Eine Stiftung aus Qatar ist der neue Sponsor des FC Barcelona

Ein Club mehr

Der hoch verschuldete FC Barcelona will für die »Qatar Foundation« werben. Weil die Stiftung islamistische Ziele unterstützt, regt sich Protest gegen den neuen Sponsor. Der Verein versucht, die Affäre herunterzuspielen.

Im Spätsommer 2006 brach der FC Barcelona nach 111 Jahren den bis dato ehernsten Grundsatz seiner Vereinsgeschichte. Wo man sich zuvor noch gegen jede Art von Werbung wehrte, stellte man ab September 2006 nun die Vorderseite seiner Trikots dem UN-Kinderhilfswerk Unicef zur Verfügung. Dies geschah allerdings nicht, um, wie bei anderen Fußballvereinen üblich, durch die vertragliche Bindung an einen Sponsor Geld in die zumeist leeren Kassen zu bekommen. Vielmehr überweist der Verein jährlich 2,5 Millionen Euro an die Organisation Unicef, die das Geld zur Unterstützung von HIV-infizierten Kindern in der sogenannten Dritten Welt verwenden sollte. Damit ließ sich dieser Bruch der Tradition auch bei den härtesten Traditionalisten unter den Fans und Vereinsmitgliedern noch gut verkaufen; das sicherlich auch finanziell lohnenswerte, konsensfähige Image des Vereins, »més que un club«, »mehr als ein Verein« zu sein, wurde dadurch eher gefestigt.
Doch der ohnehin schon fragwürdige Mythos vom FC Barcelona als einem anderen, irgendwie »linken« Club, der dem kapitalistischen Alltagsdiktat des Fußballgeschäfts trotzt und dem auch nicht wenige nostalgische Gefühlslinke hierzulande verfallen sind, könnte demnächst schwer beschädigt werden.
Denn ab dem Sommer dieses Jahres wird nicht mehr das Unicef-Logo auf den Trikots von Messi und Co. prangen, sondern das der »Qatar Foundation«, einer Stiftung aus dem arabischen Emirat, das erst kürzlich feiern durfte, dass es die WM 2022 ausrichten wird. Die »Qatar Foundation« ist eine private, auf den ersten Blick gemeinnützige Stiftung, die 1995 von Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani in Katar gegründet wurde und seither dort Bildungs- und Sozialprojekte unterhält. Unter anderem kooperiert die Stiftung mit mehreren amerikanischen Universitäten, die sich mit ihren Zweigstellen in der sogenannten Education City von Doha, der Hauptstadt Katars, niedergelassen haben.
Aus dem üppigen Budget der Stiftung erhält der FC Barcelona nun einen Sponsorenvertrag, der bis 2016 laufen soll und den Katalanen insgesamt 170 Millionen Euro in die leeren Kassen bringen wird. Angesichts der 430 Millionen Euro Schulden, die sich beim FC Barcelona angehäuft haben, keine schlechte Summe – vor allem, wenn man bedenkt, dass bislang noch kein anderer Fußballclub durch Trikotwerbung so viel Geld einnehmen durfte. Barças Erzrivale Real Madrid bekommt pro Saison 23 Millionen Euro überwiesen, der FC Bayern erhält von seinem Hauptsponsor gerade mal eine Million weniger.
Die Zweifel in Spanien sind allerdings groß. Warum will eine angeblich gemeinnützige Stiftung, die von einem arabischen Patriarchen gegründet wurde, ausgerechnet dem FC Barcelona Geld geben?
Dabei sollte es in dieser Angelegenheit jedoch nicht um die Frage gehen, ob der FC Barcelona durch die Vereinbarung mit einem undurchsichtigen Sponsor seine, wie es unter Fußballfans in solchen Fällen gern heißt, Seele verkauft. Das wäre angesichts des Normalbetriebs im Business nun wirklich nichts Neues und nur halb so verwerflich, wie es die Fußballromantiker immer darstellen.
Mittlerweile regt sich vielmehr ganz anderer Protest im Zusammenhang mit dem neuen Sponsoring des FC Barcelona. Die spanische Tageszeitung El Mundo brachte kürzlich triftige Einwände gegen den Deal des Clubs mit der »Qatar Foundation« vor: Mit dem neuen Sponsor werbe der Verein künftig für islamistisches Gedankengut. El Mundo verwies darauf, dass auch der bekannte Islamist Yusuf al-Qaradawi von der »Qatar Foundation« seit einiger Zeit nicht nur finanziell hofiert wird. Die von der Stiftung geförderte Education City unterhält darüber hinaus seit vorigem Jahr ein nach al-Qaradawi benanntes Zentrum für Islamstudien.
In der Tat: der ehemalige Muslimbruder al-Qaradawi gehört zu jenen notorischen Antisemiten und reaktionären Menschenfeinden, die selbst in moderateren islamischen Ländern auf einen wachsenden Bekanntheitsgrad verweisen können und sich einer starken Rezeption unter vor allem jugendlichen Islamisten erfreuen dürfen. Sein Buch »Erlaubtes und Verbotenes im Islam«, in dem al-Qaradawi unter anderem die körperliche Züchtigung von Ehefrauen bei »notorischem Ungehorsam« und die Todesstrafe bei »Unzucht«, Homosexualität und »Abfall vom Glauben« rechtfertigt, wird bis heute auch in Deutschland teilweise über Moscheevereine und islamische Buchhandlungen in großer Auflage vertrieben. Seit 1999 hat al-Qaradawi Einreiseverbot in den USA, 2004 billigte er in einer Fatwa die Selbstmordattentate palästinensischer Terroristen in Israel.
Das alles hätte auch den Verantwortlichen des FC Barcelona auffallen können, hätten sie sich nur ein wenig über ihren Geschäftspartner informiert. Mit seinem neuen Sponsor wirbt der spanische Verein künftig also zumindest indirekt für einen Mann, der die Steinigung von Frauen bei Ehebruch propagiert, Selbstmordattentate auf Juden gutheißt und die Todesstrafe bei Homosexualität als rechtens bezeichnet. Die Clubverantwortlichen versuchen indes, die Enthüllungen von El Mundo herunterzuspielen, und scheinen die Brisanz der Angelegenheit noch gar nicht richtig zur Kenntnis genommen zu haben. Die Vereinsführung ließ als Reaktion auf die Enthüllungen ungerührt verlautbaren, dass sich Unicef und die »Qatar Foundation« im Grunde sehr ähnlich seien, schließlich seien beide gemeinnützige Stiftungen, deren Anliegen es sei, die Welt verbessern zu wollen. Auch Vize-Präsident Javier Faus reagierte auf den zunehmenden Druck der Öffentlichkeit recht naiv mit einem Kompromissvorschlag: Wenn künftig die Buchstaben der »Qatar Foundation« auf dem Trikot zu lesen sind, dann solle das Unicef-Symbol eben auf der Hose Platz finden.
Mag sein, dass der FC Barcelona dringend Geld benötigt – für allzu viel Problembewusstsein bei den Verantwortlichen eines Vereins, der angeblich immer ein bisschen mehr als ein Club sein will, spricht der Vertragsabschluss mit der »Qatar Foundation« jedenfalls nicht. Immerhin meldeten sich noch während der Diskussion zumindest unter manchen ehemaligen Vereinsmitgliedern einige, die dezidiert gegen den neuen Sponsor und den allzu leichtfertigen Umgang des Clubs mit dem Geldgeber waren. Für Ex-Vorstandsmitglied Xavier Sala i Martin ist der Deal »eine Schande«. Er betonte: »Wir waren bislang mehr als ein Club, jetzt sind wir nur noch ein Club mehr.«