Nichts als Schlieren

Zeiten ändern sich. Als das Londoner Ambient-Quartett Seefeel 1995 von Too Pure zu Warp wechselte, war die Verwunderung groß: Die Gruppe um Mark Clifford und Sarah Peacock hatte Gitarren mitgebracht! Vorbei war’s mit der elektronischen Monokultur des Labels. Streng genommen. Bis Warp ein interessantes Label für alles Mögliche war, vergingen noch ein paar Jahre. Und Seefeel? Lösten sich 1996 in schweren Sauerstoff auf.
Toll an Seefeel war nicht, dass sie Gitarren benutzten, auch nicht die Art, wie sie sie auf ihrem Meisterwerk »Succour« (1995) einsetzten, nämlich so, dass man nicht wissen konnte, ob die Klänge aus einem Analog-Synthie kamen oder mit einem Saiteninstrument erzeugt worden waren. Die Stücke definierten sich über die völlige Abwesenheit von Freundlichkeit, evozierten stattdessen eine unendliche Einsamkeit. Durch weltabgewandte Melodien und spröde Rhythmen hindurch schaute man geradewegs in ein kompaktes Nichts.
Es ist dieses wie aus der Zeit gefallene und daher zeitlose Bild vom alles absorbierenden Nichts, das Seefeel auch nach ihrer Wiedervereinigung ausmacht. Die Stücke auf »Seefeel« sind sogar noch schwerer. Ex-Boredoms-Schlagzeuger E-Da erzeugt Gravitation durch langsame, gebrochene Beats. Dazu pulsieren Bässe, und Peacocks Stimme weht gespenstisch durch eine immer surreale Soundlandschaft aus synthetischen Fransen und Gitarrensounds, die man nun auch als solche erkennt: Aus dicken Fäden wurden mächtige schmutzige Schlieren. Ein Werk, kein Album.

Seefeel: Seefeel (Warp/Rough Trade)