Die Regierung in Sachsen will Programme gegen Rechts stärker kontrollieren

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Die sächsische Regierung hat sich für die staatlich geförderten Trägervereine, die sich im Rahmen der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus engagieren, mal wieder etwas Neues einfallen lassen: Künftig könnten sie dazu gezwungen sein, jede ihrer öffentlichen Mitteilungen vorher den Behörden vorzulegen.

Staatliche Disziplinierungsmaßnahmen gegenüber Initiativen, die Gelder aus den Bundesprogrammen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus erhalten, sind so alt wie die Programme selbst. Dass die sächsische Landesregierung bei Vereinen, die staatliche Fördermittel für den Kampf gegen Rechts erhalten, offenbar künftig den Wortlaut jeder ihrer öffentlichen Mitteilungen kontrollieren will, ist allerdings neu.
Erst vor wenigen Tagen, so berichtet die Beratungsstelle für Betroffene rassistischer und rechter Gewalt (RAA Sachsen e.V.), habe die staatliche Landeskoordinierungsstelle einen Flyer-Text der RAA Sachsen e.V. beanstandet: Der Begriff des »Betroffenen« sei durch die Bezeichnung »Opfer« zu ersetzen, befand die staatliche Institution gegenüber dem geförderten Verein. Die Bezeichnung »Opfer« lehne man eigentlich ab, heißt es beim RAA Sachsen e.V., da sie unpolitisch sei, den Betroffenen einen passiven Status zuschreibe und dem Empowerment-Ansatz der Beratungsstelle widerspreche. Doch die Formulierungsvorgaben der staatlichen Förderer einfach zurückzuweisen, ist für die RAA Sachsen nicht ohne Risiko: Die Fortsetzung ihrer Arbeit ist unmittelbar von deren Geldern abhängig.
Und rein formal betrachtet könnte die Landes­koordinierungsstelle auf der sicheren Seite stehen: In den Zuwendungsbescheiden aus dem neuen Bundesprogramm »Toleranz fördern – Kompetenz stärken«, aus dem die Mobilen Beratungsteams und die Opferberatungsstellen finanziert werden, gibt es in Sachsen eine neue Klausel, die das Vorgehen der Landeskoordinationsstelle rechtfertigt. Ihr zufolge sind alle Mitteilungen an die Presse und an die Öffentlichkeit mit der Landeskoordinierungsstelle abzusprechen.
Darüber, wie der Passus zu interpretieren sei, herrscht allerdings Unsicherheit auf allen Seiten. Das Kulturbüro Sachsen e.V., das Träger dreier Mobiler Beratungsteams gegen Rechtsextremismus ist, wollte sich vorerst noch nicht äußern – die Geschäftsführerin des Vereins, Grit Hanneforth, teilte mit, dass man in den nächsten Tagen gemeinsam mit allen Mitarbeitern prüfe, wie man den Passus des Förderbescheides für die praktische Arbeit interpretiere.
Während sich die Oppositionsparteien im sächsischen Landtag empört zeigen und eine Rücknahme der Verordnung fordern, ist man beim sächsischen Sozialministerium über die Aufregung verwundert. Das Ministerium sei »Mit-Akteur bei der Umsetzung des Bundesprogramms« und setze nur die Vorgaben des Bundes um, so dessen Pressesprecher, Ralph Schreiber. Der Freistaat Sachsen müsse das Geld an den Bund zurückzahlen, wenn die entsprechenden Vorgaben nicht umgesetzt werden. Schreiber erklärte gegenüber der Jungle World, dass auch im Vorläuferprogramm die Öffentlichkeitsarbeit mit der Landeskoordinierungsstelle hätte abgestimmt werden müssen und bei den damaligen Bescheiden keinerlei Protest erfolgt sei. In den früheren Bescheiden war von einer Vorlage der Pressemitteilungen oder sonstiger öffentlicher Mitteilungen jedoch noch nicht die Rede – lediglich die Druck­erzeugnisse, die mit dem Geld des Programms bezahlt worden sind, waren vorzulegen.

Doch ist der Unterschied in der Formulierung der Klausel auch einer in der Praxis? Und wer verantwortet deren Auslegung? In einer Bundestagsdebatte am 6. April deutete der Parlamentarische Sekretär des Bundesfamilienministeriums Hermann Kues die Klausel großzügig: »Das heißt nicht unbedingt, dass jede einzelne Pressemitteilung vorgelegt wird.« Weiter sagte er: »Wenn das so gesagt worden ist, dann würde ich es als Missverständnis bezeichnen; denn die Förderrichtlinie ist nicht geändert worden.« Doch gleichzeitig sagte Kues, dass es in diesem Punkt »einen großen Ermessensspielraum in der jeweiligen Landeskoordinierungsstelle« gebe.
Von einer Verpflichtung der sächsischen Behörden gegenüber dem Bund, die Verlautbarungen der Vereine zu kontrollieren, könnte dann allerdings nicht die Rede sein. Mit Kues Aussagen zum Ermessensspielraum der Behörden konfrontiert, zog das sächsische Sozialministerium die Behauptung, es setze nur eine Bundesvorlage um, gegenüber der Jungle World zurück und berief sich nun darauf, dass die Landeskoordinierungs­stellen aufgefordert seien, die Regelungen zur Öffentlichkeitsarbeit »selbstverantwortlich zu gestalten«. Dass die Trägervereine einen Entwurf sämtlicher Pressemitteilungen dem Ministerium zur Überprüfung schicken, sei »unumgänglich«, heißt es jetzt nach Aussagen des Sprechers des sächsischen Ministeriums gegenüber der Jungle World.
Den Passus in den sächsischen Zuwendungsbescheiden beschreibt der Sprecher des Ministeriums nun auch als »unser Verfahren«. Schlägt Sachsen hier einen Sonderweg ein? Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsex­tremismus in Berlin, vermutet das. Sie ist der Meinung, dass mit dem sächsischen Erlass »besonders unbequeme Träger an die kurze Leine gelegt werden« sollen. Damit spielt sie etwa auf das Kulturbüro Sachsen e.V. und die RAA Sachsen e.V. an – beide Vereine hatten sich lautstark in den Diskussionen um die Extremismus-Klausel zu Wort gemeldet und sogar ein viel beachtetes Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. In ihren Förderbescheiden wird ihnen vom Freistaat Sachsen nun offenbar die Quittung für ihre kritische Haltung präsentiert.

Dass die staatlichen Akteure den von ihnen geförderten Organisationen mit Misstrauen begegnen, ist nicht neu. Seit Jahren sei im Verhältnis zwischen dem Staat und den staatlich geförderten Vereinen »mit erheblichen Vorbehalten« zu rechnen, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung der Jungle World. So würden zivilgesellschaftliche Initiativen seit Jahren mit immer neuen Kontrollvorschriften und einer ausufernden Bürokratie überzogen, um als Dienstleister des Staats in Position gebracht zu werden. Bereits seit 2003 muss die Öffentlichkeitsarbeit der Ver­eine mit dem Geldgeber abgestimmt werden – Druckerzeugnisse der Initiativen müssen etwa zur Kenntnisnahme an die Regiestellen der jeweiligen staatlichen Programme übermittelt werden.

Seit 2005 ist die sogenannte Extremismus-Klausel ein Teil der Bedingungen für die Förderung. Mit der Einführung des Kompetent-Bundesprogramms im Jahr 2007 wurde versucht, die Mo­bilen Beratungsteams in ihrer Selbständigkeit einzuschränken. Bevor ein solches Team aktiv werden könne, sollte der jeweilige Landeskoordinator in der Verwaltung eines seiner Fälle als »Krise« freigegeben. Darüber hinaus sollte ein Online-Verzeichnis eingeführt werden, in dem die staat­lichen Stellen jeden Tag einsehen können, wo welches Team mit wem über welche Inhalte spricht. Aus Datenschutzgründen konnten diese Ideen der staatlichen Geldgeber abgewendet werden.
Nachdem Sachsen seit November 2010 als Vorreiter bei der neueren Umsetzung der Extremismus-Klausel galt (Jungle World 46/2010 und 06/2011), scheint der Freistaat nun den nächsten Schritt zur Disziplinierung zivilgesellschaftlichen Engagements einzuleiten. Trotz der Erfahrungen aus der Vergangenheit sieht Reinfrank hier eine »neue Qualität« staatlicher Eingriffe in zivilgesellschaftliche Arbeit. Mit dem Handeln des Freistaats Sachsen werden seiner Meinung nach die Ziele des Bundesprogramms, wie etwa die Stärkung einer demokratischen Bürgergesellschaft, konterkariert. Denn dafür sei eine »eigenständige Pressearbeit Grundvoraussetzung«.