Im Rinderstadl

Moderne Mehrzweckhallen sind öde, besonders wenn sie am Ende der Welt stehen, also in Passau, Niederbayern. Morgens um zehn trifft sich hier bei Fischbrötchen und Brez’n am Aschermittwoch die CSU. Glücklich ist, wer in aller Früh schon seine Maß Bier herunter­bekommt beim »größten Stammtisch der Welt«. So selbstbewusst und gänzlich ohne Ironie klingt die Eigenwerbung. Wie eh und je läuft der amtierende Ministerpräsident zu den Klängen des bayerischen Defiliermarsches in die Halle ein. Zehn Minuten braucht der eifrig händeschüttelnde Horst Seehofer bis zur Bühne. Aber was tosender Applaus ist, merkt man erst, als auf der Videoleinwand der ebenfalls anwesende Edmund Stoiber zu sehen ist. Der Saal gerät in Verzückung: Das waren noch Zeiten, als absolute Mehrheiten geholt wurden! Die Zustimmung für den Altvorderen ist eine Watsch’n für alle Amtsträger, die auf Stoiber folgten.
Seehofer muss einem leidtun, wie er zu Beginn seiner Rede auf Aufmerksamkeit und Silentium hofft – und vergeblich buhlt. Dabei ist er durch den Rücktritt von »KT« den ärgsten Konkurrenten losgeworden. Doch die Aufkleber der Jungen Union mit dem Konterfei des zurückgetretenen Hoffungsträgers wollen alle haben. Zuspruch bekommt Seehofer erst, als er an die niedersten Instinkte appelliert: Die »deutsche Leitkultur« müsse von allen Migranten akzeptiert, Integration und Beherrschung der deutschen Sprache müssten gefordert werden. Dies müsse zukünftig sogar in der Bayerischen Verfassung stehen. Diesen Sätzen folgt frenetischer Applaus. Seehofer erwähnt noch Erdogan und die Türkei – und die Meute im Saal antwortet lautstark: »Buuuuh!« Man fühlt sich wie im Rinderstadl. Nun hat Seehofer die Herzen gewonnen, beziehungsweise: Es gibt halt gerade keinen anderen, der den Job machen kann. Und zum Schluss kann man in der Halle sogar ein achtes Weltwunder bestaunen: eine Riesenschlange vor dem Herrenklo. Das gibt’s wirklich nur in Bayern, das kann nur die CSU.