Geeint gegen Israel

Die Revolution hat bereits stattgefunden

Eine Einigung von Fatah und Hamas wäre ein Rückschritt. Die Palästinenser verbindet nur der Wunsch nach Einheit im Kampf gegen Israel.
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Abdel Sattar Kassem hat sich schon einmal ins Gespräch gebracht. In der Taz zwar, die in Gaza und Ramallah nicht allzu viele Leser haben dürfte, aber immerhin, er braucht ja auch interna­tionale Anerkennung, wenn er »Regierungschef« in einer neuen palästinensischen Einheitsregierung werden will. Und offenbar will er das. »Die Nominierung meiner Person könnte von der Hamas kommen, für den Posten des Regierungschefs. Ich gehöre der Hamas nicht an, habe aber die bisherigen Abkommen mit Israel abgelehnt«, wirbt er für sich. Und er gibt auch Programmatisches preis: »Ich lehne auch Verhandlungen ab, solange Israel die Rückführung der Flüchtlinge ausschließt.« Er lehnt also nicht nur Abkommen mit Israel ab, sondern schon Verhandlungen, jedenfalls solange Israel sich nicht selbst abschafft, denn nichts anderes bedeutet die sogenannte Rückkehr der sogenannten Flüchtlinge.

So sieht er also aus, der »Durchbruch«, wie Taz-Kommentator Georg Baltissen die von der neuen ägyptischen Regierung vermittelte Annäherung von Fatah und Hamas bezeichnete. Die »Aufhebung der Spaltung«, schrieb er, bedeute: »Ein palästinensischer Staat in den Grenzen von 1967 hat damit wieder eine reale Kontur bekommen.« Mal abgesehen davon, dass es weder 1967 noch irgendwann sonst einen palästinensischen Staat in irgendwelchen Grenzen gegeben hat, stellt sich die Frage, ob dies eine gute oder eine schlechte Nachricht wäre. Würde solch ein Staat von der Hamas regiert und würde die Sicherheitspartnerschaft zwischen Israel und der Autonomiebehörde beendet werden, wie es die Hamas bislang fordert, wäre dies für die Israelis ebenso wie für die palästinensischen Bewohner des Westjordanlandes eine extrem schlechte.
Zumindest letztgenanntes ist wahrscheinlich. Zwar hat die Fatah betont, dass sich an der Partnerschaft mit Israel nichts ändern solle, doch die israelische Regierung wird kaum bewaffnete palästinensische Polizisten unterstützen, wenn nicht hundertprozentig klar ist, dass sie in erster Linie Terror verhindern statt fabrizieren. Bereits am Sonntag hat sie angekündigt, die Steuergelder aus den palästinensischen Gebieten so lange zurückzuhalten, bis garantiert sei, dass sie nicht in die Hände der Hamas gelangen, die für den andauernden Beschuss von israelischen Zivilisten mit Raketen verantwortlich ist. »Die Palästinensische Behörde muss entweder den Frieden mit Israel oder den Frieden mit der Hamas wählen«, hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gesagt, und tatsächlich deutet absolut nichts darauf hin, dass es eine dritte Alternative geben könnte. Oder doch? Deutet die Tatsache, dass die Vereinbarung zwischen den Palästinensern auch eine Reaktion auf die arabischen Revolten ist, darauf hin, dass eines Tages die Despoten der Hamas hinweggefegt werden könnten von einer neuen Bewegung für Freiheit und Demokratie?
Man soll in diesen Tagen nicht »nie« sagen, wenn man über die Entwicklungen im arabischen Raum redet, aber diese Vision ist denn doch zu kühn. Was haben wir denn von der Facebook-Generation Palästinas bisher gehört? Als die überschwänglich gefeierte Gruppe »Gaza Youth Breaks Out« nach ihrer ersten Veröffentlichung im Internet (»Fuck Hamas. Fuck Israel. Fuck Fatah. Fuck UN. Fuck UNRWA. Fuck USA!«) mit dem völlig aus der Luft gegriffenen Vorwurf konfrontiert wurde, pro-zionistisch zu sein, stellte sie in ihrer zweiten Erklärung mehr als deutlich klar, dass dies niemand befürchten muss. »Im Namen des Blutes der Märtyrer« forderte sie: »Beendet die Spaltung – Ein Volk gegen den Zionismus«. Eine Forderung war auch: »Das Ende aller Formen von Sicherheitskooperation mit dem zionistischen Feind!« Dazu die Drohung: »Es ist notwendig, dass wir uns einigen – für alle Palästinenser hier und dort und überall, die noch immer von der Rückkehr der sechs Millionen palästinensischen Flüchtlinge in ihre von der Besatzung gestohlenen Häuser träumen, einer Besatzung, die nur die Sprache der Gewalt versteht.«

Die Facebook-Revolution in Gaza hat im Prinzip schon stattgefunden. Fast alle Forderungen der »Gaza Youth« sind Gegenstand der neuen Einigung. Auch dass die Hamas in die PLO aufgenommen werden soll, forderte die Jugend Gazas bereits im Februar. Übrigens nicht, wie jetzt manche glauben machen wollen, um die Hamas zu zivi­lisieren, sondern im Gegenteil: »Wir wollen die Hamas reformieren, so dass sie wieder für die Befreiung Palästinas kämpft, wie es ursprünglich beabsichtigt war.«
In Gaza-Stadt wurde die Einigung vorige Woche mit einer spontanen Demonstration bejubelt. Im Guardian berichtet ein Mitglied von »Gaza Youth Breaks Out«, etwa 100 Personen hätten sich versammelt, um die neue Hoffnung auf Einheit zu feiern: »Wir haben palästinensische Fahnen geschwungen und gesungen: ›Palästina ist alles, was zählt!‹« Dann allerdings sei man von der Polizei mit Schlagstöcken weggeknüppelt worden. Dies und auch, dass die Hamas am Montag erklärte, für die Seele des getöteten Ussama bin Laden zu beten, während ein Sprecher der Autonomiebehörde die Tötung als »gut für den Frieden weltweit« begrüßte, sind Zeichen dafür, dass es zu der palästinensischen Einheit doch noch ein langer Weg sein könnte und Abdel Sattar Kassem vielleicht nicht so bald das vereinte Palästina in den Grenzen der Taz wird regieren können.