Jagdszenen

Eine der besten Kurzgeschichten weit und breit stammt von Tobias Wolff; sie heißt »Jäger im Schnee«. Es ist eine von vierzehn guten bis sehr guten Storys des Erzählungsbandes »Unsere Geschichte beginnt«, in dem der 65jährige amerikanische Autor mit großer formaler Souveränität, in schlichten und geschliffenen Sätzen bemerkenswert abwechslungsreich und mit bisweilen boshaftem Schriftstellerblick vom Alltag eher durchschnittlicher Amerikaner erzählt – von Sehnsüchten und Pech, von Selbsttäuschungen und Missgunst, moralischen Abgründen und Lügen.
»Jäger im Schnee« erzählt von drei Freizeitjägern auf frustrierend erfolgloser Pirsch. Es sind zum einen die kleinen Gesten, zum anderen unvermutete Wendungen, mit denen der Autor – nahezu klassisch – die psychische Anspannung der Protagonisten fühlbar macht, um sie schließlich eruptiv zur Entladung zu bringen.
Dass die drei Jäger gute Freunde sind, glaubt man nicht lange: Geprägt von großer Rücksichtslosigkeit ist das Verhalten von Kenny und Frank gegenüber dem beleibten Tub, dem Außenseiter. Der Schuss aus dem Gewehr, der irgendwann fällt, ja, fallen muss, verändert nicht nur jäh den Ablauf des Tages, sondern auch das Verhältnis der drei zueinander. In einer Art bitterer Pointe erweist sich am Ende keiner der Männer als größeres oder kleineres Arschloch. Ihr Egoismus ist enorm, ihr Verhalten haarsträubend und doch schrecklich plausibel. Die Geschichte wirkt noch lange nach.

Tobias Wolff: Unsere Geschichte beginnt. Erzählungen, Berlin Verlag 2011, 208 Seiten, 22 Euro