Thailand inszeniert einen Krieg gegen Kambodscha

Gelbhemden im Tempelkrieg

Vor den Wahlen will die thailändische Regierung mit nationalistischer Rhetorik die Opposition der Rothemden schwächen. Diesem Ziel dient auch der inszenierte Krieg mit Kambodscha.

Wenn man der PR-Abteilung der Regierung glaubt, wünschen sich die Thais vor allem Ruhe und haben genug von den ständigen Demonstrationen und Auseinandersetzungen. »Towards Sus­tainable Democracy« heißt die Medien- und Vermarktungskampagne für »amazing Thailand«. Neuwahlen stehen bevor, am 10. Mai löste Seine Majestät Bhumibol auf Bitten des thailändischen Premierministers Abhisit Vejjajiva das Parlament auf. Bis zu den Wahlen am 3. Juli will man alles tun, um die Bürger davon zu überzeugen, dass sie in einem stabilen, demokratischen Land leben.
Unter »nachhaltiger Demokratie« versteht die Regierung ein System, in dem die oppositionellen Rothemden nicht die Wahlen gewinnen. Für die Regierung wäre ein Sieg von Phuea Thai (Für Thailand), der Nachfolgepartei von Thaksin Shinawatras TRT (Thais lieben Thais), ein Albtraum. Schon einmal, nach dem Putsch im Jahr 2006, dachte man, mit dem Verbot der TRT und der Verfolgung des Populisten Thaksin das Problem erledigt zu haben. Doch die in People’s Power Party (PPP) umbenannte TRT gewann erneut die Wahlen. Auch die PPP wurde verboten. Nur weil Gerichte zwei mit Thaksin verbündete Vorgänger Abhisits absetzten, wurde dieser Premierminister.

Das führte jedoch zur Entstehung einer Massenbewegung, der United Front for Democracy against Dictatorship (UDD). Diese Rothemden hielten im vorigen Jahr das Geschäftsviertel in Bangkok monatelang besetzt (Jungle World 16/10), Abhisit ließ räumen und über 50 Demonstranten erschießen. Die komplette Führungsgruppe der Rothemden wurde eingesperrt, kritische Medien wurden zensiert oder geschlossen. Gewinnen die Rothemden die Wahlen im Juli, müsste man wieder putschen, was die Legitimität der herrschenden Oligarchie weiter untergraben würde.
19 Anführer der Rothemden, die nach neun Monaten Gefängnis auf Bewährung freikamen, sind nun wieder angeklagt worden. Sie sollen den König beleidigt und die Bevölkerung aufgehetzt haben. Jatuporn Prompan, ein Parlamentarier der Rothemden, wurde wegen Terrorvorwürfen verurteilt, nachdem er mit der Auflösung des Parlaments seine Immunität verloren hatte. Etliche Rothemden müssen sich verstecken. Vom Gesetz gegen »Majestätsbeleidigung« wird immer mehr Gebrauch gemacht. Dieser Vorwurf war Ende April die Begründung für die Schließung von 13 lokalen Radiostationen der Rothemden. Auch gegen kritische Websites und Wissenschaftler wird vorgegangen, weil sie den König beleidigt haben sollen.
Mit Repression allein kann man aber keine Wahlen gewinnen, das wissen auch Abhisit und die hinter ihm stehenden Royalisten. Politisch hat das Regime kaum etwas anzubieten. Das königliche Konzept der »genügsamen Ökonomie«, eine buddhistisch verbrämte Aufforderung zum Verzicht, muss mit dem wohlfahrtspolitischen Programm Thaksins konkurrieren. Es war daher nützlich, eine äußere Gefahr zu finden, gegen die sich alle Thais hinter dem König zusammenschließen können.
Seit Oktober 2008 schwelt ein militärischer Konflikt um den alten Khmer-Tempel Preah Vihear, der an der Grenze im Nordosten des Landes liegt. Immer wieder lieferten sich thailändische und kambodschanische Truppen kleinere Gefechte, zuletzt im April dieses Jahres. Dabei wurden bereits Dutzende Soldaten beider Länder getötet, 40 000 Menschen mussten evakuiert werden.

Es lässt sich kaum ein banalerer Kriegsvorwand finden. Der Tempel wurde unter dem Khmer-Herrscher Suyarvarman II. im 12. Jahrhundert errichtet, dass es sich nicht um ein thailändisches Bauwerk handelt, steht außer Frage. Allerdings steht der Tempel an der Grenze zu Thailand, und die Umgebung wird von beiden Ländern beansprucht. Auslöser des Konflikts war, dass die Unesco den Tempel im Jahr 2008 zum Weltkulturerbe erklärte. Thailand fordert nun, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht wird und die umliegenden Gebiete Thailand zugesprochen werden.
Diverse deutsche Politikwissenschaftler erklären den Konflikt als Ausdruck von jahrhundertelangen Auseinandersetzungen zwischen Thailand und Kambodscha. Alte Reiche und Kriege werden aufgelistet, um die Spannung zwischen beiden Ländern zum Normalzustand zu erklären, die aus gegebenem Anlass zum Krieg führen muss. Sie beten damit nur eine revisionistische Geschichtsschreibung nach, die auch das thailändische Militär und Abhisit propagieren.
Die Ursache des Konflikts um Preah Vihear ist vielmehr die innenpolitische Dynamik in Thailand. Thaksin und seine Nachfolgeregierung hatten die Pläne Kambodschas unterstützt, Preah Vihear zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. Der Tempel liegt auf einem Plateau der Dangrek-Gebirgskette und ist von kambodschanischer Seite aus nur schwer erreichbar. Getreu Thaksins Devise, Thailand als Unternehmen zu führen, wollte man den Tempel gemeinsam touristisch erschließen. Die größten Gewinne würden dabei wohl thailändische Unternehmen machen. 2008 unterzeichnete der damalige Außenminister, Noppadon Pattama von der PPP, ein entsprechendes Kommuniqué.

Damals suchten die Royalisten und die Gelbhemden der People’s Alliance for Democracy (PAD) einen Vorwand, um die PPP-Regierung anzugreifen. Kurz nachdem Preah Vihear im Juli 2008 zum Weltkulturerbe erklärt worden war, organisierte die PAD eine Demonstration für die »Rückgabe« des Tempels an Thailand. Mitglieder der PAD versuchten, zum Tempel auf kambodschanisches Gebiet vorzudringen, und prügelten dabei auf Anwohner ein, die den Zugang blockierten. Das thailändische Verfassungsgericht erklärte die Einigung mit Kambodscha für unrechtmäßig, kurze Zeit später setzte es den Premierminister ab. Seitdem werden die Gelbhemden nicht müde, Thaksin den Verkauf von thailändischem »Territorium« vorzuwerfen und Abhisit aufzufordern, härter »zurückzuschlagen«. Der PAD-Führer Chamlong Srimuang sagte, dass thailändische Kampfflugzeuge Kambodscha »in fünf Minuten« erreichen könnten.
Abhisit tritt gegenüber den Gelbhemden als zurückhaltender, verantwortungsvoller Staatsmann auf, der eine Eskalation vermeiden will. Doch er lässt die von der Asean koordinierten Friedensgespräche immer wieder aus fadenscheinigen Gründen platzen. So kann er weiterhin an den Nationalstolz appellieren, indem er dem kambodschanischen Premierminister Hun Sen die Schuld an der Eskalation gibt. Hun Sen spielt mit, weil er sich selbst nationalistischer Rhetorik im Kampf gegen die Opposition bedienen will.
Ob die nationalistische Rhetorik und das Schüren der Kriegsstimmung ausreichen werden, um die Wahlen zu gewinnen, lässt sich nicht voraussagen. Dagegen spricht, dass sich die Rothemden zu einer Massenbewegung entwickelt und weiter radikalisiert haben. Die Politisierung wird von Gruppen wie dem »Forum der Armen« vorangetrieben, Anführer der Rothemden beziehen sich auf die erfolgreichen Aufstände in Ägypten und Tunesien. Die Bewegung stellt zwar soziale Forderungen, ist aber weiterhin mit dem Milliardär Thaksin verbündet und vereinigt Angehörige verschiedener Klassen und Schichten. Überdies vertritt sie nur eine andere Version des thailändischen Nationalismus, sie kann sich daher nicht konsequent gegen die Kriegstreiberei wenden.