Gut finden, was alle gut finden

Berlin Beatet Bestes. Folge 92. Love Inks: »Blackeye/Don’t Go« (2011).

Normalerweise gebe ich mir an dieser Stelle Mühe, nicht wie ein gottverdammter Hipster zu klingen. Ich versuche Platten und Künstler vorzustellen, die mich begeistern, von denen aber aus un­erfindlichen Gründen noch nie jemand gehört hat. Ich will mich nicht mit aktuellen, kurzle­bigen und meist mediengemachten Trends beschäftigen oder mich darüber verbreiten. Es sei denn, es sind Trends, die längst in Vergessenheit geraten sind. Ich will nicht dahin leuchten, wo es sowieso gerade hell ist. Dafür bin ich einfach zu alt. Wahrscheinlich macht es mich aber erst recht zu einem Hipster, dass ich es überhaupt für nötig halte, darauf hinzuweisen, dass ich keiner sein will. Ich sollte vielleicht über Platten schreiben, die jeder kennt, das wäre unverfänglich.
Es ist ein Teufelskreis, aus dem ich erst mal nicht herauskomme. Da kann man mal sehen, wie irre ich schon bin. Ich gehe jedenfalls gelegentlich auch in einen Plattenladen, um neuen Stoff zu kaufen. Und gelegentlich ist auch mal eine Hipsterplatte dabei, die möglicherweise demnächst von der einschlägigen Fachpresse gelobt wird. Warum kümmert mich das? Anstatt mich zu wehren, sollte ich mich freuen, dass ich zumindest noch ansatzweise von zeitgenössischen Moden berührt werde. Letztendlich ist es doch völlig egal, wie ich es drehe und wende: Schöne Musik bleibt schöne Musik. Und »Black­eye« von den Love Inks ist ein richtiger Hitsong. Die erste Veröffentlichung des kleinen Labels Hell Yes! war eine einseitig bespielte Single der schwedischen Band Masshysteri, die trotz sehr eingängiger Songs immer noch eine Punkband ist. Seitdem hat das Label 14 weitere Singles herausgebracht – die Hälfte davon ebenfalls nur einseitig bespielt –, die sich alle in Richtung Pop bewegen. Dabei fällt zunächst die hervorragende Aufmachung der Platten ins Auge. Siebdruckcover mit Spielereien wie zum Beispiel Cut-Outs und farbigem Vinyl beweisen die traditionell von Punklabels gezeigte gestalterische Finesse. Der Schriftzug »Hell Yes!« auf dem Label, der das Atlantic-Logo nachahmt, weist musikalisch allerdings schon in eine andere Richtung. Leider habe ich nur eine Hand voll Singles des Labels zusammengesammelt, wegen der geringen Auflage sind sie immer schnell ausverkauft. Die Platten, die ich besitze, sind allerdings alle abwechslungsreich und sehr gut. Diese im März erschienene erste Single der Gruppe Love Inks aus Austin, Texas, ist pure Popmusik, genauer gesagt Minimal-Pop. Das Trio wird angeführt von der zarten, verträumten Stimme der Sängerin Sherry LeBlanc, die begleitet wird von reduzierter Gitarre, Bass, Drumcomputer und Moog-Synthesizer. Nichts für Rocker also, zum Glück aber auch nicht nur Material für Schallplattensammler. Das Debütalbum der Love Inks, aus dem diese Single ausgekoppelt ist, erscheint am 10. Mai und wird von City Slang vertrieben, sollte also in jedem ordentlichen Schallplattengeschäft erhältlich sein.