Die Bundespolizei protestiert gegen die geplante Zusammenlegung mit dem BKA

Zusammenlegung jetzt

Die Vereinigung von Bundeskriminalamt und Bundespolizei soll der Terrorabwehr dienen. Doch die entstehende Großbehörde ließe sich auch in ganz anderen Fällen des inneren Notstands einsetzen.

Als sich vor 45 Jahren die Proteste gegen die geplanten und am 30. Mai 1968 gegen heftigen außerparlamentarischen Widerstand schließlich beschlossenen Notstandsgesetze allmählich verschärften, war klar, was viele Demonstranten mit den Gesetzen verbanden: das Ermächtigungsgesetz der Nazis, die massenhaften Verhaftungen von Gewerkschaftern, Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen Linken, die windige Konstruktion eines Anlasses. 1968 gab es noch viele Gewerkschafter, die das Ende der Weimarer Republik erlebt hatten.
Vor 25 Jahren protestierte eine Massenbewegung gegen das Vorhaben der damaligen schwarz-gelben Regierung, eine Volkszählung durchzuführen. Den Aktivisten waren noch die Bilder des Deutschen Herbstes präsent: Rasterfahndung, Kriminalisierungsdruck, unzählige Verdächtigungen aufgrund massenweise angehäufter statistischer Daten. Nicht mehr die Wiederkehr der Gestapo wurde befürchtet, sondern der allgegenwärtige Big Brother.
Heutzutage scheinen die Bilder von der Gestapo oder vom Big Brother verschwunden zu sein. Zwar sollte jedem Bundesbürger der Datenschutz ein hohes Gut sein, aber das Verhalten im Internet – die Sorglosigkeit im Umgang mit den eigenen persönlichen Daten sowie der anhaltende Facebook-Hype – zeigt, dass vielen, insbesondere jüngeren Menschen der Datenschutz völlig gleichgültig ist. Die Bilder, die dominieren, zeigen eine von außen einsickernde Gefahr: islamistische Terroristen, in Pakistan ausgebildet und teuflischerweise im Besitz von deutschen Pässen.

Vor zwei Wochen stellte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Ergebnisse der Werthebach-Kommission vor. Diese Kommission unter der Leitung Eckart Werthebachs, des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Berliner Innensenators, hat vorgeschlagen, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt (BKA) zusammenzulegen. Auch die polizeiähnlichen Einheiten des Zolls könnten dieser neuen Großbehörde untergeordnet werden. Die Kommission hob hervor, dass eine Fusion den Kampf gegen den Terrorismus vereinfache: Es gebe keine »Doppelstrukturen« mehr, der Verwaltungs- und Kommunikationsaufwand sinke dadurch erheblich. Die Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen der bislang unterschiedlichen Behörden würden vereinfacht und könnten besser koordiniert werden. De Maizière zeigte sich von den Vorschlägen angetan.
Es ist kein Wunder, dass der größte Protest gegen die Vorschläge aus den Reihen der Polizei kam. Eine Menge Posten würden einer »Vereinheitlichung« zum Opfer fallen, Hierarchien neu geordnet und Privilegien anders verteilt werden. Beamte aus den niederen Rängen befürchten wegen absehbarer Einsparungen eine größere Arbeitsbelastung.
In der Öffentlichkeit wird der Streit um den Kommissionsbericht deshalb vor allem als eine Sache der Behörden wahrgenommen. Die wenigsten Bürger scheinen auf die Idee zu kommen, dass die Schaffung einer Großbehörde auch Auswirkungen auf ihr eigenes Leben haben könnte – wenn überhaupt, dann denken sie wohl an posi­tive Auswirkungen, geht es doch vorgeblich darum, Terrorismus noch besser abwehren zu können. Damit lässt sich zurzeit fast alles rechtfertigen.
Was genau aber soll da eigentlich im Jahr 2013 zusammengelegt werden? Die Bundespolizei mit ihren 41 000 Beschäftigten, davon 30 000 Polizisten, untersteht dem Innenministerium und ist 2005 aus dem Bundesgrenzschutz und der Bahnpolizei hervorgegangen. Sie ist gut ausgerüstet – im Prinzip paramilitärisch –, überwacht die Grenzen, auch zu Wasser und in der Luft, übernimmt den Schutz von wichtiger Infrastruktur, also von Zügen, Bahnanlagen und dem zivilen Luftverkehr sowie in Berlin den der Verfassungsorgane. Das BKA mit seinen 5 500 Beschäftigten koordiniert die Arbeit der Länderpolizei und nimmt im Bereich des Staatsschutzes und der organisierten Kriminalität eigene Ermittlungsbefugnisse wahr, insbesondere in der Terrorismusabwehr. Das seit 2009 geltende BKA-Gesetz räumt der Behörde zudem Möglichkeiten ein, in der Art eines Geheimdienstes zu operieren (Jungle World 23/09).

Eine zentrale, auch geheimdienstlich arbeitende Polizeibehörde soll also mit einer paramilitärischen, bundesweit einsatzfähigen verschmelzen. Damit wäre einer der wesentlichen innenpolitischen Grundsätze aufgehoben: die von den Alliierten diktierte Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst, die Abschaffung der Gestapo. Selbstverständlich hat de Maizière schon längst abgewiegelt: Die Zusammenlegung der Behörden soll so erfolgen, dass keine Grundgesetzänderung nötig wird – eine Anspielung auf das Trennungsgebot.
Die Trennung von Polizei, Geheimdienst und Militär wird tatsächlich seit Jahren beständig umgangen, ganz ohne großes Aufsehen. Seit 2004 existiert das »Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum«, in dem Geheimdienstler, Militärs sowie Beamte des BKA und der Bundespolizei kooperieren. Ebenfalls seit 2004 gibt es ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Wer dabei nur an Umweltkatastrophen denkt, wurde bereits ausgetrickst. Auch die »zivil-militärische Zusammenarbeit« wurde in den vergangenen Jahren ausgeweitet: Vor zwei Jahren schlossen Bundeswehr und Technisches Hilfswerk (THW) ein Kooperationsabkommen für Operationen im Ausland, aber auch im Inland. So steigen die Möglichkeiten, die Bundeswehr im Inland einzusetzen, was in den vergangenen Jahren ohnehin häufiger geschehen ist.
Dass all dies unternommen wird, um besser gegen terroristische Anschläge gewappnet zu sein, darf man getrost als Heimatschutzmärchen abtun. Es ist zwar unbestreitbar, dass eine Anschlagsgefahr tatsächlich besteht. Aber um sie geht es nicht: Bahnhöfe, Flughäfen und Regierungsbehörden kann man wirksam schützen, auch ohne Behörden zusammenzulegen. Und fanatisierte Einzelgänger wird auch keine Groß­behörde an ihren Vorhaben hindern. Kurzum: Ein Anschlag in Deutschland würde womöglich großes menschliches Leid mit sich bringen, die Infrastruktur aber nicht erheblich beeinträchtigen.
Worum aber geht es dann? Es ist nicht übertrieben, an dieser Stelle an den Streik der Eisenbahner vor drei Jahren zu erinnern. Die Hysterie in Politiker- und Wirtschaftskreisen war groß: Schlagartig zeigte sich, wie verwundbar die Infrastruktur des Landes ist. In einer hochgradig arbeitsteiligen, auf die »Just in time«-Produktion ausgerichteten Ökonomie können schon koordinierte Aktionen kleiner Berufsgruppen erhebliche Auswirkungen haben. Angenommen, ein solcher Streik würde als organisierter Aufstand und damit als Auslöser des inneren Notstands eingestuft werden: Dann könnten Mitglieder des THW dank der »zivil-militärischen Zusammenarbeit« als Streikbrecher fungieren, die Bundespolizei könnte deren Einsatz absichern und dank der nicht mehr bestehenden Trennung von Geheimdiensten und Polizei unmittelbar von den verdeckten Ermittlungen der eigenen Beamten in Gewerkschaftskreisen profitieren. Dabei müsste es sich noch nicht einmal um einen militant geführten Streik handeln: Wann die innere Sicherheit gefährdet ist und der innere Notstand eintritt, liegt letztlich im Ermessen der staatlichen Behörden.

Und vielleicht bedarf es noch nicht einmal eines Streiks. Das Wort des Jahres ist bekanntlich »Wutbürger«: 2010 richtete sich der Unmut von durchschnittlichen, häufig sogar besser situierten Bürgern gegen staatliche bzw. staatlich geförderte Prestigeprojekte. Wenn der Bau von »Stuttgart 21« verhindert werde, sei es in Zukunft nahezu unmöglich, in Deutschland andere Bauvorhaben dieser Größenordnung zu realisieren, sagte beispielsweise Guido Westerwelle (FDP). Das könnte man auch als Drohung verstehen: Objekte wie der Hauptbahnhof von Stuttgart könnten zu Orten erklärt werden, die für die innere Sicherheit größte Bedeutung haben, gegen die »Wutbürger« müsste der Notstand erklärt werden – selbstverständlich zu ihrem eigenen Schutz.