Die EU-Sparpolitik und die Demokratie in Portugal

Merkel lässt sparen

Die EU fordert, dass sich die portugiesischen Abgeordneten noch vor der Wahl zu drastischen Sparmaßnahmen verpflichten.

Es kommt vor, dass die Deutsche Bank recht hat, wenigstens zum Teil. Als »falsch und infam« bezeichnete das Finanzinstitut die Behauptung des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, Bundeskanzlerin Angela Merkel vertrete in den Verhandlungen über die Euro-Politik »die Interessen der Deutschen Bank, wenn sie sich gegen eine Gläubigerbeteiligung und gegen eine Umschuldung wehrt«. Ob die Deutsche Bank tatsächlich »nur in sehr begrenztem Umfang direkt betroffen wäre«, ist fraglich, doch hat ihr Chefvolkswirt Thomas Mayer eine »Umstrukturierung der Altschuld in der näheren Zukunft« gefordert und die Bereitschaft erkennen lassen, Verluste hinzunehmen.
Ähnlich hatte sich bereits im Dezember vorigen Jahres Andrew Bosomworth, Leiter des Portfoliomanagements beim Investmentkonzern Pimco, geäußert. In der Finanzbranche glaubt kaum noch jemand, dass alle südeuropäischen Euro-Staaten ihre Schulden bezahlen können. Viele Banker halten es für sinnvoll, einige Kredite abzuschreiben, um weitaus höhere Verluste zu vermeiden und das Risiko einer weiteren Finanzkrise zu mindern, bei der staatliche Eingriffe einen Zusammenbruch wohl nicht mehr verhindern könnten.
Merkel wird oft Wankelmütigkeit vorgeworfen, doch in der Euro-Politik ist sie von unglaublicher Sturheit. Eine Mithaftung privater Gläubiger soll es frühestens in zwei Jahren geben, und auch dann nur für Kredite, die von diesem Zeitpunkt an vergeben werden. Obwohl offensichtlich ist, dass die Sparpolitik in den südeuropäischen Ländern zu einer Senkung der Binnennachfrage und somit der Staatseinnahmen führt, die es noch schwieriger macht, die Schulden zu bezahlen, besteht die Bundesregierung auf ruinösen Ausgabenkürzungen als Voraussetzung für die Kreditvergabe. Um lästige demokratische Entscheidungen zu umgehen, sollen in Zukunft in allen Staaten Vorschriften der EU für die Steigerung der »Wettbewerbsfähigkeit« gelten.
Dass die Mehrheit der portugiesischen Abgeordneten im März das von Ministerpräsident José Sócrates vorgelegte Sparprogramm ablehnte, beeindruckte Merkel nicht. Sie sagte, nun müssten »alle deutlich machen, die für Portugal sprechen, dass Portugal sich dem Ziel dieses Programms verpflichtet fühlt«. Da das Land mittlerweile Kredite aus dem »Rettungsfonds« der EU beantragt hat, werden nun noch umfangreichere Sparmaßnahmen gefordert als die, deren Ablehnung Sócrates zum Rücktritt zwang.
Es gibt da nur ein Problem. Die Wahlen finden am 5. Juni statt, erst einige Wochen später wird das Parlament beschlussfähig sein. Die Zahlungsunfähigkeit droht aber bereits Mitte Mai, möglicherweise sogar früher. Carlos Santos Ferreira, Präsident der Banco Comercial Português, forderte am Montag »sofortige Unterstützung«, die EU müsse umgehend einen Überbrückungskredit gewähren. Es geht nicht allein um die fälligen Raten für die Staatsschulden. Viele portugiesische Unternehmen gelten nicht mehr als kreditwürdig, es droht ein ökonomischer Zusammenbruch. Nun sollen die drei großen Parteien eine Erklärung unterschreiben, die sie zu Sparmaßnahmen im Sinne der EU verpflichtet.
Die neue EU-Wirtschaftspolitik steht im Widerspruch zu den Regeln der bürgerlicher Demokratie, in Portugal wird dieser Konflikt nun erstmals ausgetragen. Angesichts der Bereitschaft in der Geschäftswelt, im Rahmen einer Umschuldung Verluste hinzunehmen, kann Merkel nicht als Kanzlerin der Banker gelten. Es scheint ihr Ziel zu sein, die Führung Deutschlands in der EU durchzusetzen. Noch vor einem Jahr übten Regierungen anderer europäischen Staaten heftige Kritik an der deutschen Wirtschafts- und Geldpolitik, nun aber ist kaum noch Widerspruch zu hören.