Das große »Nein«

Die Gruppe ist keine drei Monate alt – und schon wichtig genug, dass der in Ägypten derzeit herrschende Militärrat sie zum Gespräch lädt. »Nein zu Militärtribunalen für Zivilisten« heißt die Kampagne, ihre Geburtsstunde war der 9. März. An diesem Tag griff das Militär, das die Protestierenden bis dahin auf ihrer Seite gewähnt hatten, das Camp auf dem Tahrir-Platz an, verhaftete fast 200 von ihnen und folterte sie. Manche kamen nach einigen Stunden frei, die meisten wurden vor Militärtribunale gestellt und zu drei bis fünf Jahren Haft verurteilt. »Fast jeder von uns hatte einen Freund oder eine Freundin, die gefoltert worden ist oder im Gefängnis war«, erzählt die Aktivistin Shahira. Rasch fand sich eine Gruppe zusammen: rund 20 Aktive, die meisten davon Frauen, dazu rund 100 Unterstützerinnen und Unterstützer. Zwei Ziele verfolgt die Kampagne: Die Menschenrechtsverletzungen des Militärs öffentlich zu machen und dafür zu sorgen, dass die Gefangenen freikommen – und künftig keine Zivilisten mehr von Militärgerichten verurteilt werden. Das war selbst unter Mubarak nur in Einzelfällen vorgekommen. Seit das Militär nach Mubaraks Rücktritt im Februar die Macht übernommen hat, sind rund 7 000 Zivilisten von Militärgerichten verurteilt worden, ohne Anwälte, in nicht-öffentlichen Verfahren, die oft nur wenige Minuten dauern. Bald klebte das Zeichen der Kampagne, das »La« (Nein) mit ineinander verschränkten Lettern, auf Wänden im ganzen Zentrum von Kairo, fast jede Woche standen die AktivistInnen mit Plakaten auf dem Tahrir-Platz, schrieben Petitionen und dokumentierten in Videos und Artikeln die willkürlichen Verurteilungen. Mit Erfolg: »Seit März haben wir rund 200 Leute freibekommen«, sagt Mona Seif, eine junge Frau mit wallenden Locken. Seif sitzt an diesem Abend in einem Versammlungsraum vor rund zehn Mikrofonen und Kameras – Pressekonferenz. Wenige Stunden zuvor hat der Militärrat sich mit der Gruppe getroffen. Die Stimmung sei freundlich gewesen, berichtet Seif. Folterfälle würden untersucht und das Militär würde darüber nachdenken, einige der Prozesse gegen Protestierende oder Streikende neu aufzurollen. So ganz traut in der Kampagne diesen Versprechen niemand. »Das Militär wird nicht wenige Militärtribunale anwenden in den nächsten Monaten«, sagt Shahira und schüttelt den Kopf. »Der Druck auf die Protestbewegung wird größer. Aber die Militärs passen besser auf, welches Bild an die Öffentlichkeit dringt, indem sie etwa die Presse stärker kontrollieren.«