, ihre Nähe zu den Rechtsextremen zu rechtfertigen: Die Linke habe den Laizismus verraten. Zudem habe die Rechte erkannt, dass »nicht alle Kulturen denselben Wert haben«, sondern die abendländische aufgrund der Stellung der Frau in ihr überlegen sei.
Als einzige Rednerin wurde die Feministin von einer Mehrheit des Publikums ausgepfiffen, als sie erwähnte, dass sie 1970 am Kampf um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen teilgenommen hatte. Ganz so streng nehmen es viele der Anwesenden mit dem Laizismus nicht, für einen Gutteil von ihnen dürfte er vor allem einen bequemen Vorwand liefern, um gegen Mus­lime im Besonderen und Einwanderer im Allgemeinen zu hetzen. Als »Stargast« war nach Informationen von Le Monde der Bürgermeister der Pariser Vorstadt Montfermeil vorgesehen, Xavier Lemoine. Er ist zwar ein fanatischer Islamhasser und Verteidiger des »christlichen Abendlands«, aber wahrlich kein Verfechter des Laizismus. Der Rechtskatholik, der der konservativen Einheitspartei UMP angehört, ist unter anderem Abtreibungsgegner und der politische Ziehsohn seines Amtsvorgängers Pierre Bernard, der im Juli 1996 an der Beerdigung von Paul Touvier, dem Anführer der Miliz unter der Vichy-Regierung, teilgenommen hatte. Lemoine hat sich zu keinem Zeitpunkt von seinem politischen Lehrer distanziert. Zum Kongress kam er jedoch nicht. Die Parteiführung der UMP sei eingeschritten und habe ihren Abgeordneten das Erscheinen verboten, klagten die Veranstalter.

Beklagt wurden auf dem Kongress vor allem die »Kosten der Einwanderung«, die der Unternehmensberater und Thatcherist Jean-Paul Gourévitch in Zahlenkolonnen vorstellte: Angeblich kosten die Zuwanderer den Franzosen 38 Milliarden Euro im Jahr, eine Behauptung, die Gourévitch freilich durch nichts beweisen konnte. Applaus erhielt er aber ebenso wie der aus Berlin angereiste René Stadtkewitz von der Partei »Die Freiheit«. Er wetterte gegen den »verordneten Kulturverfall« und die »etablierten Politiker«, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht seien.
Beifall gab es auch für die Rede des Schriftstellers Renaud Camus. Eines seiner Bücher musste im April 2000 vom Fayard-Verlag wegen antisemitischer Passagen zurückgezogen werden. Am Samstag führte Camus aus, die Zuwanderer in Frankreich seien Teil eines »großen Plans zum Bevölkerungsaustausch« durch die Herrschenden. Diese beherzigten nämlich die – seinerzeit sarkastische – Aufforderung Bertolt Brechts, sich doch »ein neues Volk zu wählen«. Im Übrigen habe man es bei Straftätern migrantischer Herkunft »nicht mit Ganoven zu tun, sondern mit Soldaten«, sei doch die »unerträgliche Unsicherheit« Teil einer Kriegsführung, die auf die Vertreibung der »weißen Eingeborenen« ziele.