Die Reaktion auf die Brandanschläge in Berlin

Sie kommen bei Nacht

Anschläge von Nazi auf linke Häuser und Einrichtungen in Berlin sorgen bei linken Gruppen für Empörung. Die Rede der Behörden von einer »Gewaltspirale« halten sie für unsinnig.

Die Anschläge, die in der vergangenen Woche aller Wahrscheinlichkeit nach von Nazis in Berlin begangen wurden (Jungle World 26/11), waren nicht die ersten ihrer Art. Bereits im Oktober vorigen Jahres war ein Brandanschlag auf den Infoladen »M99« in Berlin-Kreuzberg verübt worden, bei dem das Feuer beinahe auf ein Wohnhaus übergegriffen hätte. Auch Sachbeschädigungen und Schmierereien, offenbar koordiniert zur selben Zeit in mehreren Bezirken ausgeführt, gab es schon häufiger.

Doch vier Brände in drei Bezirken in einer Nacht, dazu ein missglückter Anschlag auf den Infoladen »Red Stuff« in Kreuzberg – das ist neu, von Zufall kann man wohl kaum sprechen. Unter den Zielen waren mehrere Wohnhäuser, bei ihrem Vorgehen haben die Täter den Tod von Menschen zumindest in Kauf genommen. Auffällig ist auch, dass sich alle Anschläge der vergangenen Monate gegen mehr oder weniger linke Ziele richteten, anders als in der Vergangenheit, als regelmäßig von Migranten betriebene Imbisslokale und Ladengeschäfte oder religiöse Einrichtungen in Brand gesteckt wurden. Die radikale wie auch die gemäßigte Linke in Berlin reagierte empört, aber auch sichtlich schockiert. Bereits am Tag nach den Anschlägen fand in Kreuzberg eine Demonstration unter dem Motto »Gegen Naziterror – Linke Strukturen verteidigen!« statt, an der nach Angaben der Veranstalter 2 500 Menschen teilnahmen. Auch Vertreter von Verdi und der Linkspartei bekundeten dort ihre Solidarität.

Die Berliner Nazis halten sich jedoch nicht zurück. Vorige Woche wurden der Nacht auf Mittwoch Farbbeutel und Eier auf Büros der Linkspartei und der Grünen im Berliner Bezirk Neukölln geworfen und einschlägige Parolen an den Fassaden hinterlassen. Vor der Neonazikneipe »Zum Henker« in Schöneweide griffen einige Kneipengäste Passanten an, bei denen es sich jedoch um Zivilpolizisten handelte. Die Kneipe wird auch in dem Aufruf zu einer antifaschistischen Demonstration erwähnt, die am 8. Juli stattfinden soll. Die Demonstration in Schöneweide richtet sich aber vor allem gegen das neu eröffnete Ladengeschäft »Hexogen«, das sich in derselben Straße befindet und von Sebastian Schmidtke betrieben wird. Schmidtke ist kein Unbekannter. Er ist stellvertretender Landesvorsitzender der NPD und zudem Betreiber des rechtsextremen Internetportals »NW Berlin«. Damit betätigt er sich als Mittler zwischen der NPD, »Autonomen Nationalisten« und der Kameradschaftsszene.

Das Antifaschistische Bündnis Süd-Ost (ABSO) wehrt sich in seinem Aufruf zu der Demonstration ausdrücklich gegen die von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) aufgestellte Behauptung, es gebe eine »Gewaltspirale« oder eine »Eskalation extremistischer Gewalt«: »Es ist unsinnig, von einer ›Gewaltspirale‹ zu reden, denn Neonazis agieren unabhängig von antifaschistischen Aktivitäten gewalttätig. Es ist Kernelement ihres Handelns und Denkens.« Einige Medien hatten zuvor die Anschläge von vergangener Woche in einen Zusammenhang mit vier körperlichen Angriffen auf NPD-Funktionäre in der Woche zuvor gebracht. Möglicherweise waren die jüngsten Brandanschläge tatsächlich eine Reaktion auf diese Attacken. Doch wer einen Blick auf die Pressemeldungen der Berliner Polizei wirft, wird feststellen, dass Nazis solche Anlässe gar nicht benötigen. Anschläge, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen gibt es immer wieder, auch ohne dass zuvor Rechtsex­treme angegriffen werden.

In mehreren Stadtteilen gab es inzwischen Treffen linker Gruppen, bei denen diskutiert wurde, wie Angriffe von Nazis in Zukunft verhindert werden könnten. Falls die Anschläge darauf zielen sollten, politische Gegner zu entmutigen, so haben sie ihr Ziel jedenfalls verfehlt. »Wir werden uns durch diese Anschläge nicht einschüchtern lassen«, sagt die ABSO-Sprecherin Silvia Kurz. »Wir finden, dass es gerade jetzt an der Zeit ist, auf andere Art und Weise, aber dennoch deutlich gegen die Neonazis Position zu beziehen.«