Jihadistischer Anschlag in Nigeria

Bomben statt Bildung

Die nigerianische Jihadistengruppe Boko Haram hat sich al-Qaida angeschlossen.

Die islamistische Organisation, die sich zum Bombenanschlag auf das UN-Gebäude in der nigerianischen Hauptstadt Abuja bekannte, trägt offiziell einen etwas langatmigen arabischen Namen, der »Vereinigung der Anhänger der Überlieferung des Propheten und des Jihad« bedeutet. Die Nordnigerianer nannten sie nach ihrem Hauptanliegen Boko Haram. Boko, ursprünglich der Begriff für das lateinische Alphabet, ist in der Haussa-Sprache auch die Bezeichnung für jede Form nichtislamischer Bildung. Die ist nach Ansicht der Jihadisten verboten (haram). Verboten sind aber auch Impfungen, die als westliches Teufelswerk gelten, Kirchen und Bierlokale gehören ebenfalls zu den Angriffszielen von Boko Haram.
Die Gruppe existiert seit 2002, sie beteiligte sich an den konfessionellen Konflikten in Nordnigeria und verübte zahlreiche Attentate auf lokale Politiker und Beamte. Das Selbstmordattentat in ­Abuja, bei dem am Freitag vergangener Woche 19 Menschen getötet wurden, war nicht nur ein gezielter Versuch, internationales Aufsehen zu erregen. Anfang August bestätigte al-Qaida im islamischem Maghreb Kontakte zu Boko Haram. Der Anschlag, der zu diesem Zeitpunkt bereits vorbereitet gewesen sein muss, kann als eine Bestätigung des Eintritts in die globale jihadistische Szene betrachtet werden.
Doch während al-Qaida überwiegend Angehörige der städtischen Mittelschicht rekrutiert, steht Boko Haram in der regionalen Tradition islamistischer Bewegungen der verarmten Landbevölkerung. Vor allem arbeitslose junge Männer lassen sich rekrutieren. Yan Tatsine, eine Bewegung mit ähnlich bornierter Ideologie, kämpfte in Nordnigeria bereits 1980, als Ussama bin Laden in Afghanistan gerade seine Karriere begann. Bei der Niederschlagung der Revolte setzte die Regierung die Luftwaffe ein, 4 000 Menschen wurden getötet.
Nicht zu Unrecht gelten die Anhänger von Boko Haram als nigerianische Taliban. Ähnlich wie in Pakistan propagiert in Nordnigeria eine muslimische Oligarchie die Sharia und setzt paramilitärische Gruppen ein. Doch die »Islamisierung« geriet außer Kontrolle. Da der Konflikt in Nordnigeria nun von der »internationalen Gemeinschaft« zur Kenntnis genommen wurde, werden wahrscheinlich auch die Maßnahmen beschlossen, die in Pakistan den Konflikt nur verschärft haben. Die nigerianische Oligarchie kann mit Hilfe beim Ausbau des Repressionsapparats rechnen, während Wahlmanipulationen, Polizeigewalt und die staatliche Anwendung der Sharia als zu respektierende kulturelle Eigenheiten gelten und die Verhältnisse, die den jihadistischen Terror begünstigen, erhalten werden.